Hengstey. . Dass die 30 Hektar Wiesen am Böhfeld für Gewerbeflächen zur Verfügung stehen, erscheint äußerst fraglich. Die Besitzer möchten nicht verkaufen.

Die optimistischen Prognosen der Hagener Wirtschaftspolitiker, dass die landwirtschaftlichen Flächen des Böhfeldes zwischen Hengstey und der A1 sich in ein 29,3 Hektar großes Gewerbegebiet verwandeln lassen, könnten sich als planerisches Luftschloss entpuppen.

Flächenpolitik als regionales Projekt

SPD-Ratsherr Dietmar Thieser plädiert bereits seit Jahren dafür, die Ausweisung von attraktiven Gewerbeflächen künftig gemeinsam mit dem EN- und dem MK-Kreis im Rahmen einer gemeinsamen Wirtschaftsförderung mit nur einem Geschäftsführer als regionale Aufgabe voranzutreiben.

„Das wäre mir allemal lieber, als in Hagen einen Naturflecken nach dem anderen zu vernichten“, erwartet der Hasper Bezirksbürgermeister von der Stadt, die Kommunikation in diese Richtung zu vertiefen.

Auch im Sauerland hätten sich die Gemeinden erfolgreich zusammengefunden und gemeinsame Kooperationsflächen für größere Gewerbeansiedlungen entwickelt. Die Gewerbesteuern würden dort über zuvor ausgehandelte Quoten und Schlüssel verteilt.

Oberbürgermeister Erik O. Schulz vertritt derweil die klare Haltung: „Die Stadt braucht eine auf die Zukunft gerichtete Flächenvorratshaltungspolitik. Es müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, um Flächen zu aktivieren. Sowohl Brachflächen als auch noch weitere neue Gebiete.“ Das Böhfeld im Hagener Norden spiele aufgrund seiner stattlichen Größe von fast 30 Hektar dabei eine Schlüsselrolle.

Zum einen hat keiner der relevanten Flächenbesitzer bislang irgendein Interesse signalisiert, sein Grundstück verkaufen zu wollen. Zum anderen läuft Anfang März die von der Stadt seit vier Jahren verhängte Veränderungssperre für das Areal ab.

Diese hat es bis heute verhindert, dass der dort ansässige Landwirt Christoph Külpmann einen formalen Bauantrag für seine seit Jahren geplanten, millionenschweren Erweiterungsinvestitionen stellen durfte. Der soll nach den städtischen Ausbremsmechanismen jetzt jedoch in Kürze folgen: „Ich werde mich als nächstes bei der Stadt um einen Termin bemühen, um das weitere Vorgehen konkret abzusprechen“, lässt der 33-jährige Agrarbetriebswirt keinerlei Zweifel, dass er die Zukunft seines Milchviehbetriebes mit derzeit 90 Kühen weiterhin entlang der Böhfeldstraße sieht.

Seit zehn Generationen in Familienbesitz

Bereits seit dem 17. Jahrhundert sind die Külpmänner im Ruhrtal als Landwirte heimisch. Das aktuelle Gehöft dient seit 1874 als Familiensitz, Christoph Külpmann führt den Betrieb inzwischen in der zehnten Generation. Damit diese Tradition eine wirtschaftliche Perspektive hat, muss der Landwirt die Haltung seiner Kühe zeitgemäß modernisieren.

Sorgen um Natur, Wasser und Klima

Gegen den bereits im Regionalplanentwurf enthaltenen Flächenvorschlag Böhfeld, der dort als Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereich vorgesehen ist, hat die Hagener Umweltverwaltung ähnlich wie die Bezirksregierung in Arnsberg bereits erhebliche Bedenken angemeldet. Die Fläche gilt als Bereich zum Schutz der Landschaft, die zum Teil direkt an das Naturschutzgebiet Uhlenbruch angrenzt. Im Umweltbericht heißt es wörtlich: „Hinsichtlich der schutzbezogenen Beurteilung sind voraussichtlich bei drei Kriterien (Naturschutzgebiet, Wasserschutzgebiet, klimatische und lufthygienische Ausgleichsräume) erheblich Umweltauswirkungen zu erwarten.“

Zudem werde mit der Planung des großflächigen Gewerbegebietes den Planungsgrundsätzen zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden nicht Rechnung getragen. Vielmehr würden landwirtschaftlich genutzte Flächen unwiederbringlich der Umwelt entzogen. Gerade die Flächen im Bereich Böhfeld zeichnen sich durch eine hohe Fruchtbarkeit, eine hohe Sorptionsfähigkeit, eine gute Filter- und Pufferfunktion sowie eine hohe nutzbare Wasserkapazität aus, heißt es in dem Umweltbericht. Daher solle die effiziente Nutzung der ertragreichen Böden Vorrang haben. Mit einer ähnlichen Argumentationskette haben auch die Experten der Bezirksregierung in Arnsberg sich gegen eine Umwandlung des Böhfeldes in ein Gewerbegebiet ausgesprochen.

Dazu gehören neben einer offenen Stallanlage auch eine Maschinenhalle, Futterlager sowie ein Güllebehälter. Und natürlich die möglichst angrenzenden Futter-Anbauflächen für Gerste, Weizen, Mais und Raps. Die bislang mit der Planungsverwaltung geführten Gespräche über eine komplette Verlagerung des landwirtschaftlichen Betriebes in eine andere Stadt haben nach Angaben von Külpmann zu keinerlei Ergebnis geführt: „Die Stadt hat sehr schnell gemerkt, dass dies extrem teuer wird.“

Vor diesem Hintergrund hat die Familie Külpmann, in deren Besitz sich etwa die Hälfte jener Potenzialflächen befindet, die die Stadt gerne als Gewerbe- und Industriegebiet ausweisen möchte, weiterhin keinerlei Interesse, auch nur einen Quadratmeter aufzugeben. Ähnlich hatte sich der Landwirt auch schon im November vergangenen Jahres im Rahmen einer Bürgeranhörung geäußert.

Keine Gespräche mit Anwohnern

Auf demselben Standpunkt beharrt auch die Familie Hofnagel, deren Heim an der Böhfeldstraße steht und die ebenfalls über einige Hektar am Böhfeld verfügt: „Mit uns hat noch nie jemand gesprochen und wir denken auch gar nicht daran zu verkaufen“, versichert Herbert Hofnagel im Gespräch mit dieser Zeitung.

Ähnlich die Haltung der katholischen Kirche, die am Böhfeld ebenfalls über etwa elf Hektar verfügt. Hier besteht nach Angaben von Kirchenvorstand Burkhard Wehner einhelliger Konsens, dass man an dieser Stelle keinerlei Verkaufsinteressen verfolge. Somit ist eine wesentliche Voraussetzung für diese neue Gewerbefläche – nämlich eine realistische Veräußerungsabsicht durch die aktuellen Grundstücksbesitzer – gar nicht gegeben.

Zudem ist das Bebauungsplanverfahren der Stadt, für dessen Abarbeitung extra die am 6. März auslaufende Veränderungssperre verhängt wurde, noch immer nicht abgeschlossen. „Ein Grund hierfür sind die komplexen Eigentumsverhältnisse des Plangebietes und die schwierige Suche nach Alternativflächen für die von der Planung betroffene Landwirtschaft“, erläutert Stadtsprecher Michael Kaub das zähe Verfahren.

Enteignung wird ausgeschlossen

Eine Enteignung der Grundstücksbesitzer hat Baudezernent Thomas Grothe zuletzt bei einer Bürgeranhörung ausgeschlossen. Grundsätzlich gilt: Enteignungen kommen nur dann als letzes Mittel in Frage, wenn im Rahmen einer Abwägung das Wohl der Allgemeinheit höher zu bewerten ist und sich keine Alternativen abzeichnen.