Hohenlimburg. Am Stoppelberg könnten bald zwei Windräder entstehen. Im Gespräch reagiert der Investor auf Kritik und erklärt, warum er nicht im Flachland baut
Die Genehmigung für zwei Windräder am Rafflenbeuler Kopf hat SL Naturenergie bereits seit Februar und nun erreichte den Investor weitere Post aus Hagen: So sind nun auch zwei von drei Anlagen, die der Investor am Stoppelberg bauen will, genehmigt. Für die dritte Anlage, WEA 2, steht die Genehmigung laut SL Naturenergie noch aus. Im Interview sprechen Geschäftsführer Milan Nitschke und Sebastian Gampe, Naturschutz bei SL Naturenergie, über die Pläne und die Kritik.
Nun sind zwei ihrer Windräder genehmigt. Wann wird es für die Bürger weitere Informationen geben, was am Stoppelberg passiert?
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Milan Nitschke: Am Mittwoch findet zunächst die digitale Bürgerinformation zu unserem Projekt in Rafflenbeul statt. Unter den gegenwärtigen Bedingungen geht das leider nur digital. Wenn das Format gut funktioniert, werden wir eine solche Veranstaltung zeitnah auch für das Projekt am Stoppelberg anbieten.
Wenn es nach Ihnen ginge, wann sollten sich die Rotoren am Stoppelberg drehen?
Nitzschke: Weil wir mit dem Ausbau der Windenergie und den Klimaschutzzielen, die seit den 1990ern feststehen, so unendlich weit hinterherhängen, am liebsten so schnell wie möglich. Realistisch aber im kommenden Jahr.
Ziel ist, so schnell wie möglich mit dem Bau zu starten?
Nitzschke: Gerne so schnell wie möglich. Zunächst aber müssen wir erfolgreich an der Ausschreibung der Bundesnetzagentur gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz teilnehmen.
Können Sie beantworten, wie Sie das Gebiet erschließen wollen?
Nitzschke: Wir brauchen noch das Ausschreibungsergebnis. Danach geht die Bauplanung ins Detail und wir stimmen uns mit dem Anlagenhersteller ab, wie genau die Baustelle erschlossen werden soll.
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Sie wissen, dass dort der Rotmilan seinen Horst hat. In einem von Ihnen vorgelegten Gutachten sind Nachweise aus 2011, 2014 und 2015 verzeichnet, wonach das Tier meist gen Süden fliegt. Kritiker finden das nicht schlüssig, auch weil der Rotmilan ebenso im Nordosten über Oege und dem Wesselbachtal kreist. Auf welcher Basis haben Sie das Tier beobachtet?
Sebastian Gampe: Wir haben zu Beginn von Wind-Projekten die wesentliche Aufgabe, den Artenschutz sauber zu bewerten. Dafür beauftragen wir Gutachter, die langjährige Erfahrung mit dem Thema haben. Wir haben über die Jahre hinweg zahlreiche Vogeluntersuchungen gemacht und dabei insbesondere die Flugbewegungen der Rotmilane erfasst und dargestellt. Es ist der Art-Ökologie des Rotmilans geschuldet, dass er am Waldrand brütet und die offenen Landflächen als Nahrungshabitate nutzt, das ist typisch. Wenn die Jungvögel geschlüpft sind, führt das nochmal zu höherer Flugaktivität. Er sucht Würmer, Mäuse, kleine Tiere und findet all das nicht über dem Wald, deswegen ist sein wesentliches Habitat und sein Hauptaufenthaltsgebiet das offene Land.
Wie lief die Beobachtung am Stoppelberg ab?
Gampe: Wir haben mehrere Ornithologen gleichzeitig ausgeschickt und die Tiere von verschiedenen Standorten aus beobachtet. Das Ergebnis ist in der Artenschutzprüfung 2 dargestellt. Und es ist eben nicht verwunderlich, dass die Nutzungsaktivitäten tatsächlich im Offenland und nicht über dem Wald stattfinden. Das ist ganz typisch.
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Kritiker sagen, in das Gutachten wurden örtliche Verbände nicht einbezogen. Hatten Sie keinen Austausch mit den Verbänden?
Gampe: In der Artenschutzprüfung 1 hat der Gutachter die Aufgabe, sämtliche Naturschutzverbände und Behörden abzufragen nach Erkenntnissen zum jeweiligen Projekt. Während des Genehmigungsverfahrens kann eine Behörde weitere Verbände beteiligen. Regelmäßig werden Verbände um Stellungnahme gebeten, erhalten die Unterlagen und können ihre Expertise einfließen lassen. Die Behörde hat abzuwägen, wie sie mit den Inhalten umgeht.
Sprich: wenn Verbände nicht gefragt wurden, ist die Behörde schuld?
Gampe: Die Behörde kann in Abhängigkeit des Genehmigungsverfahrens entscheiden, ob bzw. welche Naturschutzverbände am Verfahren beteiligt werden und um Stellungnahme bitten.
Nitzschke: Wir halten uns komplett an die Vorgaben des Genehmigungsprozesses. Alles andere wäre fahrlässig, auch mit Blick auf mögliche Gerichtsverfahren und Klagen gegen die Anlagen. Wir sind darauf angewiesen, dass der Genehmigungsprozess von unserer Seite aus korrekt nach Vorgabe abläuft. Dazu beauftragen wir in jedem Projekt mehrere unabhängige Gutachter.
Aber sie bezahlen die Gutachter. Gilt da nicht: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“?
Nitzschke: Jedes Gutachten wird von Behörden geprüft und häufig auch von nachgelagerten Gerichtsverfahren. Wenn nachgewiesen würde, dass ein Gutachter schlampig oder nach Interessenlage begutachtet hat, dann wäre dieser Gutachter sofort aus dem Geschäft. Das kann sich niemand erlauben.
Wir reden hier also auch von Reputation.
Nitzschke: Es geht nicht nur um seinen Ruf, es würde die weitere Ausführung seines Berufes unmöglich machen. Wenn der Gutachter ein schlechtes Gutachten erstellt hätte, dann würde er bei künftigen Aufträgen sehr genau beobachtet und auch angezweifelt werden. Das heißt, der nächste mögliche Auftraggeber, der das merkt, wechselt den Gutachter. Der Gutachter muss nach Vorgabe arbeiten, weil alles andere beanstandet würde. Andererseits gibt es aber auch kein anderes Regulativ. Denn Kreis oder Kommune bezahlen die Gutachter eben nicht selbst, das müssen die Antragsteller machen.
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Am Stoppelberg wollen Sie die Anlagen direkt in einem Waldgebiet bauen. Warum gerade dort?
Nitzschke: Als Planer beginnt man mit dem, was die Stadt selber plant, um Flächen auszuweisen. Die Stadt Hagen hat schon in 2011 mit der Erstellung eines sogenannten sachlichen Teilflächennutzungsplanes für Windenergie begonnen und ein Essener Planungsbüro mit dem entsprechenden Flächenkonzept beauftragt. In diesem Konzept ist die Fläche am Stoppelfeld ausdrücklich vorgesehen. Im Übrigen ist der Standort gerade für den Artenschutz und den Schutz des Rotmilans geeignet. Die Flächen, auf denen die Anlagen geplant sind, sind für seine Jagd zu unattraktiv.
Stichwort: Wohnbebauung. Bei einer der Anlagen am Stoppelberg (WEA 2) liegt die Entfernung unter 1000 Meter.
Gampe: Die 1000 Meter Abstand waren seinerzeit bei der Potenzialuntersuchung noch nicht Maß der Dinge und sind es auch heute nicht. Es kommt vielmehr auf die individuelle Situation vor Ort an.
Nitzschke: Die Stadt hat die Abstände für ausreichend erachtet. Über Mindestabstände wird gegenwärtig in NRW debattiert, eine Entscheidung steht aber noch aus. Die 1000 Meter Abstand werden häufig damit begründet, dass man damit Schall und Schattenwurf reduzieren könne. Das ist aber vorgeschoben, denn für beides gibt es schon gesetzliche Schranken: Es greift die maximale Schallbelastung im Außenbereich. Da ist es völlig egal, ob Gewerbe- und Industriegebiet oder Windrad – alles muss sich nachts unter 45 Dezibel halten. Das ist übrigens vergleichbar mit den Geräuschen in einer ordentlich geführten Bibliothek und unterhalb des Geräusches eines Kühlschrankes. Entsprechend weit müssen auch die Windenergieanlagen von Wohnhäusern entfernt stehen. Dafür gibt es Gutachten, die das berechnen.
Und wenn die Lautstärke nicht eingehalten wird, dann wird die Anlage in einem anderen Modus betrieben, sodass die 45 Dezibel nachts nicht überschritten werden. Es ist Recht jedes Anwohners dort, dass Lärm nicht lauter als 45 Dezibel nachts ist. Da kann man politisch keinen starren Abstand wählen, sondern das wird je nach Örtlichkeit individuell berechnet und bewertet und demnach die Planung abgestimmt. Ähnlich ist es mit Schattenwurf der Windräder. Das war früher eine starke Belastung – heute ist das aber Geschichte. Der Schattenwurf ist streng reglementiert. Ein Wohngebäude darf nicht mehr als 8 Stunden pro Jahr von diesen Schatten betroffen sein. Alles andere ist nicht zulässig, im Zweifel muss die Anlage stillstehen. So gibt es rechtlich bereits verschiedene Schranken, die dazu führen, dass Windenergieanlagen sowieso weit entfernt von Wohnbebauung liegen müssen. Wir halten daher den Vorstoß für einen Mindestabstand für falsch, weil die allgemeine Zahl „1000 Meter“ nichts über den individuellen Standort aussagt. Aber vor allem ist es noch lange nicht beschlossen und hat für dieses Gelände und diesen Antrag keine Wirksamkeit.
Vor Ort soll ein Windrad von knapp 200 Metern Höhe entstehen und zwei Anlagen von knapp 230 Metern. Geht das nicht kleiner?
Nitzschke: Wenn die Anlagen kleiner sind, dann würde sich der Rotor genau dort drehen, wo die Vögel fliegen. Je höher die Anlage, desto weniger Gefahr besteht für Vögel und desto weiter entfernt ist der Lärm, sprich die Nabe, wo der Rotor sich dreht. Je höher die Anlage, desto stetiger ist der Wind. Am Stoppelberg haben wir in den angesetzten Höhen der Rotoren Winde fast wie an der Nordsee. Man kann in den Höhen mehr Strom erzeugen. Deswegen werden die Anlagen so hoch es geht. Hinzu kommt: Je höher, desto mehr Leistung, desto weniger Windkraftanlagen braucht man vor Ort. Das ist für Umwelt und Anwohner, die sich beeinträchtigt fühlen, eine Erleichterung. Zumal auch der Unterschied in der Größe auf Entfernung kaum erkennbar ist. Wo sie gezwungen sind, kleinere Anlagen zu bauen, sieht das Landschaftsbild unruhiger aus, da kleinere Anlagen sehr viel schneller drehen als Große. Es ist unter jedem Gesichtspunkt sinnvoller, wenn die Anlagen größer werden.
Gampe: Gerade auch die Rotmilane fliegen größtenteils in unteren Luftschichten. Es gibt Erkenntnisse aus Beobachtungen, wo die Tiere mit Sendern bestückt und Flughöhen ermittelt wurden. Dabei hat man festgestellt, dass über 70 Prozent der Flüge bis 60 Meter Höhe stattfinden. Wenn Rotoren mehr als 60, 70 Meter hoch sind und entsprechende Bodenfreiheit besteht, hat man wesentlich zum Artenschutz beigetragen – und das erreichen wir auch in Hagen.
Haben sie noch weitere Baupläne in Hagen oder reichen fünf neue Windräder?
Nitzschke: Wir wollen erstmal die laufenden Planungen voranbringen.
Warum ziehen sie nicht ins Flachland, zum Beispiel ins Münsterland, mit den Anlagen?
Nitzschke: Was hilft es mir, wenn ich, ähnlich wie bei fossilen Großkraftwerken, tausend Windkraftwerken an einer Stelle baue und den Strom dann über weite Trassen transportieren muss? Der Vorteil von erneuerbaren Energien ist die Dezentralität. Das spart Energie, weil weniger im Netz verloren geht. Zudem muss jede Gemeinde gucken, welche Möglichkeiten sie hat, für den Klimaschutz zu sorgen und dafür, dass die Bürger auf Jahrzehnte eine sichere Stromversorgung haben. Und in Hagen ist schlicht und einfach auch viel Wind. Im Münsterland auch, ja. Aber fragen sie mal die Münsterländer, wie die es finden, wenn alle Anlagen nur noch dort gebaut werden. Sie brauchen schon eine faire Verteilung. Und ich glaube, wenn sie die Anzahl der Anlagen in Hagen vergleichen etwa mit Lichtenau, einer kleinen Gemeinde, in der mehr als hundertsiebzig Anlagen stehen, bei einem Bruchteil der Einwohnerzahl. Da kann man schon sagen, ein bisschen Lastenverteilung ist sinnvoll. Aber auch konkret: Wenn die Anlagen in Betrieb gehen und sie wohnen in Hagen, dann bekommen sie Windstrom aus ihrer Steckdose. Das ist eine Qualität für sich. Sie müssen sich keine Gedanken machen, ob dafür Kohle abgebaggert wurde, ob der Treibhauseffekt angefeuert wurde oder mehr Atommüllfässer eingelagert werden. Sie haben sauberen Strom aus Hagen für Hagen. Das kommt, sowohl was die Wertschöpfung als auch was die Versorgung betrifft, als auch was die Erfüllung der eigenen Klimavorgaben betrifft, der Bevölkerung in Hagen zugute.
Inwiefern will ihr Unternehmen das sicherstellen?
Nitzschke: Ein großer Teil der Erlöse aus der Windkraft bleibt in der Gemeinde. In Coesfeld zum Beispiel, wo wir gegenwärtig einen deutlich größeren Windpark bauen, gibt es deshalb auch großen Rückhalt. Obwohl auch die Coesfelder sicher lieber auf komplett freien Horizont gucken. Stadt, Bürger und alle Beteiligten haben aber verstanden, dass Klimaschutz sein muss und dass er ihnen etwas bringt. Wir geben den Bürgern die Möglichkeit, sich direkt zu beteiligen. Wer möchte, kann sich unter www.windpark-coesfeld ein Bild verschaffen. Und wir sitzen als Unternehmen in NRW (Gladbeck, Anm. d. R.) und sind für Fragen von Bürgerinnen und Bürgern immer erreichbar.
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Klagen gegen den Genehmigungsbescheid für ihre Anlagen in Hagen sind möglich. Wollen Sie mit Detailplanungen nicht warten?
Nitschke: Die Energiewende kann nicht warten. Verfahren zur Errichtung von Windenergieanlagen dauern im Schnitt zwischen fünf und acht Jahren. In Hagen haben wir schon vor zehn Jahren begonnen zu planen. Wenn Sie dann eine Genehmigung haben, müssen Sie bauen, sonst stehen die Anlagen erst, wenn das 1,5 Grad Klimaziel gerissen ist.