Breckerfeld. Zwei 200 Meter Hohe Windräder sind an der Stadtgrenze von Hagen genehmigt. Gegen den Bau wehren sich Anwohner aus Breckerfeld.
Vor gar nicht allzu langer Zeit hatten sich die Nachbarn auf dem Feld nahe des Wäldchens versammelt. Markus Leischner ließt seine Drohne in den Himmel über Rafflenbeul steigen, um einmal zu zeigen, wie hoch 50 Meter sind. Höher – wurde er aufgefordert. Und da steuerte er sein Fluggerät auf 100 Meter. Mehr sind nicht erlaubt. Die Nachbarn staunten. Denn die Windräder, die jetzt neben dem beschaulichen Örtchen an der Grenze zu Hagen gebaut werden sollen, sind doppelt so hoch, wie die Drohne in der Luft stand. Sie sind höher als die Türme des Kölner Doms.
Die Dimensionen der beiden Bauwerke, die auf dem Rafflenbeuler Kopf oberhalb der Selbecke mitten im Wald entstehen sollen, machen Kerstin Kramps, ihrem Mann Theo Kleinhofer und Markus Leischner Angst. Die Dimensionen und all das, was noch mit den beiden Windrädern, die die Firma SL-Naturenergie hier bauen und betreiben will, in Zusammenhang steht. Deshalb ziehen sie in den Kampf gegen Windmühlen.
Jakobsweg muss auf sechs Meter Breite ausgebaut werden
Keine andere Möglichkeit
Die Stadt Hagen betont, dass nach dem Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) ihr keine andere Möglichkeit geblieben sei, als die Windräder zu genehmigen. „Es mag widersinnig erscheinen, dass wir auf der einen Seite gegen Windräder in der Nachbarschaft vorgehen, selbst aber Anlagen genehmigen“, so Baudezernent Henning Keune, „da muss man unterscheiden: Auf der einen Seite geht es um kommunale Planungshoheit, also auch darum, sich gegen Pläne anderer zu wehren. Auf der anderen Seite handeln wir als staatliche Behörde.“
Bei einem vereinfachten BImSchG-Verfahren sei wiederum eine Beteiligung der Anwohner nicht vorgesehen. Anders sehe das bei der Aufstellung eines Flächennutzungsplans (FNP) aus. Ein neuer Plan sei in der Entwicklung. „So lange aber nicht auf Landesebene entschieden ist, welche Abstände genau einzuhalten sind, kommen wir nicht voran“, so Henning Keune.
Angst macht sich also breit. Angst, Sorge, aber auch Wut. Wut vor allem deshalb, weil sie mehr oder weniger zufällig von dem Projekt erfahren haben, für das der beliebte Jakobsweg auf sechs Meter verbreitert werden muss und das Luftlinie rund 600 Meter von ihren Häusern Wirklichkeit werden soll.
„Es hat in der gesamten Planungsphase keine vernünftige Information der Anwohner gegeben“, sagt Theo Kleinhofer, „weder durch die Stadt Hagen, noch durch den Investor.“
Genehmigung durch die Stadt Hagen im Februar erteilt
Investor bietet Beteiligung an
Die Firma SL Naturenergie bestätigt, dass am Rafflenbeuler Kopf zwei Windräder des Typs Enercon E-126 mit einer Gesamthöhe von 198,81 Metern entstehen sollen. Der Beginn der Arbeiten steht noch nicht genau fest. Frühestens könnte das im Spätsommer/Herbst diesen Jahres der Fall sein. Eine mögliche Klage der Anwohner habe auf den Start keinen Einfluss.
Was die Information der Anwohner angeht, so verweist das Unternehmen darauf, dass die Pläne im Juni 2015 im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung zum Flächennutzungsplan bekannt gegeben worden seien. „Nachdem nun nach langer Wartezeit aufgrund von Gerichtsverfahren die Genehmigungen erteilt worden ist, haben wir den Anwohnern von Rafflenbeul eine weitere Informationsmitteilung angeboten“, so Milan Nitzschke, Geschäftsführer der SL-Naturenergie. „Und die werden wir auch gerne allen Anwohnern in der Umgebung zukommen lassen.“ Zusätzlich wolle man künftig eine Beteiligung der Bürger an den Anlagen anbieten.
Im Februar habe die Stadt Hagen eine Genehmigung zum Bau der Windräder erteilt. Und nicht einmal darüber sei man informiert worden. Immer wieder habe man vergeblich versucht, mit dem Investor ins Gespräch zu kommen. Erst nachdem man den Petitionsausschuss des Landtags eingeschaltet habe, habe man Details erfahren..
Genehmigt worden sind die Windräder nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Dieses Verfahren greift, weil es die Stadt in den letzten Jahren nicht geschafft hat, in einem Flächennutzungsplan ausreichend Raum für Winderenergie zur Verfügung zu stellen. Die Verwaltung hatte einen entsprechenden Plan, in dem auch der Rafflenbeuler Kopf ausgewiesen worden wäre, auf den Weg gebracht – die Politik diesen aber schließlich abgelehnt – aus Sorge davor, dass zu viel neue Anlagen gebaut werden könnten. Dann wurde ein alter Flächennutzungsplan gerichtlich kassiert.
SL-Naturenergie plan auch Anlagen in Hohenlimburg
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Seither versuchen Investoren, neue Anlagen einzeln genehmigen zu lassen. Darunter auch die Firma SL-Naturenergie mit Windrädern am Rafflenbeuler Kopf sowie in Hohenlimburg. Im Hintergrund spielt eine Gesetzesinitiative auf Landesebene eine Rolle, in der Mindestabstände von 1000 Metern festgelegt werden sollen. Für Windenergieanlagen, für die die Genehmigungsunterlagen bis zum 31. Dezember 2020 eingegangen sind, gilt das neue Gesetz aber nicht. Dazu zählen die Windräder am Pilgerweg.
Also formiert sich nun der Protest – in Breckerfeld und in Hagen. „Das nächste Haus Am Hirsch ist gerade einmal 480 Meter vom Windrad entfernt“, sagt Markus Leischner. „Die Bewohner in der Selbecke haben erst durch uns davon erfahren, dass Windräder gebaut werden. Die wussten bisher von gar nichts.“ Und genau das ist auch ein Vorgehen, dass der SPD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Jörg, der über den Petitionsausschuss mit den Anlagen befasst ist, scharf kritisiert. „Das Petitionsverfahren läuft noch“, sagt Jörg, „aber wie man hier mit den Bürgern umgeht, ist eine Frechheit. Die Betroffenen erfahren erst nach einer Genehmigung scheibchenweise, was da gebaut wird.“
Zweifel an den Plänen des Investors
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Aber auch inhaltlich hegen die Anwohner Zweifel an dem, was entstehen soll: „Wir sind ja nicht generell gegen Windkraft“, sagt Leischner, der über eigene Flächen verfügt und diese auch für regenerative Energien zur Verfügung stellen wollte. „Aber so was geht doch nicht um jeden Preis. Hier geht es nicht um Klimaschutz, sondern um Gewinn und Subventionen. Dafür werden Fundamente in den felsigen Boden gesprengt, die das Volumen von 40 Einfamilienhäusern haben. Was hier entsteht, sind zwei Industrieanlagen mitten im Wald.“
Dagegen wollen sie sich wehren und führen nun den Artenschutz ins Feld, weil unter anderem die Wildkatze in diesem Bereich wieder heimisch geworden sei. Sie zielen auf den Naturschutz ab, weil Buchenbestände weichen müssen in einer Zeit, in der überall ganze Fichtenschonungen gefällt werden. Sie berichten von einem beliebten Pilgerweg, der nun auf sechs Meter verbreitert werden müsse, damit auf dieser Waldautobahn Schwertransporte und später in Notfällen die Feuerwehr voran komme. Sie fürchten Lärm, Schlagschatten, optische Bedrängung und letztlich den Wertverlust ihrer Immobilien.
Stadt Hagen klagt gegen Windräder in Veserde
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Und als sei das alles noch nicht schlimm genug, verweisen sie schließlich auf eine widersinnige Pointe: Da nämlich hat die Stadt auf eigenem Areal in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung Windräder genehmigen müssen, während sie gegen ein ähnlich gelagertes Projekt in Veserde gegen die Gemeinde Wibblingwerde klagt.
„Das“, sagt Theo Kleinhofer, „kann doch niemanden mehr erklären. Wir hoffen, dass wir jetzt zumindest von der Stadt Breckerfeld und der Breckerfelder Politik unterstützt werden.“
Immerhin: „Wir prüfen, ob wir als Stadt in unseren subjektiven Rechten verletzt sind“, sagt Bürgermeister André Dahlhaus. Nur dann manche eine Klage Sinn. Das sei allerdings eine andere Argumentation als die der Anwohner, die Grundstücke in der Nähe hätten.