Hagen. Der Anteil des Öffentlichen Personennahverkehrs in Hagen soll in Zukunft deutlich steigen. Ein Experte erklärt, wie das gelingen kann.

Eine Seilbahn, neue Straßenbahnen, futuristisch anmutende lange Busse, die auf eigenen Wegen vorbei an den morgendlichen Staus rauschen. Denkverbote gibt es nicht. In dieser Phase ist noch alles erlaubt, wenn es darum geht, wie es in Hagen gelingen kann, wesentlich mehr Menschen dazu zu bringen, den Öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen.

Dass das Sinn macht, ist auch in der Politik nicht umstritten. Und um diesen sogenannten „Modal Split“ schon einmal in die richtige Richtung zu lenken, hatte der Rat zur Fahrplanumstellung am 15. Dezember 2019 bereits rund drei Millionen Euro mehr in den ÖPNV gesteckt. 1,2 Millionen Kilometer rollen die Busse seither pro Jahr. Dann aber kam Corona. Und so lässt sich kaum seriös beantworten, welche Auswirkungen diese Ausweitung des Angebots – unter anderem engere Taktung auf den Hauptachsen – tatsächlich hat.

ÖPNV-Anteil soll deutlich steigen

Jetzt aber steht ein Ziel im Raum, das – Corona hin oder her – sich ohne eine regelrechte Verkehrs-Revolution nicht erreichen lässt. Der Modal Split, also der Anteil von Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV-Nutzern – soll von heute 38 Prozent auf künftig 50 Prozent im Stadtgebiet steigen. Für den Öffentlichen Personennahverkehr bedeutet das: 26 statt 19 Prozent.

Wie das gelingen kann, soll das Büro „Plan Mobil“ aus Kassel ausarbeiten. Im Ausschuss für Umwelt, Klima und Mobilität hat Thomas Barwisch dazu einen ersten Zwischenbericht vorgestellt.

Die Basis: Nur Fahrzeuge, die mit einer Auslastung von 65 Prozent unterwegs sind, bieten den Fahrgästen noch eine annehmbare Qualität. In proppevollen Bussen sinkt die Akzeptanz. „Auf dem Westkorridor wird in Richtung Innenstadt dieser Wert schon jetzt überschritten“, erklärt Thomas Barwisch. „Vor diesem Hintergrund kann man nicht von einer Attraktivitätssteigerung sprechen.“

Und eines steht vor diesem Hintergrund für den Verkehrsexperten schon jetzt fest: Mit dem bestehenden System lassen sich die Ziele nicht erreichen. „In den nächsten Wochen wird es jetzt darum gehen, welche Möglichkeiten sich für Hagen eignen“, sagt Thomas Barwisch dazu. Ein BRT (das steht für Bus Rapid Transit) wäre eine Möglichkeit. Das sind futuristisch anmutende Busse, die rein äußerlich einer Straßenbahn ähneln. „Im französischen Metz sind beispielsweise diese Fahrzeuge bereits unterwegs. Dort hat man den Autoverkehr aus der Innenstadt verbannt. Die fahren in hoher Frequenz zu niedrigen Preisen.“

Metrobusse als Alternative

Hochwertige Metrobusse mit strikter Linienführung und Bevorrechtigung könnten eine Alternative oder Ergänzung sein. Aber auch Urbane Seilbahnsysteme – Koblenz mit einer Verbindung über den Rhein – gehören zu zukunftsträchtigen Systemen. „Man erzielt eine hohe Kapazität bei geringem Personaleinsatz“, so Barwisch.

Bei all dem gehe es noch nicht um Antriebstechniken, sagt Barwisch, der beispielsweise die Kosten für einen Kilometer Straßenbahnstrecke auf 15 Millionen Euro beziffert. Gleichzeitig macht er darauf aufmerksam, dass für unterschiedliche Systeme Fördertöpfe angezapft werden könnten, durch die bis zu 90 Prozent Förderung möglich seien. „Allerdings kommen bei hohen Gesamtkosten trotzdem hohe Beträge auf Kommunen zu.“

Platz für neue Systeme

Hinzu kommt: neue System brauchen Platz. Der wiederum könnte unter anderem durch eine Einbahnstraßenregelung auf dem Innenstadtring entstehen. Die Effekte, so hat ein Gutachten gerade bestätigt, sind zwar nicht so, wie sich die Verwaltung das erhofft hatte. „Sinnvoll aber“, so betont Baudezernent Henning Keune, „kann eine solche Maßnahme nur sein in Kombination mit Radspuren und einem neuen ÖPNV-System.“

All das aber ist noch Zukunftsmusik. Die Ergebnisse der Untersuchungen von „Plan Mobil“ sollen in den nächsten Wochen weiter verfeinert werden. Die Systeme werden dann noch einmal gegenübergestellt. „Das Ziel ist es, bis Ende des Jahres eine grobe Perspektive festzulegen“, so Stadtplaner Jörg Winkler.

>>> HINTERGRUND: Mobilstationen sollen Attraktivität erhöhen

Eine neue Form von Haltestellen soll die Attraktivität des Busverkehrs in Hagen steigern und mehr Menschen dazu bewegen, auf das eigene Auto zu verzichten. Die Rede ist von sogenannten Mobilstationen, die sich dadurch auszeichnen, dass ein Umstieg von einem auf ein anderes Verkehrsmittel möglich ist. Nur ein Beispiel dafür sind Bushaltestellen, an denen es Radboxen gibt, in denen Radfahrer ihre Fahrräder sicher abstellen können, um dann den Öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen.

Zumindest im Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität ist jetzt über diese Stationen, die sich in der Regel durch Barrierefreiheit auszeichnen, diskutiert worden. Das Ergebnis: Die Verwaltung soll ein Konzept erarbeiten, wie man in Hagen Mobilstationen umsetzen kann und zumindest exemplarisch den konkreten Ausbau einer herkömmlichen Haltestelle präsentieren.

Dass Mobilstationen, an der auch das Ausleihen von Elektrorollern in Frage kommen könnte, durchaus Sinn machen – darin besteht unter den Fraktionen Einigkeit. Von Stationen, an denen auch das Umsteigen ohne Fahrbahnquerung problemlos möglich sein muss und an denen sich Fahrgäste an digitalen Stelen informieren können spricht Rainer Voigt (CDU). Von einem spannenden und guten Vorstoß wiederum Jörg Meier (SPD).

Und auch Baudezernent Henning Keune war „dankbar“ für den Vorstoß, den CDU, Grüne, Hagen Aktiv und FDP unternommen hatten. „Wir müssen einfach auf eine neue Qualitätsstufe kommen.“