Hagen. Seit sechs Jahren prangert der Unternehmerrat das schlechte Abschneiden Hagens an und liefert Konzeptideen.
Über der kritischen und erneut schmerzhaften Analyse des Unternehmerrates Hagen mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Hagen steht mehr denn je die Frage: Wer nimmt die Bälle, die der Zirkel aus engagierten Hagener Unternehmern seit fünf Jahren spielt, eigentlich auf? Denn Umsetzung hat in den Augen des Unternehmerrates an noch keiner einzigen Stelle stattgefunden.
Mit viel Begleitmusik war der Unternehmerrat Hagen 2016 an den Start gegangen. Es bildeten sich Kritiker-Fronten im immer noch bestehenden Unternehmerverein, der Verwaltung und der Stadtgesellschaft. Vor allem wurden Legitimation und Repräsentativität des Unternehmerrates in Frage gestellt, der vor allem der Stadtspitze immer wieder aufzeigte, was sie angesichts großer Dringlichkeiten in der Wirtschaftsförderung nicht leistet.
Zwei Werte- und Strategiepapiere legten die Unternehmer der Stadt Hagen vor. Zudem eine Stadtphilosophie, eine Jugend-Wirtschaftskonferenz mit Dokumentation. Gearbeitet wird mit über 100 Unternehmern seit Jahren in mehreren Arbeitsgruppen. Der Motions Award für bürgerschaftliches Engagement entstand und nun: der dritte Werte- und Strategiekompass. Seine Stoßrichtung: zutiefst ernüchternd. Denn nach Analyse des Unternehmerrates ist die Stadt bei all ihren wichtigen Eckdaten und Service-Bereichen kein Stückchen weitergekommen.
Unternehmerrat stellt fest: Keine Unternehmensansiedlung in den vergangenen fünf Jahren
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Keine Unternehmensansiedlungen seit fünf Jahren, ein Auspendlerzuwachs von acht Prozent (spreche für zu wenig ansprechende Arbeitsplätze in Hagen), eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit von 12,1 Prozent (Bundesdurchschnitt knapp sechs Prozent) und eine immer noch schlecht funktionierende Wirtschaftsförderung. Nach einer Umfrage unter rund 50 Unternehmen planen fünf Prozent eine Verlagerung ihres Standortes weg aus Hagen, mittlerweile halten weitere 33 Prozent den Standort schon für „variabel“. Bei knapp über der Hälfte der Befragten herrscht Unzufriedenheit mit der Hagen-Agentur. Es sei keine Strategie erkennbar, die Personalausstattung sei schlecht und es würden nur Impulse gesetzt, nie aber Ergebnisse geliefert.
Miserable Breitbandversorgung: Teilweise nur 6 Mbit in Gewerbegebieten
„Diese Stadt ist Ideen-Weltmeister, beim Thema Umsetzung würden wir aber nichts gewinnen“, sagt Winfried Bahn, Sprecher des Unternehmerrates und verweist auf die unübersichtlichen ISEK- oder INSEK-Prozesse. „Viel Bürgerbeteiligung und Wind und kein Output.“
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Derweil würden zukunftsträchtige Themen wie Gewerbeflächenmanagement (75-prozentige Unzufriedenheit nach Umfrage) oder Breitbandversorgung weiter brachliegen. Unternehmensberater Lars Immerthal sagt dazu: „Es gibt mancherorts eine Breitbandversorgung in Gewerbegebieten von 6 mBit“ – quasi steinzeitlich. Marc Simon, Chef der Spedition Cordes und Simon, analysiert: „Es gibt weiter kein Verkehrsführungskonzept.“
Kritik kommt dabei vor allem auch an Volker Ruff auf, der seit gut eineinhalb Jahren neuer Chef der Hagen-Agentur ist. Es fehle an einer sichtbaren Strategie. Lars Immerthal: „18 Monate Amtszeit halte ich für lang genug. Da hätte ich bislang, ehrlich gesagt, mehr erwartet.“ Hinterfragt wird vom Unternehmerrat in diesem Zusammenhang, welche Gestaltungsmöglichkeiten Ruff überhaupt habe oder ob die Stadtspitze im Hintergrund nicht lenke. Oberbürgermeister Erik O. Schulz hatte schon vor sechs Jahren erklärt, die Wirtschaftsförderung zur „Chefsache“ machen zu wollen – bislang weitestgehend effektlos.
Hagen-Agentur-Chef Volker Ruff: „Bin mit der Leistung bisher selbst nicht zufrieden“
Hagen-Agentur-Chef Volker Ruff nimmt die Kritik konstruktiv auf: „Ich bin ja selbst auch mit der bisherigen Leistung der Agentur nicht vollends zufrieden.“ Dennoch habe man trotz Pandemie entscheidende Dinge auf den Weg bringen können wie den Start des Wachstumsprogramms „Hagen Horizonte 2035“. Sechs neue Stellen werden dafür im Wirtschaftsförderungsbereich geschaffen. Eine Verdopplung.
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Gestern brachte der Rat den ersten Baustein auf den Weg. Titel: „Hagen Restart“. Zielgruppe: der Einzelhandel. Neue Marktzugänge, Beratungsleistungen, Lieferangebotsausweitungen, ein Cash-back-System oder Marketingkampagnen. Betroffene Händler können sich in aller Kürze bei der Hagen-Agentur bewerben, die dann finanziell, aber auch mit Expertise unterstützt.