Hagen. Wie aus einem Bundeswehr-Lehrbuch schilderte der Angeklagte im Totschlagsprozess von Hagen-Emst, was aus seiner Gesicht geschehen sein könnte.
Der Vorwurf lautet auf Totschlag. Doch das, was der Angeklagte (37) am Mittwoch vor dem Schwurgericht erstmals zu dem Geschehen in einem Hochhaus auf Emst berichtete, hört sich eher nach einem Militär-Einsatz im Wohnzimmer an.
1. Dezember, ein Sonntag. Gegen 6.40 Uhr morgens meldet sich ein Anrufer aus der Gerhart-Hauptmann-Straße bei der Polizei: In seiner Wohnung im ersten Stock liege eine Leiche. Der Getötete (37), getroffen von fünf Schüssen in Beine, Bauch, Magen, Lunge und Herz, ist der langjährige, beste Freund des Anrufers. Er ist jetzt angeklagt.
Regelmäßig – vier-, fünfmal die Woche – haben sich die beiden Freunde, beide aktive Sportschützen und erklärte Waffennarren, zu Gesprächen bei Bier und Wodka getroffen. Dabei soll es sich zuletzt um ein immer wiederkehrendes Thema gedreht haben: Der Kumpel sei mit seinem Leben unzufrieden gewesen. So auch in der Tatnacht. Probleme über Probleme. „Zum x-ten Mal“, so der Angeklagte. „Ich war des Themas überdrüssig, habe ihm deutlich gesagt, dass er sein Leben selbst in die Hand nehmen müsse.“
Mit gezückter Pistole
Kurz darauf, so der Angeklagte, hätte er ein Geräusch gehört: das Durchladen einer Waffe. Sein Freund sei mit gezückter Pistole von der Sofaecke aufgestanden, hätte sich um den Wohnzimmertisch bewegt. „Ich habe mich angegriffen gefühlt.“ Dann fiel ein Schuss. Der ging daneben.
Das nachfolgende Tatgeschehen schildert der Angeklagte, der sechs Jahre Zeitsoldat war, wie aus einem Bundeswehr-Lehrbuch: „Nach der ersten Schussabgabe habe ich eingegriffen. Ich habe versucht, den Gegner von mir zu distanzieren und mich aktiv auf ihn zugedreht.“ Dabei fiel ein zweiter Schuss. Der ging auch daneben. Es sei ihm gelungen, seinem Freund die Waffe zu entringen und durchzuladen: „Das macht man, weil man den Gegner entwaffnet hat. Sonst wird der zu einem unkalkulierbaren Risiko.“
Theoretisches Szenario
An die nächsten fünf Schüsse, die er selbst abgab und die den Freund tödlich niederstreckten, will sich der angeklagte Ex-Zeitsoldat überhaupt nicht erinnern. Er könnte sich jedoch ein „theoretisches Szenario zur Schussabgabe“ vorstellen: „Da reagiert der Körper einfach nur durch das Training und arbeitet das Programm ab, das man sich antrainiert hat.“ – Fortsetzung am 27. Mai.