Hagen. Verhandelt wird alles nichtöffentlich. Straßenbau,Wege, Parks oder Brücken. Den Zugriff darauf könnte Hagens Politik abgeben.

Sollte das in der nächsten Ratssitzung am 23. September so beschlossen werden, wäre die Sache an der Öffentlichkeit vorbeigegangen. Im Rahmen eines Betrauungsaktes soll der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) mit den Bereichen Straßenbau, Wege, Plätze, Radwege, Fußgängerzonen, Brücken, Treppen, Spielplätze, Außenanlagen von Kitas, Parks, Brunnen, Winterdienst, Gewässerunterhaltung, Renaturierung und Beleuchtung betraut werden. Das sind Aufgabenbereiche, über die eigentlich die politisch gewählten Vertreter aus Reihen der Bürger entscheiden. Eine in nichtöffentlicher Vorlage dargestellte Machbarkeitsstudie skizziert sogar die Möglichkeit, die Stadt so zeitnah aus der bilanziellen Überschuldung zu hieven.

Gesetzgeber hat Umsatzbesteuerung für die Städte grundlegend

Warum dieser Schritt? Der Gesetzgeber hat die Umsatzbesteuerung für Städte grundlegend geändert. Ab 2023 besteht konkret für Hagen das Risiko, dass ein Großteil der Leistungsbeziehungen zwischen Stadt und WBH umsatzsteuerpflichtig wird. Mögliche Belastung für die Nothaushaltskommune Hagen: 2,5 Millionen Euro im Jahr.

Um das zu vermeiden, hat der Rat im Sommer 2019 beschlossen, Auskunft beim Finanzamt zur steuerlichen Beurteilung der neu zu gestaltenden Leistungsbeziehungen zwischen WBH und Stadt in Form des eingangs beschriebenen Betrauungsaktes erbeten.

Das zentrale Instrument im Falle des WBH ist der Wirtschaftsplan

Parallel dazu wurde eine Machbarkeitsstudie bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Auftrag gegeben für Varianten einer teilweisen- oder vollständigen Rückführung des WBH (Anstalt öffentlichen Rechts) in einen Eigenbetrieb. Eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist eine mit Sachmitteln und Personal ausgestattete Einrichtung, die in der Hand eines Trägers der öffentlichen Verwaltung (der Stadt Hagen) steht und öffentlichem Zwecke dient.

Der Betrauungsakt würde bedeuten, dass der WBH die genannten Aufgaben künftig im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und im eigenen Interesse und nicht für die Stadt zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ausführt. Und: Es gehen Steuerungsmöglichkeiten verloren. Das zentrale Instrument im Falle des WBH ist der Wirtschaftsplan. Zur Sicherstellung einer ausreichenden Steuerung müssten in diesem Plan Leistungsstandards und eine maßnahmenscharfe Planung hinterlegt werden. Auf Ebene des WBH entsteht durch die Betrauung ein Finanzierungsbedarf, der durch Zuschüsse der Stadt gedeckt werden muss.

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Beratungen nichtöffentlich, weil es um „steuerliche Angelegenheiten“ geht

Aber: Folgt man der Vorlage, ist noch nicht klar, wie politische Entscheidungsgremien, Rat und Bezirksvertretungen entsprechend ihrer eigentlichen Zuständigkeit (Paragraf 37 der Gemeindeordnung) künftig die Möglichkeit haben, wesentliche Elemente einer Baumaßnahme abschließend mitbestimmen können. Die Stadt soll die Zuständigkeit bis zur sogenannten „Leistungsphase 3“ behalten – der Entwurfsplanung. Ein direktes Weisungsrecht in allen anderen Bereichen besteht nicht. Kommunaler Einfluss kann über den Verwaltungsrat genommen werden. Gleichwohl sind Vorschläge, Bitten und Anregungen, die sich der WBH zu eigen macht, möglich. Die Stadt erklärt auf Anfrage, dass die Beratungen zwingend nichtöffentlich sein müssten, da es um steuerliche Angelegenheiten gehe. Im Rahmen der Diskussion werde es nicht möglich sein, zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Inhalten zu trennen.

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Hagen könnte zeitnah aus dem Nothaushalt kommen

Unter den geprüften Rückführungsvarianten des WBH in einen Eigenbetrieb kann „Variante 1" als diejenige bezeichnet werden, die aus öffentlicher Sicht den größten Effekt erzielen würde. Denn durch die Hebung „stiller Reserven“ von 95 Millionen Euro (es geht um das Kanalnetz) – gemeint sind Teile des Eigenkapitals, die nicht in der Bilanz auftauchen – könnte als Einmaleffekt der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag von 94 Millionen Euro in der Bilanz der Stadt gedeckt werden. Hagen wäre raus aus der bilanziellen Überschuldung und aus dem Nothaushalt.