Hagen. 48 Millionen Euro sollen hinterzogen worden sein: Wie der Hauptangeklagte Im Spielhallen-Prozess sehr emotional ein Geständnis abgelegt hat.

Der Spielhallen-Prozess mit der Riesen-Steuerschaden-Summe von 48,4 Millionen Euro: Erstmals hat jetzt einer der drei Angeklagten sein Schweigen gebrochen. Erstmals wurde am Mittwoch zugegeben, dass seit Anfang 2013 mit Hilfe einer Spezial-Software die Umsatzzahlen von zahlreichen Geldspielgeräten in NRW manipuliert worden waren.

Er (43) ist das stolze Oberhaupt einer vermögenden Casino-Betreiber-Familie aus Hagen, trägt Goldkettchen am Handgelenk und wird von drei ausgebufften Verteidigern, die sich gestern vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts auffällig zurückhielten, beraten. Das bewahrte ihn nicht davor, seit neun Monaten in trister Untersuchungshaft zu schmoren – ein Umstand, der dem vom Luxus verwöhnten Familienmenschen sichtbar zusetzt.

Rührige Worte des Hauptangeklagten

Selbst die im Vorfeld des Verfahrens angebotenen zwei Millionen Euro Kaution brachten ihm nicht die erwünschte Freiheit. Und die harte Linie seiner Anwälte, die einst sogar von einer „Monsteranklage“ sprachen, zahlte sich für ihn bislang auch nicht aus. Zeit zur Kehrtwende. Ab sofort werden kleinere Brötchen gebacken: „Ich muss heute mit der Wahrheit herauskommen.“ Mit rührigen Worten leitete der Hauptangeklagte sein minutenlanges Geständnis ein, dass schließlich mit der schmerzlichen Selbsteinschätzung endete: „Ich habe viele Fehler gemacht. Mehr Fehler kann man eigentlich nicht machen.“

Auch interessant

Schummelsoftware angekauft

Ende 2012, Anfang 2013 sei sein langjähriger Freund (50), der jetzt mit auf der Anklagebank sitzt, auf ihn zugekommen: „Es gibt da ein Computerprogramm, das möchte ich Dir gerne vorstellen.“ Es handelte sich um eine 8000 Euro teure Spezial-Software, mit der sich die automatisierten Umsatzausdrucke von Geldspielgeräten manipulieren lassen. Echte Umsätze können damit technisch um 33 bis 60 Prozent reduziert werden. Für den Hagener Spielautomaten-Giganten mit einem seinem NRW-weiten Firmengeflecht an Casinos eine lukrative Investition: „Das ist sehr verlockend gewesen.“

Gesagt, getan. Nach Feierabend, wenn angeblich keine Mitarbeiter und Familienmitglieder mehr im Büro in Haspe waren, hätte er sich dort regelmäßig mit dem guten Freund getroffen und über Jahre alles dafür getan, das Finanzamt umsatzzahlenmäßig clever auszutricksen.

Auch interessant

Im Jahr 2016 kommt der Zoll

Bis Ende Januar 2016 überraschend der Zoll mit einem Durchsuchungsbefehl aufkreuzte, den Laptop mit dem verhängnisvollen Stick beschlagnahmte. Der Angeklagte geriet in eine Zwickmühle – und unter Druck: „Wenn ich nicht weiter manipuliere, dann steigen die Umsätze und dann fällt alles auf.“

Den mitangeklagten Bruder (39) hält der Hauptangeklagte völlig aus seinen Machenschaften heraus: „Die Hallen laufen nur gewerbetechnisch auf seinen Namen. Er war nie in einer Spielhalle. Der weiß von nichts, hat nicht mitgewirkt, kennt sich technisch gar nicht aus.“

Auch interessant

Aus ärmlichen Verhältnissen

Das Familienoberhaupt, das einst in ärmlichen Verhältnissen in einem osttürkischen Dorf ohne Strom aufwuchs: „Wir haben viel Luxus aufgefahren, teure Autos gekauft, Partys gemacht. Das Geld wurde in der großen Familie geteilt, jeder konnte sich frei bedienen. Alle wurden versorgt. Jeder Bruder hat 100.000 Euro gekriegt, das ganze Vermögen wurde verballert.“

Er schluchzt: „Meine gläubige Mutter hat immer zu mir gesagt: Unehrliches Geld darfst Du nie haben.“

Kritik von Staatsanwältin an Geständnis

Staatsanwältin Melanie Hantke kritisierte das Geständnis des Angeklagten: „Das hörte sich alles wie eine angepasste Einlassung auf das an, was wir ihm nachweisen können. Das andere macht er sich einfach passend drum herum.“

Der Angeklagte: „Es tut mir sehr leid, ich bereue sehr, was ich gemacht habe, aber es war so verlockend gewesen. Die ganze Familie leidet, ich leide und bitte um Verzeihung.“ Am Montag wird der mitangeklagte Freund (50) aussagen. Der Bruder will weiterhin schweigen.

Luxusautos versteigert

Zeitgleich kamen neun Luxusautos, darunter ein 700-S-Lamborghini mit Goldfolie, ein Mercedes Benz S-Coupe und ein Ferrari an den Haken. Die HA-Kennzeichen der Edelkarossen trugen alle dieselbe Buchstabenkombination. Zur Sicherung der Steuerschulden wurden die Fahrzeuge über eine Internplattform des Zolls für knapp über eine Million Euro versteigert.