Hagen. Zahlreiche Kinder aus Zuwanderer-Familien in Hagen erreicht die Stadt mit Sprachförderungen gar nicht. Und das Angebot ist eigentlich zu klein.
Es ist ein Vorgehen, welches das Problem an der Wurzel packen soll. Michael Gronwald von Hagen Aktiv und Alexander Böhm von der CDU arbeiten aktuell an einem Antrag, der die Kinder von Zuwanderern in Hagen in eine viel intensivere und viel angemessenere Sprachförderung bringen soll als Hagen das bislang anbietet. Bereits jetzt gibt es 200 Kinder ab vier Jahren in Hagen, die keine Kita besuchen und eine Sprachförderung dringend nötig haben. Tendenz: steigend. Und weil es keine Kita-Pflicht gibt und in vielen Familien auch keine Deutschkenntnisse, drohen viele Kinder trotz Hinweisen der Behörden durchs Raster zu fallen. (Lesen Sie auch: Debatte in der Wahlarena – „Haben keine Problemviertel in Hagen“)
Viele Eltern folgen dem Aufruf nicht
Die Lage ist, vereinfacht erklärt, so: Einmal im Jahr, im Frühling, werden alle Vierjährigen zu einer Sprachstandserhebung eingeladen. Bekannt als Delfin-4-Test. Das Problem: Viele Zuwanderer-Familien, gerade mit rumänischem oder bulgarischem Hintergrund, folgen diesem Aufruf nicht. Die Stadt hat zuletzt 194 Kinder ermittelt, die eine „Sprachförderung“ benötigen, womit eine „alltagsintegrierte Sprachbildung in der Gemeinschaft“ gemeint ist. Die durch Grundschullehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte getesteten Kinder werden wohnortnah den Familienzentren oder Sprachkitas zugeordnet. Diese Kitas haben die Sprachförderung deutlich benannt im Angebotsspektrum.
Schulamt muss Kinder verpflichten
Fallen bei einem Kind also Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung auf und wird es nicht in einer Kita nachweislich gefördert, soll das Schulamt das Kind verpflichten, an einem vorschulischen Sprachförderkurs teilzunehmen. Hier beginnen die Hagener Probleme. Die Eltern der oft zugewanderten Kinder erreicht dieser Aufruf nicht – entweder sprachlich-inhaltlich, oder weil sie es womöglich auch nicht wollen. Entscheidender für Michael Gronwald ist aber: „Der Förderumfang, den wir in Hagen da bieten, reicht vorne und hinten nicht aus, um die Kinder sprachlich und gesellschaftlich fit zu machen für ein Leben in Hagen. Er beträgt nämlich zwei Wochenstunden. Wir fordern angemessene 20 Wochenstunden. Also vier Stunden täglich, fünfmal die Woche.“
+++ Lesen Sie auch: Hagen – Herumstreunende Kinder attackieren die Bürger +++
Auf die Grundschule vorbereiten
Dazu merkt Gronwald an, dass Zuwanderung sich allgemein nicht an deutsche Terminierungen halte. Wenn der Sprachtest nur im Frühling stattfindet, klammert er Kinder aus, die im Sommer, Herbst und Winter kommen und folglich viel zu spät getestet werden. „Wir wollen, dass das in Hagen viermal im Jahr künftig gemacht wird“, sagt Gronwald. Nur auf diese Weise könnten die Kinder so vorgebildet werden, dass sie zwei Jahre später in einer Grundschule dem Unterricht folgen und sich auch daran beteiligen können. In der Realität sei nämlich, wie Gronwald aus vielen Gesprächen wisse, an vielen Hagener Grundschulen das Gegenteil der Fall.
+++ Lesen Sie auch: So viele Ausländer leben in den einzelnen Stadtteilen +++
Der Personalaufwand steigt
Aus einer Antwort der Verwaltung auf eine Voranfrage von Hagen Aktiv geht ein Rechenbeispiel hervor. Wollte man den eingangs genannten 194 Kindern eine zusätzliche Förderung von zwei Stunden täglich zukommen lassen, bräuchte man weitere 13 Vollzeitkräfte, die das erledigen könnten. Finanzieller Aufwand: 650.000 Euro. „Und dann wären wir ja erst bei zehn Wochenstunden. Wir fordern das Doppelte und bräuchten 1,4 Millionen Euro.“
Es braucht mehr Förderung
Da diese Sprachförderung eine Landesaufgabe sei, fordern Gronwald und Böhm von der Stadt, sich beim Land für eine viel umfangreichere Förderung einzusetzen. „Gerade Hagen, mit diesem Migrantenanteil und diesen Zuwandererzahlen, muss einfach besser gefördert werden. Wir können mit dieser Herangehensweise viele Probleme, die in späteren Lebensjahren auftreten, früh lösen“, sagt Gronwald und spielt damit auf die Konflikte an, die es in manchen Ortslagen zwischen zugewanderter und angestammter Bevölkerung gibt. Sprache, so Gronwald, sei der frühe Schlüssel zur Lösung dieser Probleme.
Wo die meisten Zugewanderten in Hagen leben
In Hagen-Mitte (898), Altenhagen (779), Wehringhausen (448), Haspe-Mitte (250) und Eilpe (234) leben die meisten Flüchtlinge und Zugewanderten in Hagen.
562 Kinder davon sind insgesamt vier Jahre alt und kommen für die Sprachstandserhebung in Frage.
Im vergangenen April lebten 1477 Flüchtlinge in Hagen. Und daneben 1814 EU-Zuwanderer.
In Hagen leben aktuell rund 198.000 Einwohner. Die Zahl der Kinder unter sechs Jahren – also vor Eintritt in die Schule – lag zuletzt bei knapp 12.000.