Hagen. Ein 37-Jähriger wird nach der brutalen Tat in einem Hochhaus auf Emst zu neun Jahren Haft verurteilt. Die Männer waren beste Freunde.

Die beiden besten Freunde waren Sportschützen und im selben Verein, der sich einer 105-jährigen Brauchtumstradition rühmt. Fünf Kugeln, abgefeuert aus einer legal zugelassenen Sportwaffe in einer Hochhaus-Wohnung auf Emst, beendeten in den frühen Morgenstunden des 1. Dezember die gute Freundschaft für immer: Das Opfer (37) verstarb nach dem letzten Schuss in den Hinterkopf. „Wie eine Hinrichtung“, befand Richterin Heike Hartmann-Garschagen.

Gestern Vormittag der Urteilsspruch des Schwurgerichts: Neun Jahre Gefängnis wegen Totschlags. Seit Ende Mai hatte die Kammer den Fall verhandelt, doch die Hintergründe der „martialischen Tat“, so die Vorsitzende, konnten nicht restlos aufgeklärt werden. Hartmann-Garschagen: „Dies war ein Prozess, bei dem vieles im Dunkeln geblieben ist.“

Freunde seit Kindertagen

Auch interessant

Fakt ist: Der unterkühlt wirkende Angeklagte (37), der auch nach dem Urteilsspruch sichtlich unbeeindruckt schien, und sein getöteter Freund, den er bereits seit Kindestagen gekannt hatte, waren erfolgreiche Sportschützen und regelrechte Waffennarren. Diese Leidenschaft verband die beiden Männer, die einst in einer Art Wohngemeinschaft zusammengelebt hatten und bis zuletzt noch einen gemeinsamen Waffenschrank besaßen. Vier-, fünfmal die Woche trafen sie sich bei Bier und Wodka in der Wohnung des Angeklagten im ersten Stock des Hochhauses an der Gerhart-Hauptmann-Straße auf Emst, zum Debattieren über alle denkbaren Probleme des Lebens.

„Mein Freund hat ein Loch im Kopf“

Auch interessant

So auch in dieser verhängnisvollen Nacht von Samstag auf Sonntag, die sich mit Alkohol und Streit hochschaukelte und dann tödlich endete. „Den Anlass und das Ausmaß des Streits haben wir nicht herausfinden können“, so die Vorsitzende Richterin. Wie auch? „Es gab ein nächtliches Geschehen mit zwei Personen, eine davon ist tot.“

Bleibt nur noch die Version des Angeklagten, der das Schwurgericht aber keinen Glauben schenkte: Der später getötete Freund hätte bei seinem Besuch „die Tatwaffe selbst mitgebracht und auf den Couchtisch gelegt“. Dann, gegen drei Uhr, sei er „plötzlich aufgestanden“, hätte sich um den Couchtisch bewegt, die Waffe ergriffen und durchgeladen: Es fiel ein Schuss, die Kugel blieb in der Wand stecken.

Er, der Angeklagte, musste nun seinen Freund „entwaffnen“. Dabei fiel ein weiterer Schuss, doch dann sei es gelungen, „ihm die Waffe zu entwinden“.

Selbst die Polizei benachrichtigt

Auch interessant

An die nächsten fünf Schüsse, die er selbst, angeblich zu seiner Verteidigung abgab und die den Freund tödlich niederstreckten, kann sich der Angeklagte angeblich nicht mehr erinnern: Sie trafen das Opfer in Beine, Bauch, Magen, Lunge und Herz – und in den Hinterkopf.

Der Angeklagte hatte zudem behauptet, er hätte den blutig am Boden liegenden Freund „aus der Gefahrenzone“ in Richtung Tür ziehen wollen, dabei sei er selbst hingefallen und eingeschlafen. Stunden später, als er wach geworden sei, habe er sich einen Kaffee gekocht und dann die Polizei benachrichtigt.

Gegen 6.40 Uhr morgens ging über die Notrufnummer der Anruf ein: „Mein Freund hat ein Loch im Kopf. Er hat sich erschossen.“ Drei Stunden nach der Tat, bei seiner Vernehmung, sei der Angeklagte „vollkommen klar“ gewesen, stellte das Gericht fest: „Alkohol war im Spiel. Aber das reicht nicht aus, ihn für schuldunfähig zu erklären.“

Keine Notwehrsituation

Auch interessant

„Eine Notwehrlage hat es nicht gegeben“, hob Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen im Urteil ganz deutlich hervor: Aus seiner sechsjährigen Tätigkeit als Zeitsoldat auch bei gefährlichen Auslandseinsätzen und als späterer Personenschützer seien ihm gefährliche Situationen durchaus vertraut gewesen. Daraus zog die Vorsitzende Richterin den deutlichen Schluss: „Dass der Angeklagte erkennen konnte, dass seine Schüsse tödlich sein könnten, sollte deshalb außer Zweifel stehen.“