Hagen. Das ist auch für das Arbeitsgericht ein ungewöhnliches Verfahren: Teile der Poco-Belegschaft haben gegen ihren Betriebsrat geklagt.

Die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Hagen hat am Dienstagmittag den Betriebsrat von Poco in Hagen für „aufgelöst“ erklärt. Zur Begründung führte Richter Michael Seidel an, der Betriebsrat hätte „seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt“. So sei seit anderthalb Jahren keine ordnungsgemäße Betriebsversammlung durchgeführt worden. Als Hauptgrund für seine Entscheidung führte das Gericht jedoch „die Nichtbehandlung einer Arbeitnehmer-Beschwerde“ durch den Betriebsrat an. Mehr als die Hälfte der gut 60 Mitarbeiter bei Poco in Hagen hatten vor Gericht beantragt, den Betriebsrat, der sich zuvor geweigert hatte, den Weg für Neuwahlen freiwillig frei zu machen, gerichtlich aufzulösen.

Hinter den Kulissen des Möbel-Discounters hatte ein erbitterter Kampf der Belegschaft gegen ihren eigenen Betriebsrat getobt. Der Vorwurf der Mehrheit der Hagener Mitarbeiter: Der Betriebsrat vertrete nicht ihre Interessen. Deshalb hatten 36 Poco-Beschäftigte beim Arbeitsgericht den ungewöhnlichen Antrag gestellt, den Betriebsrat aufzulösen.

Im Februar 2019 war erstmals eine Arbeitnehmervertretung bei Poco in Vorhalle gewählt worden. Dem fünfköpfigen Gremium wurde von einem Großteil der Belegschaft „grobe Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten vorgeworfen. So würde er sich weigern, mit dem Arbeitgeber zusammenzuarbeiten, was zu einer Gefährdung von Arbeitsplätzen führe“, fasste es Richter Michael Seidel im Vorfeld zusammen. Er hatte für Dienstag einen Kammertermin anberaumt. Das Band zwischen der Poco-Belegschaft und dem gewählten Gremium sei völlig zerrissen.

Kassen- und Planungssystem seit zwei Jahrzehnten im Einsatz

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Hintergrund: Seit vielen Jahren, zum Teil schon seit zwei Jahrzehnten, sind in den bundesweit 125 Poco-Einrichtungsmärkten ein Kassensystem, ein Küchenplanungssystem sowie ein Kreditbearbeitungsprogramm im Einsatz – mit denen im Verkauf ständig gearbeitet wird. Diese Programme, so sieht es die Mehrzahl der Vorhaller Poco-Mitarbeiter wie auch der Arbeitgeber, seien zwingend notwendig, um den Betrieb der Filiale aufrechtzuerhalten, „sonst bricht alles zusammen“.

Der Auffassung steht der im vergangenen Jahr gewählte Poco-Betriebsrat jedoch konträr gegenüber: Weil der Arbeitgeber mit Hilfe dieser Programme wohl auch das Verhalten und die Leistung seiner Mitarbeiter überwachen könne, wäre deren Einsatz auch mitbestimmungspflichtig. Das Gremium pocht auf sein Mitbestimmungsrecht und fordert den Abschluss von Betriebsvereinbarungen.

Band zwischen Gremium und Teilen der Arbeitnehmer völlig zerrissen

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Eine von den 36 Antragstellern, die den Betriebsrat abgelöst sehen will, meldete sich erregt zu Wort: „Wir arbeiten seit 19 Jahren im Betrieb, das System wurde bisher nie angefochten. Wir können keine Aufträge mehr schreiben, werden gehindert, weil uns der Zugang zum Betriebssystem verweigert wird. Der Betriebsrat hat die Aufgabe, unsere Arbeitsplätze zu schützen, nicht, diese zu vernichten.“