Hagen. . Die WP hat die Ratsfraktionen, den Oberbürgermeister und Bürger befragt: Was sind die wichtigsten Aufgaben für 2019? Hier gibt es die Ergebnisse.

Sie bilden kein gewähltes Gremium, sie sind auch nicht repräsentativ ausgewählt. Und doch dürfte die Chance groß sein, dass viele Hagener sich wiederfinden in den Antworten, die die von der WESTFALENPOST befragten Hagener Bürger benannt haben: Was sind aus ihrer Sicht die fünf wichtigsten Punkte, die Hagen im Jahr 2019 angehen muss? Sian Taylor, Silvia van Loosen, Marlena Luks-Vogt, Pascal Seferovic und Nicole Grote sind die Bürger, die nach einem WP-Aufruf zufällig ausgewählt wurden für ein Experiment.

Denn parallel zu den fünf Bürgern haben wir auch die Fraktionen im Hagener Stadtrat (nur die AfD hat nicht geantwortet) und Oberbürgermeister Erik O. Schulz befragt: Was sind ihre fünf wichtigsten Punkte? Liegen die Antworten weit auseinander? Oder gibt es Übereinstimmungen? Auf dieser Seite können Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich selbst ein Bild machen. Sie werden ganz sicher Schnittmengen finden – vielleicht sogar überraschend viele.

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Was die Zufallsauswahl erbracht hat: Die fünf Bürger kommen aus ganz unterschiedlichen Teilen Hagens: aus Garenfeld, Rummenohl, Wehringhausen, Eilpe und der Innenstadt. Sian Taylor, Waliserin, und seit 1998 („Der Liebe wegen“) in Wehringhausen, freut sich über die Möglichkeit, dass Durchschnittsbürger zu Wort kommen. Aber künftig hofft sie, dass noch mehr unterschiedliche Bürger mitreden: „Wir waren uns hier in vielen Punkten ja sehr einig. Es wäre noch spannender, mit Hagenern zu diskutieren, die auch kontroverse Positionen vertreten. Wir müssen alle im Gespräch bleiben.“

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Und Silvia van Loosen, Personalreferentin aus Eilpe hofft, dass Diskussionen wie diese dazu führen, dass nachhaltiger gedacht wird: „Ich denke oft, dass es hier in Hagen ganz richtige Ansätze gibt, dass aber nicht die nächsten Schritte weiter gedacht werden. Zum Beispiel: Fahrradboxen an den Bahnhöfen sind ein guter Ansatz. Aber was nutzen sie, wenn die Wege dorthin nicht fahrradfreundlich sind.“

Pascal Seferovic, der zwar fest liiert ist, aber noch keine Kinder hat, formuliert: „Was ist der Anreiz, hier in Hagen eine Familie zu gründen?“ Die Frage treibt Nicole Grote genauso um: „Bei den hohen Abgaben wird es einer Familie nicht leicht gemacht.“ Marlena Luks-Vogt, die schon im Schmelztiegel Altenhagen gewohnt hat, nun aber mit Familie in Rummenohl lebt, stellt sich die Frage täglich: „Würden wir nur wenige Meter weiter in Breckerfeld wohnen, hätten wir es erheblich billiger.“

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Das sind einige Punkte aus der Diskussion. Die jeweils fünf Punkte, die die fünf Bürger für die dringlichsten im Jahr 2019 erachten, sehen sie schlagwortartig in den Bildern. Hier die Details:

Grothe will ÖPNV stärken

Nicole Grote (35) ist Mutter von drei Kindern, verheiratet, Unternehmerin (mit einer auf Nachhaltigkeit spezialisierte Grafikdesign- und PR-Agentur) und wohnt im Eigenheim in Garenfeld. Sie bezeichnet sich selbst als „Ungern-Autofahrerin“, muss den Pkw aber doch oft nutzen: „Beim ÖPNV vermisse ich ein Konzept, dass es in Randgebieten ermöglicht, in angrenzende Städte zu fahren. Mein Sohn fährt von der Dortmunder Schule eineinhalb Stunden nach Hause.“ Sie sagt auch: „Ich würde ganz sicher das Auto zu Hause stehen lassen, wenn der ÖPNV kostenlos wäre.

Nicole Grote
Nicole Grote © Michael Koch

Aber im Moment zahle ich sogar mit Parkgebühren weniger, als mich Hin- und Rückfahrt kosten.“

Bedarf sieht sie für 2019 auch im Bereich Wirtschaftsförderung: „Ich habe in Hagen die Erfahrung gemacht, dass kleine Betriebe und Selbstständige in der Vernetzung untereinander mit keinerlei öffentlichen Angeboten unterstützt werden. In Dortmund gibt es eine außerordentlich gute Förderung.“

Nicole Grote stören die hohen Abgaben: „Im Vergleich zu anderen Städten mag es in Hagen zwar attraktiv sein zu bauen, jedoch nicht, hier auch zu leben, denn die Grundbesitzabgaben sind immens hoch.“ Und auch die hohen Kita-Beiträge für Eltern stoßen ihr auf: „Familien mit mittlerem Einkommen wird hier tief in die Tasche gegriffen.“ Und schließlich sieht sie es als dringliche Aufgabe, den Freizeitwert zu steigern: „Hagen bietet sehr viele schöne Erholungsziele, die seitens der Stadt weder gepflegt noch erschlossen werden.“

Marlena Luks-Vogt für niedrigere Kita-Beiträge

Die Familienfreundlichkeit in Hagen steht für Marlena Luks-Vogt (31) ganz oben auf der To-Do-List . Denn sie spürt mit Mann und Kind (2) persönlich: „Uns belasten die Kita-Beiträge enorm. Wir zahlen 500 Euro und vermutlich nächstes Jahr mehr, da man uns nochmal höher eingestuft hat. Es werden Beträge zum Bruttoeinkommen gezählt, die man niemals bar sehen wird.“ Das Thema Kita-Notfallgruppe ist für die junge Familie ebenfalls elementar: „Die Stadt hat leider nicht genügend Kapazitäten, um Kinder bei Ausfall von Kita oder Tagesmutter aufzufangen.“ Es gebe aber auch Pluspunkte: „Die guten Angebote der Sportvereine für Familien muss man hervorheben.“

 Marlena Luks-Vogt
Marlena Luks-Vogt © Michael Koch

Ein weiteres Thema für die 31-Jährige: der Breitbandausbau. „Die Glasfaserkabel wurden in Rummenohl gelegt, leider hat die Telekom nicht ausreichend Pods installiert, sodass die Kabel nun sicher unter der Erde liegen aber laut Telekom nicht nutzbar sind.“ Auch sie fordert: „Die ÖPNV-Anbindung für Außengebiete muss besser werden. Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, im Alltag den Bus von Rummenohl aus zu nutzen.“ Und es brauche eine bessere Einbindung der Bürger: „Eine Plattform für bürgernahe Diskussionen sollte geschaffen werden.“

Pascal Seferovic ärgert sich über den Müll

Pascal Seferovic (31) ist Maschinen- und Anlagenführer. Er war aber auch schon vier Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr: Es hat ihn wahnsinnig

Pascal Sefervic
Pascal Sefervic © Michael Koch

geärgert, dass das Ehrenmal in Vorhalle nicht saniert wird, weil sich zwei städtische Stellen nicht einigen konnten, wer dafür zuständig ist (die WP berichtete): „Ich finde es ein absolutes NoGo, dass Kriegsdenkmäler verrotten.“

Wichtig ist ihm, die Müll-Situation in den Griff zu bekommen: „Müll muss vermieden werden, die Preise für die Entsorgung dürfen nicht zu hoch sein. wer ihn aber wild entsorgt, der muss auch bestraft werden.“ Der 31-Jährige sorgt sich auch um die Infrastruktur: „Wie bekommt die Stadt es hin, auf den überfüllten Straßen die Wartezeiten zu reduzieren? Kann man Ampelphasen ändern?“ Er sieht auch eine Verbesserung des ÖPNV als dringende Aufgabe.

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Seine Kernfrage für 2019 ist aber: „Wie können wir die Stadt für Familien attraktiver gestalten? Ich würde mit Anfang 30 gerne wissen, was für Hagen spricht.“ Er sagt: „Die Kita-Gebühren müssen auf ein für alle Gehaltsebenen akzeptabeles Niveau angepasst werden.“ Auch die Sicherheitsfrage treibt Pascal Seferovic um: „Wir sollten prüfen, inwiefern wir Sicherheitskonzepte anderer Städte übernehmen oder einen Teil nutzen können.“ Und in Sachen Kultur: „Wie können wir öffentlich dafür werben, dass die Menschen dieser Stadt öfter das Theater besuchen, und wie bekommen wir die Menschen wieder in Museen? Kann man moderne und klassische Kunst besser vereinen?“

Bei Sian Taylor steht Integration auf der Agenda

Die 54-jährige Simultandolmetscherin erkennt sofort an: „In Wehringhausen wird viel getan.“ Sie sieht aber auch noch viel zu tun. „Wunderschöne alte Häuser, Streetart, neue kleine Geschäfte, wie können wir das erhalten?“ Die Integration steht bei ihr weit oben auf der Agenda: „Wir müssen das friedliche Miteinander weiter fördern: Veränderungen

 Sian Tayler
Sian Tayler © Michael Koch

innerhalb der Gesellschaft müssen wir angehen, Extremismus bekämpfen und eine Spaltung der Hagener Bürgerschaft verhindern. Integration ist aber keine Einbahnstraße, es müssen klar Anforderungen formuliert werden. Das schaffen wir nur, indem wir mitein­ander reden nicht übereinander.“

Ein attraktives Hagen ist der passionierten Fotografin wichtig. Ihr Punkt für 2019: „Wir haben so tolle kulturelle Angebote und außergewöhnliche archäologische Attraktionen wie die Blätterhöhle – all dies müssen wir viel besser verkaufen.“ Die Sauberkeit ist für Sian Taylor vordringlich: „Wir müssen der Vermüllung auch mit neuen kreativen Ideen entgegen treten.“ Und sie hält eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Hagen für sehr wichtig: „Dafür braucht es gute Verkehrsanbindung und freie Flächen für Unternehmen.“

Für Silvia van Loosen ist nachhaltige Planung wichtig

Die Eilperin sagt von sich selbst: „Ich nenne mich mit Stolz Ökotussi und Gutmensch.“ Sie engagiert sich in der Foodsharing-Bewegung, für Flüchtlinge und gegen Rechtsradikalismus. Dass sie für eine bessere Förderung für das Ehrenamt eintritt, überrascht nicht. So ist ihr auch eine nachhaltige Stadtplanung wichtig: „Für mich gehören dazu Initiativen wie Urban Farming, alternative Wohnraumplanung mit neuen Projekten bei

Silvia van Loosen
Silvia van Loosen © Michael Koch

bezahlbaren Mieten“, sagt die 43-Jährige. Konzepte zur Müllvermeidung sind ihr wichtig: „Die Einführung einer Biotonne, die Müllabfuhr nach Gewicht zu berechnen und neue Recyclingkonzepte sind wichtig.“

Dringend notwendig sei zudem, Menschen mit Migrationshintergrund besser einzubinden: „Und zwar in den Hotspots, wo es Probleme gibt, durch Einsatz von wirklich qualifizierten Fachleuten.“ Die Verkehrswende in Hagen müsse mit neuen Projekte angegangen werden. „Und zwar mit der Förderung von Car-Sharing, Verbesserungen im ÖPNV, aber auch mit Bikesharing.“