Boele. Um die Umwandlung des Böhfeldes im Hagener Norden in ein Gewerbegebiet ist es still geworden. Die Grundbesitzer möchten gar nicht verkaufen.

Wer über Stadtentwicklung im Hagener Norden spricht, denkt aktuell vorzugsweise an die ambitionierten Pläne rund um das Seepark-Areal entlang des Hengsteysees. Dabei ist mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Hagen die Realisierung des nur wenige Meter dahinter angedachten Gewerbegebietes Böhfeld mindestens genauso bedeutsam.

Doch nach großem Aktionismus Ende der 2010er-Jahre ist hier seit drei Jahren operative Ruhe eingekehrt. Notwendige Grundstücksverhandlungen mit den Flächenbesitzern sind entweder komplett eingeschlafen oder nicht einmal eröffnet worden: Landwirt Külpmann, Familie Hofnagel sowie die katholische Kirchengemeinde als größte Landeigner versichern auf Anfrage gegenüber der Stadtredaktion unisono, weiterhin keinerlei Veranlassung zu sehen, sich von ihrem Besitz trennen zu wollen. Die Stadt wiederum möchte sich „aus verhandlungstaktischer Sicht“ gar nicht zu dem Punkt äußern.

Dabei schrieb zuletzt nicht bloß die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer, sondern auch die Business Metropole Ruhr GmbH als Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Ruhrgebiets den Entscheidern im Rathaus ins Stammbuch, dass erweiterungswillige Unternehmen in der Stadt dringend diese potenzielle, vermutlich letzte größere Industrie- und Gewerbefläche bräuchten, um am Standort Hagen zukunftssicher planen zu können.

Warten auf den Regionalplan

Doch aktuell herrscht rund um den etwa 27,7 Hektar großen Grund – davon sind etwa 16,5 Hektar tatsächlich nutzbar – absolute Stille. „Ich höre da überhaupt nichts mehr“, bestätigt Bezirksbürgermeister Heinz-Dieter Kohaupt. Und Landwirt Christoph Külpmann, dessen Flächen zwischen Hengstey und der Autobahn (A1) im Fokus stehen, meint mit Blick auf die vergangenen drei Jahre: „Nein, Bewegung gibt es bei dem Thema nicht.“

Brachen bleiben für Neuansiedlungen interessant

Nicht erst seit die neue Bundesregierung im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel ausgegeben hat, den täglichen Flächenverbrauch von 81 auf 30 Hektar pro Tag zu senken, müssen sich expansionswillige Betriebe immer intensiver mit der Frage auseinandersetzen, ob sie für ihre Zukunftsentwicklungen auf eine Industriebrache (Brown­field) oder auf die grüne Wiese (Greenfield) ziehen.

Zentraler Vorteil der Brachen ist meist, dass diese aufgrund ihrer etablierten Lage oft in eine soziale, industrielle und verkehrstechnische Infrastruktur eingebettet sind. Zudem gibt es meist volle Rückendeckung der örtlichen Behörden, die derartige Neuansiedlungen und Entwicklungen konstruktiv unterstützen.

Obendrein ist die Verkehrsanbindung bereits ebenso etabliert wie die Versorgung mit Gas, Wasser und Strom, so dass insgesamt der ökologische Fußabdruck deutlich kleiner ausfällt, was wiederum für die Betriebe auch imageprägend wirkt.

Allerdings existieren oft Altlastenthemen, was kostspielige Sanierungsfragen nach sich ziehen kann. Oft werden diese Probleme heute durch eine Versiegelung des kontaminierten Untergrundes gelöst, was gerade für selten unterkellerte Gewerbebetriebe meist unproblematisch umzusetzen ist.

Entsprechend gibt sich die Stadt zurzeit reserviert. Das Thema gehöre zum Aufgabenfeld der Hagener Industrie- und Gewerbeflächen GmbH (HIG). „Deren Fokus liegt derzeit auf der Entwicklung von sogenannten Brownfields – das ist politischer Konsens“, verweist Stadtsprecher Michael Kaub auf die Wiederbelebung von Brachflächen (siehe Infobox). Allerdings würden aufgrund der bekannten Gewerbeflächenknappheit in Hagen die HIG-Aktivitäten wieder auf im Regionalplan für gewerbliche Nutzung vorgesehene Flächen, die zurzeit landwirtschaftlich genutzt werden, zielen. Doch dieser Regionalplan lässt weiter auf sich warten.

Landwirt Christoph Külpmann, der den Familienbetrieb am Böhfeld bereits in der zehnten Generation führt, hat keinerlei Interesse, seinen Hof zu verlagern.
Landwirt Christoph Külpmann, der den Familienbetrieb am Böhfeld bereits in der zehnten Generation führt, hat keinerlei Interesse, seinen Hof zu verlagern. © WP | Michael Kleinrensing

Entwicklung wird kostspielig

Derweil versichert Külpmann, dass er keine Verkaufsgedanken hege und auch die Investitionen in einen weiteren Stall sowie eine Maschinenhalle, ein Futterlager sowie einen Güllebehälter nicht verworfen habe. Allerdings werde er keinen Bauantrag stellen, solange der Rat seine 2009 gefasste Willensbekundung für ein Gewerbegebiet Böhfeld nicht zurücknehme. „Ich könnte hier mein Leben lang Bauer bleiben“, versichert der Landwirt, der den Betrieb (Familiensitz seit 1874) bereits in der zehnten Generation führt. Zudem erinnert er daran, dass die Bodenqualitäten seines Grundes so hochwertig seien, dass es sich extrem schwierig gestalten dürfte, hier gleichwertigen Ersatz zu finden: „Niemand möchte aus einer großen Wohnung in ein Mini-Appartement umziehen.“

Bei einer Entwicklung des Böhfeldes stünden, so die Stadt in einem knappen Statement, angesichts der Flächenknappheit keineswegs wirtschaftliche Fragen im Vordergrund, sondern Hagen könne bei der Nutzung der wenigen überhaupt noch in Frage kommenden Grünflächen kaum wählerisch sein. Neben dem eigentlichen Grunderwerb seien die erforderlichen Erschließungskosten der wesentliche Posten für den späteren Preis. „Es ist davon auszugehen, dass durch die Veräußerung die Kosten gedeckt werden können“, sagt Kaub. „Zudem ist mittelfristig davon auszugehen, dass die Ansiedlung bzw. Erweiterung von Unternehmen dem Gewerbesteueraufkommen der Gemeinde zugutekommt.“

Ähnlich argumentierte zuletzt auch Oberbürgermeister Erik O. Schulz, der bei der Vermarktung Quadratmeterpreise jenseits der 100-Euro-Schwelle keineswegs für unrealistisch hielt. „Auf die Entwicklung von Gewerbegebieten zu verzichten, bedeutet gleichzeitig, in Zukunft immer weniger Spielräume für die Entwicklung der Stadt zu haben“, so der Verwaltungschef. Zuletzt hatte die Planungs- und Umweltverwaltung des Rathauses noch die Sorge formuliert: „Die Schere zwischen Erstellungskosten und möglichen Erlösen könnte so weit auseinanderklaffen, dass die Entwicklung realistischerweise nicht möglich ist.“

Restriktionen beschränken Areal

Während in Hagen weiterhin um die Zukunft des Böhfeldes gerungen wird, hat sich dort inzwischen die vom Aussterben bedrohte Feldlerche angesiedelt.
Während in Hagen weiterhin um die Zukunft des Böhfeldes gerungen wird, hat sich dort inzwischen die vom Aussterben bedrohte Feldlerche angesiedelt. © imago stock

Dabei bezogen sich die Experten des Rathauses vorzugsweise auf Restriktionen, die die Nutzung des Böhfeldes zusätzlich erschweren. Dazu zählen neben Mindestabständen zur Autobahn (A1) auch vorgeschriebene Distanzen zu Hochspannungs- und Gasleitungen, Klärschlammbelastungen der Flächen, ein Ausbau der Zuwegungen, die Entwässerung sowie das Geländegefälle. Und jetzt kommt sogar noch hinzu, so berichtet Landwirt Külpmann, dass drei Feldlerchen-Brutpaare auf seinem Grund ein neues Zuhause gefunden hätten – der Vogel des Jahres 2019 ist vom Aussterben bedroht.