Hagen. . Im Hagener Spielhallen-Verfahren wurden Luxus-Pkw beschlagnahmt. Die Finanzamts-Auktion ist nun beendet: So viel gab es für Lamborghini und Co.
Der Hagener Spielhallenprozess um den Verdacht der Steuerhinterziehung von rund 48,4 Millionen Euro droht zu einer langwierigen und zähen juristischen Auseinandersetzung zu werden. Das wurde am Dienstag bei der Fortsetzung am Landgericht Hagen deutlich. An einer anderen Front werden hingegen schon Fakten geschaffen. Die Ende September beschlagnahmten Luxus-Autos der Angeklagten und ihrer Familienmitglieder haben seit Dienstagnachmittag neue Besitzer.
48,4 Millionen Euro Steuerschulden, sagt Finanzamt
Die Auktion des Finanzamts Hagen ist beendet: Über die entsprechende Plattform des Zolls hatte die Finanzbehörde acht im Herbst beschlagnahmte Fahrzeuge angeboten, um die Forderungen aus dem millionenschweren Steuerbescheid gegen das Spielhallen-Firmengeflecht abzusichern. Drei Angeklagte müssen sich derzeit vor dem Landgericht Hagen verantworten, weil sie mit einer speziellen Software die Umsatzausdrucke der Geldspielgeräte in mehreren NRW-Städten so manipuliert haben sollen, dass letztlich 48,4 Millionen Euro an verschiedenen Steuerarten dem Fiskus vorenthalten wurden.
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Bei der Online-Versteigerung an die Meistbietenden hat das Finanzamt nun in Summe fast 950.000 Euro erlöst. Einige der im Oktober bei einer große Razzia abtransportierten Fahrzeuge blieben dabei unter dem von einem Gutachter ermittelten Zeitwert, andere hingegen deutlich darüber. Ob in allerletzter Minute noch neue Gebote hinzugekommen sind, lässt sich nicht mehr nachvollziehen, kurz vor Auktionsende war der Stand so:
- Den höchsten Preis erzielte ein orangefarbener Lamborghini Aventador LP700-4 mit 700 PS (Erstzulassung 9/2015, 20.278 Kilometer) für 271.600 Euro.
- Ein weiterer Lamborghini Huracan in matt-lila (610 PS/ Erstzulassung 5/2017, 10.495 km) ging für 182.200 Euro an einen neuen Besitzer. Den Zeitwert hatten Gutachter mit 234.770 Euro allerdings wesentlich höher eingestuft.
- Über dem gutachterlichen Zeitwert (144.000 Euro) landete dagegen ein auffälliger, mit Goldfolie verzierter Mercedes Benz SLS-Klasse AMG (571 PS, Erstzulassung 3/2011, 47.198 km). Für ihn erlöste das Finanzamt Hagen in der Auktion mindestens 160.100 Euro.
- Weit über dem Zeitwert landete auch ein grüner Mercedes GT-Klasse AMG (584 PS, Erstzulassung 9/2017, 2657 km) mit stolzen 150.300 Euro.
- Auch noch über der Hunderttausend-Euro-Grenze landete ein Mercedes Benz S Coupé S 63 AMG (584 PS, Erstzulassung Mai 2017, 43.853 km). Er erbrachte mindestens 112.600 Euro.
- Geradezu „Schnäppchen“ waren dagegen ein Mercedes CLS 63 AMG (524 PS, Erstzulassung: 9/2011, 86.402 km) mit 34.600 Euro, ein Mercedes CL 63 AMG (543 PS, Erstzulassung 4/2010, 120.458 km) für 29.600 Euro und ein BMW 123 D DPF für 3161 Euro – der springt allerdings auch nicht an und die Stoßfänger hinten links sind gebrochen.
Was passiert bei Freispruch mit Autos?
Doch was geschieht, wenn sich am Ende des Strafprozesses oder auch vor den Finanzgerichten herausstellen sollte, dass es gar keine Steuerhinterziehung war, der Steuerbescheid mithin nicht oder nicht in der Höhe tragfähig ist? Hätten die Angeklagten dann einen Anspruch auf Rückgabe der Autos? Oder zumindest auf eine Entschädigung? Und ist es dann der aktuelle Wert des Autos oder der Auktionserlös?
Tatorte, Vorwürfe, Strafmaß: Fakten zum Prozess
Die Tatorte: Im Fokus der Ermittler stehen Spielhallen in Hagen, Datteln, Duisburg, Dortmund, Hattingen, Hilden, Holzwickede, Langenfeld, Meinerzhagen und Menden, die alle von der Familie betrieben werden oder wurden.
Die Struktur: Der 43-jährige Hauptangeklagte soll darüber hinaus eine Verwaltungsgesellschaft in Hagen führen, die seit 2015 alle von ihm geführten Unternehmen gelenkt und Buchhaltungsaufgaben für die Unternehmen der beiden Mitangeklagten übernommen haben soll. Außerdem soll der 43-Jährige faktisch auch die Geschicke der formell von seinem jüngeren Bruder (39) geleiteten Unternehmen mitbestimmt haben.
Der Vorwurf: In den betriebenen Spielhallen sollen die Angeklagten jeweils die von den Geldspielgeräten automatisiert angefertigten Aufzeichnungen mittels einer Spezial-Software manipuliert haben, um geringere Einnahmen vorzuspiegeln. Diese manipulierten Daten sollen sie zum Gegenstand ihrer Buchführungen und Steuererklärungen gemacht haben.
Der Tatzeitraum: Vom 31. Dezember 2008 bis zum 18. September 2018 sollen die Angeklagten Umsatzsteuern, Kapitalertragsteuern, Einkommensteuern und Gewerbesteuern sowie kommunale Abgaben in Form von Vergnügungssteuern hinterzogen haben. Der Gesamtschaden liegt laut Anklage bei 48,4 Millionen Euro.
Das mögliche Strafmaß: Für die schwersten angeklagten Delikte, die Steuerhinterziehung mit einem Steuerschaden großen Ausmaßes und die gewerbsmäßige Fälschung technischer Aufzeichnungen, sieht das Gesetz im Regelfall eine Freiheitsstrafe von jeweils 6 Monaten bis
zu 10 Jahren vor.
Die Termine: Für das Verfahren sind zunächst 58 Hauptverhandlungstage bis zum 30. Januar 2020 vorgesehen.
Dietmar Zitzelsberger, der Chef des Hagener Finanzamtes, will und darf zum konkreten Fall nichts sagen. Nur generell sagt er auf WP-Anfrage: „Erstattet wird bei einer Versteigerung von Sachwerten generell nur der Erlös der Auktion. Da es sich um eine normale Online-Plattform handelt, gehen wir aber davon aus, dass hier die Preise erzielt werden, die auch realistisch zu erzielen sind.“ Beschlagnahmte Gegenstände auch vor der Rechtskraft eines Steuerbescheids zu versteigern, sei üblich: „Bis zur Rechtskraft kann es ja bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung Jahre dauern. Und nur so können wir die Werte sichern.“
Befangenheitsantrag abgelehnt
Im Prozess vor dem Landgericht hat die Wirtschaftstrafkammer indes die Anträge der Verteidigung vom ersten Prozesstag zurückgewiesen, wie Landgerichtssprecher Bernhard Kuchler bestätigt. Unter anderem war einem der beisitzenden Richter Befangenheit vorgeworfen worden, weil er mit der Staatsanwältin telefoniert haben soll, ohne dies protokolliert zu haben. Das sei aber gar nicht der Fall gewesen, so die Kammer, der Vorsitzende Richter Andreas Behrens habe dieses Telefonat selbst geführt und auch protokolliert.
Abgelehnt wurde auch eine Besetzungsrüge: Laut Antrag der Verteidigung hätte eine eigentlich vorgesehene Schöffenrichterin nicht von ihrer Pflicht entbunden werden dürfen, nur, weil sie in Belgien in Urlaub war. Doch, beschieden die Richter: 350 Kilometer Entfernung zum belgischen Urlaubsort seien für eine zwischenzeitliche Rückkehr zu viel. Eine Antrag, das Verfahren auszusetzen, damit die Verteidigung erst den Inhalt einer mehrer Gigabyte umfassenden Festplatte prüfen kann, wurde ebenso zurückgewiesen wie ein Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls gegen den 44-jährigen Hauptangeklagten.
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Viele Zeugen werden ab jetzt gehört
Und so wurde am zweiten Prozesstag – nachdem die Angeklagten ihr Recht auf eine Aussage nicht wahrnahmen – der erste Zeuge gehört. Der erste von insgesamt mehreren Dutzend, die oft Fachleute von Zoll, Polizei oder Finanzbehörden sind. So spektakulär die Auto-Beschlagnahmen, die Razzia und die Auktion, so spröde dürfte die weitere Beweisaufnahe werden. Am Freitag geht es weiter, Prozesstermine gibt es bis in den Januar hinein.