Hagen. . Fünf Monate nach der Razzia bei einer Spielhallen-Familie in Hagen liegt die Anklage vor. Der Vorwurf: ein Steuerschaden in Millionenhöhe.
Die Ermittlungen sind abgeschlossen, die Vorwürfe penibel zu Papier gebracht: Fünf Monate nach der spektakulären Razzia bei einer türkisch-kurdischen Spielhallen-Familie hat die Staatsanwaltschaft dem Landgericht eine 99-seitige Anklageschrift vorgelegt. Der darin errechnete Gesamtsteuerschaden summiert sich auf über 35 Millionen Euro.
Aufgelistet werden 183 Fälle der Steuerhinterziehung, 91 Fälle der Fälschung von technischen Aufzeichnungen (Geräteumsatz-Manipulationen) sowie 459 Fälle der Abgabenhinterziehung (gemeint ist damit die Vergnügungssteuer). Die Anklageschrift erfasst einen Zeitraum von zehn Jahren – beginnend mit Tatvorwürfen aus Dezember 2008, endend am 18. September 2018 – neun Tage bevor die Ermittler endgültig zuschlugen.
Mehrere hundert Beamte rücken aus
Zur Erinnerung: Im Rahmen einer aufsehenerregenden Groß-Razzia am 27. September waren an elf Orten in Nordrhein-Westfalen zeitgleich 40 Spielhallen sowie die Hagener Firmenräume und Privathäuser der Casino-Betreiberfamilie durchsucht worden. Mehrere hundert Polizeikräfte und 70 Steuerfahnder waren dafür ausgerückt.
Beschlagnahmt wurde nicht nur das Geld aus Hunderten Spielgeräten und Kassen, die Ermittler ließen auch tonnenweise Münzen und Scheine aus dem Privatanwesen der Familie mit einem gepanzerten Sicherheitsfahrzeug zur Landeszentralbank abtransportieren – nahezu sechs Millionen Euro, die zu Hause gebunkert worden waren.
Zur Sicherstellung nahmen Abschleppwagen außerdem neun Edelsportautos – Lamborghini, Ferrari und Mercedes – an den Haken. Die HA-Kennzeichen der Luxuskarossen tragen übrigens alle dieselbe Buchstabenkombination.
Drei Beschuldigte im Fokus
„Derzeit prüft das Landgericht“, erklärt Gerichtssprecher Bernhard Kuchler auf unsere Anfrage, „ob das Verfahren eröffnet wird und in welchem Umfang.“ Die Anklageschrift richtet sich, mit unterschiedlicher Tatbeteiligung, gegen drei Beschuldigte.
Spielhallenbetreiber-Familie hat Wunsch an die Stadt
Die Spielhallenbetreiber-Familie wollte den ehemaligen Sportplatz am Quambusch kaufen und hatte dazu bei der Stadt eine entsprechende Anfrage gestellt.
Beabsichtigt war, auf dem Grundstück Neubauten für die Großfamilie zu errichten. Im Gegenzug sei eine Kindergartenfinanzierung angeboten worden.
Am 27. März läuft die reguläre Sechs-Monats-Frist für den letzten noch in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten ab – bis dahin müsste eigentlich die Hauptverhandlung beginnen. Das dürfte die betreffende Kammer zeitlich wohl nicht schaffen. Doch es könnte beim Oberlandesgericht eine Verlängerung der U-Haft beantragt werden.
Oberhaupt in Haft
Bei dem einzigen jetzt noch verbliebenen Untersuchungshäftling (43) handelt es sich um das Familien-Oberhaupt. Dessen Verteidiger, Dr. Ulrich Sommer (Köln), war am Donnerstag nicht persönlich erreichbar. Seine Kanzlei kündigte eine Stellungnahme zu einem späteren Zeitpunkt an.
Ein Angebot, seinen Mandanten gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von zwei Millionen Euro frei zu lassen, wurde wegen Fluchtgefahr abgelehnt. Sein Bruder (38) kam hingegen gegen 450.000 Euro Kaution frei, der dritte Beschuldigte (50) gegen 150.000 Euro Kaution.