Hagen. Nach dem drohenden Hawker-Aus in Hagen wollen Gewerkschaft und Betriebsrat um jeden Arbeitsplatz kämpfen. So reagieren die Arbeiter.

Marcus Corell (46) ist einer von 200. Einer von 200, die der Enersys-Konzern in Hagen gerne loswerden will. Und doch ist Corell eine Ausnahmeerscheinung unter den 200. Opa: Accu. Die Eltern: Accu. Er selbst: Accu. „Das sind 110 Jahre Familiengeschichte“, sagt Corell. „Mein Vater hat hier meine Mutter kennengelernt. Ich arbeite seit fast 30 Jahren hier. Und jetzt? Was hier passiert, das ist ein Sterben auf Raten.“

Corell und die Kollegen der Schicht haben sich an der Zufahrt des Batterieherstellers versammelt . Jens Mütze, der Mann in der roten Gewerkschafter-Jacke ist da, um laut zu sagen, dass er an der Seite der Kollegen steht. Ein Mann, der mit Betriebsräten noch vor gut einer Woche mit der Geschäftsführung zusammengesessen hat. Es ging um den Haustarif, um Einmalzahlungen in Höhe von 300 Euro. „Zu dem, was jetzt verkündet worden ist, keine Andeutung, kein Wort“, sagt der IG-Metall-Funktionär . „Da fühlt man sich doch verschaukelt.“

Kampf um Arbeitsplätze am Standort Hagen beginnt

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Von Sozialplanverhandlungen, von möglichen Abfindungen – davon will Mütze jetzt nichts hören. „Wir werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen“, sagt er und kündigt an, ab Montag die entscheidenden Fragen in Richtung Geschäftsführung zu stellen: „Warum werden die vorhandenen Kapazitäten in Hagen nicht genutzt? Warum werden Aufträge aus Polen nicht hierher verlagert? Warum ist hier 2017 noch investiert worden, und warum sind mit öffentlichen Geldern Kollegen qualifiziert worden?“

Bei jenen, die nach und nach von der Schicht kommen, sind auch an Tag eins nach der Verkündigung Wut, Enttäuschung und Frustration nicht gewichen.

Mitarbeiter in Hagen fühlen sich verschaukelt

„Wir haben in den vergangenen Wochen immer wieder Geschäftsführer Magnus Becker gefragt, ob hier was ins Haus steht“, sagt Jan Schweizer, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, „kein Wort kam zu dem, was der Konzern jetzt vorhat.“

Hawker beendet lange Tradition in Hagen

Hawker Enersys 2020
Hawker Enersys 2020 © WP | Michael Kleinrensing
1997 Hawker Enersys.
1997 Hawker Enersys. © WP | Michael Kleinrensing
In Hagen Hagen wurden im Zweiten Weltkrieg Ritchie Boys eingesetzt. Die Einheit war die Speerspitze des US-Geheimdienstes und sicherte u.a. Unterlagen in der Accumulatorenfabrik (Varta, Hawker). Das Bild zeigt einen Offiziere der U.S. Navy vor einer riesigen Halde aus Bleiplatten. Sie wurden zwischen November 1944 und Februar 1945 aus Batterien und Zellenelementen aus U-Booten entnommen, die zum Austausch an das Hagener Werk gesandt worden waren. 
In Hagen Hagen wurden im Zweiten Weltkrieg Ritchie Boys eingesetzt. Die Einheit war die Speerspitze des US-Geheimdienstes und sicherte u.a. Unterlagen in der Accumulatorenfabrik (Varta, Hawker). Das Bild zeigt einen Offiziere der U.S. Navy vor einer riesigen Halde aus Bleiplatten. Sie wurden zwischen November 1944 und Februar 1945 aus Batterien und Zellenelementen aus U-Booten entnommen, die zum Austausch an das Hagener Werk gesandt worden waren.  © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Richard Schifter gehörte zu den in Hagen im Zweiten Weltkrieg eingesetzten Ritchie Boy. Die Einheit war die Speerspitze des US-Geheimdienstes und sicherte u.a. Unterlagen in der Accumulatorenfabrik.
Richard Schifter gehörte zu den in Hagen im Zweiten Weltkrieg eingesetzten Ritchie Boy. Die Einheit war die Speerspitze des US-Geheimdienstes und sicherte u.a. Unterlagen in der Accumulatorenfabrik. © Holocaust Memorial Museum | Holocaust Memorial Museum
Ú-Boot-Batterie in der Accumulatorenfabrik, Accu, Varta Hagen: Ein Ingenieur im Hagener AFA-Werk 1917 mit der größten im Ersten Weltkrieg gefertigten Batteriezelle für U-Boot-Kreuzer.
Ú-Boot-Batterie in der Accumulatorenfabrik, Accu, Varta Hagen: Ein Ingenieur im Hagener AFA-Werk 1917 mit der größten im Ersten Weltkrieg gefertigten Batteriezelle für U-Boot-Kreuzer. © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Hawker hat der Stadt Hagen eine U-Boot-Batterie zur Verfügung gestellt.
Hawker hat der Stadt Hagen eine U-Boot-Batterie zur Verfügung gestellt. © WP | Jens Stubbe
1893 brachte Müller aus den USA das Elektromobil Baker-Runabout mit und versuchte vergeblich, deutsche Wagenbaufirmen zum Nachbau anzuregen.
1893 brachte Müller aus den USA das Elektromobil Baker-Runabout mit und versuchte vergeblich, deutsche Wagenbaufirmen zum Nachbau anzuregen. © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Varta Batterie AG, Wehringhauser Straße, Ecke Weidestraße, 1992
Varta Batterie AG, Wehringhauser Straße, Ecke Weidestraße, 1992 © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Arbeiter vor der Fabrik, um 1910
Arbeiter vor der Fabrik, um 1910 © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Zeichnung des Firmengeländes der Accumulatorenfabrik
Zeichnung des Firmengeländes der Accumulatorenfabrik © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
deutsches U-Boot der kaiserlichen Marine
deutsches U-Boot der kaiserlichen Marine © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Luftbild von Wehringhausen, im Vordergrund die Varta-Werke (Accumulatorenfabrik), um 1964
Luftbild von Wehringhausen, im Vordergrund die Varta-Werke (Accumulatorenfabrik), um 1964 © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Varta Batterie AG, Wehringhauser Straße Ecke Weidestraße, 1992
Varta Batterie AG, Wehringhauser Straße Ecke Weidestraße, 1992 © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Auf diesem Luftbild von Wehringhausen sind im Vordergrund die Varta-Werke zu sehen
Auf diesem Luftbild von Wehringhausen sind im Vordergrund die Varta-Werke zu sehen © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
Werbung, um 1935
Werbung, um 1935 © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
2012, Sprengung des Varta Stahl-Schornsteins.
2012, Sprengung des Varta Stahl-Schornsteins. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
2012, Sprengung des Varta Stahl-Schornsteins.
2012, Sprengung des Varta Stahl-Schornsteins. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
2012, Sprengung des Varta Stahl-Schornsteins.
2012, Sprengung des Varta Stahl-Schornsteins. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
2012, Sprengung des Varta Stahl-Schornsteins.
2012, Sprengung des Varta Stahl-Schornsteins. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
Sprengung des 93m hohen Schornsteins auf dem ehemaligen Varta Gelände durch die Thüringer Sprenggesellschaft, 2011
Sprengung des 93m hohen Schornsteins auf dem ehemaligen Varta Gelände durch die Thüringer Sprenggesellschaft, 2011 © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen
125 Jahre Batterieproduktion in Hagen © WP | Christine Holthoff
2011, Kantine
2011, Kantine © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
2007,Die alte Kantine der Firma Varta.
2007,Die alte Kantine der Firma Varta. © WP Michael Kleinrensing | KLEINRENSING, Michael
2012, Abbruch
2012, Abbruch © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
2012, Abbruch
2012, Abbruch © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
2020, Hawker Enersys.
2020, Hawker Enersys. © WP | Michael Kleinrensing
Das Varta Gelände, 2011
Das Varta Gelände, 2011 © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
2020, Hawker Enersys.
2020, Hawker Enersys. © WP | Michael Kleinrensing
Das Varta Gelände, 2011
Das Varta Gelände, 2011 © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing
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Von „Schockstarre“ in der Belegschaft spricht der Betriebsratsvorsitzende Andreas Koll. Von Kollegen, denen der „Boden unter den Füßen“ weggezogen wurde. „Wir stellen uns mit der Gewerkschaft auf, haben einen externen Experten eingeschaltet. Wir werden alles tun, um Arbeitsplätze zu retten.“

Mitarbeiter: Unser Standort in Hagen wird plattgemacht

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Zum Beispiel den von Klaus Albrecht, 57 Jahre alt. „Ich bin maßlos enttäuscht, dass die Geschäftsführung hier die Verlagerung der Produktion in den letzten Jahren zugelassen hat. Der Standort ist systematisch plattgemacht worden“, sagt jener Mann, der seit 32 Jahren bei Hawker arbeitet und sich jetzt um seine Zukunft sorgt. „In meinem Alter noch einmal etwas Neues finden – wie soll das denn gehen?“

Christian Gendig (33) ist von einem Vorgesetzten über die Stilllegung informiert worden. „Ich bin seit elf Jahren hier. Zum Glück habe ich keine finanziellen Verpflichtungen. Aber ich kenne viele Kollegen, bei denen das ganz anders ist.“

Ex-Betriebsrat greift Konzernspitze an

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Einer derer, die die Zeit bei Hawker schon länger hinter sich haben, ist Werner Biermann, einst Mitglied im Betriebsrat. Er nimmt keine Blatt vor den Mund: „Das ist ein verbrecherischer Konzern. Als die Produktion der U-Boot-Batterien nach Bulgarien verlagert worden ist , musste ständig nachgearbeitet werden, weil die Qualität nicht stimmte. Das ist alles unter den Teppich gekehrt worden.“