Hagen. . Das Klima verändert sich, und die Städte passen sich dem Wandel an. Hagen hat jetzt konkret erforscht, wo die lokalen Risikozonen liegen.

Hagen hat es in den vergangenen Wochen erst mächtig schwitzend erlebt: Die Hitzeperioden im Sommer werden intensiver, lokale Starkregenereignisse nehmen zu, und Experten rechnen mit kontinuierlich steigenden Niederschlagsmengen im Winter, was wiederum die Hochwasserpegel in die Höhe treibt.

„Beim Blick auf die abschmelzenden Gletscher kann man den Klimawandel kaum mehr bestreiten“, zeigt sich Umweltdezernent Thomas Huyeng überzeugt, dass diese Thematik die Menschen in den nächsten Jahrzehnten intensiv begleiten wird. Bilder von überfluteten Kellern, abgedeckten Dächern und im Schlamm versunkenen Möbeln flimmern aus allen Ecken Europas mit zunehmender Regelmäßigkeit über die TV-Bildschirme.

Auch interessant

„Daher gibt es keine Alternative zum Klimaschutz, der gleichzeitig auch Katastrophenschutz ist“, blickt Huyeng zufrieden auf das in den vergangenen drei Jahren im Rathaus erarbeitete Klimaanpassungskonzept, das in beeindruckender Detailschärfe die Betroffenheit der Quartiere im Stadtgebiet in puncto Klimaauswirkungen darstellt.

Wo liegen die Probleme?

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Raumplanung (Uni Dortmund) und dem Regionalverband Ruhr wurde der Fokus dabei nicht bloß eindimensional auf den Klimawandel, sondern auch auf die demografische Entwicklung in Hagen mit absehbar sinkender und vor allem immer älter werdender Bevölkerung gerichtet. Ziel dieser Analyse ist zum einen, potenzielle Problemräume zu identifizieren und zum anderen Handlungskonzepte daraus abzuleiten, die wiederum den Zugriff auf Fördermittel für eine klimafreundliche Stadtentwicklung ermöglichen.

Kleinere Maßnahmen mit großer Wirkung

Vor allem ältere Menschen, die vor dem Hintergrund des demografischen Wandels bald einen Großteil der Hagener Bevölkerung ausmachen, werden neben Säuglingen, Kleinkindern und gesundheitlich ohnehin angeschlagenen Menschen unter den Klimaveränderungen leiden. Daher sind umfassende Verhaltensinformationen und Aufklärung ein zentraler Bestandteil des Maßnahmenpaketes im Rahmen des Klimaanpassungskonzeptes.

Parallel geht es auch um Hinweise, wie die Bürger durch kleinere bauliche Veränderungen beispielsweise bei Starkregenereignissen größere Schäden verhindern können und inwieweit Elementarversicherungen sinnvoll erscheinen.

Weitere Projekte sind, das Trinkwasserangebot an neuralgischen Punkten im Stadtgebiet zu verbessern, aber gleichzeitig auch für Toilettenangebote zu sorgen, damit die Menschen nicht dazu neigen, die Flüssigkeitsaufnahme zu vermeiden, weil sich nirgendwo WCs finden.

Der Erhalt und die Ausweitung von Wasserflächen – auch der private Gartenteich – sorgen für thermische Entlastung im Stadtgebiet. Ebenso empfehlen die Experten die systematische Außenbeschattung von Gebäuden sowie die Verwendung geeigneter Baumaterialien und Farben.

Die Entsiegelung von gepflasterten und asphaltierten Flächen zur Verbesserung des Stadtklimas und zur Vermeidung von gehört ebenso zu den Maßnahmenempfehlungen wie der Erhalt von Frischluftschneisen und Kaltluftentstehungsgebieten.

Wesentlich für die Klimaexperten ist auch die intelligente Standortwahl und Ausstattung sozialer Infrastruktureinrichtungen, die Förderung urbaner Durchgrünung, aber auch die vorausschauende Gebäudeanordnung und -ausrichtung, um potenzielle Hochwasserschäden zu vermeiden.

„Diese Arbeit hat eine neue Sensibilität in der Stadtverwaltung geschaffen“, betont Projektkoordinator Felix Othmer, dass Klimaanpassung längst über das Umweltressort einer Stadtverwaltung hinaus gehe und ebenso Stadtentwicklung, Bauverwaltung, Immobilienmanagement, Katastrophenschutz und Gefahrenabwehr sowie Wasserwirtschaft und den Gesundheitsbereich berühre. „Es reicht nicht mehr, global die Ursachen zu bekämpfen, sondern es müssen parallel Symptome vor Ort behandelt werden“, erörtert der Raumplaner.

Wo kann man ansetzen?

Angesichts dieser breitgefächerten Relevanz sei es geboten, den Klimaschutz und die erforderlichen Anpassungsprozesse sowohl im soeben entstehen Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) als auch im neuen Flächennutzungsplan sowie in jedem Bebauungsplan zu berücksichtigen, unterstreicht Umweltamtsleiter Ralf-Rainer Braun die grundsätzliche Bedeutung des entstandenen Konzeptpapiers.

Auch interessant

„Wir verfügen jetzt über eine umfassende Datengrundlage, die wir ernst nehmen und auch im Detail beachten sollten“, blickt er auf das imposante Kartenmaterial für sämtliche Stadtbezirke, das potenzielle Schwachstellen und Gefahrenpunkte kleinteilig visualisiert. „Natürlich wird das Bauen dadurch aufwändiger, aber das zahlt sich auf Dauer aus“, verweist er beispielhaft auf die Chancen von Dach- und Fassadenbegrünungen, auf Programme zur Entsiegelung von Innenhöfen und kritisiert im gleichen Atemzug den aktuellen Trend zu Stellplätzen in Vorgärten oder die Modeerscheinung von flächendeckenden, mit Folien unterlegten Steingärten.

Welche Lösungen gibt es?

Othmer geht es zudem um praktische Hinweise, die man auf Grundlage des Klimaanpassungskonzeptes sowohl Privatleuten als auch Unternehmen an die Hand geben könne: „So macht es beispielsweise in stark verdichteten Wohnvierteln wie Wehringhausen, die sich in der Sommerhitze besonders rasant erwärmen, Sinn, mit Grün für Verschattung und Verbesserung der Luft zu sorgen.“

Auch interessant

Entsprechend könnten aber auch Altenheime, die der prallen Sonne ausgesetzt sind, mit deutlich mehr Grün für ein besseres Raumklima sorgen und in Senken platzierte Kitas sich schon heute vor drohenden Gefahren durch Starkregenereignisse schützen. Versorger wie Enervie oder auch die Telekom sollten ihre ­Infrastruktureinrichtungen ebenso gezielt schützen wie die Besitzer von Kellertanks mit kritischem Inhalt (Chemikalien, Heizöl, etc.).

Besonderes Entwicklungspotenzial sieht Othmer zudem in der Wohnungsmarktstudie, die ja angesichts der absehbar zurückgehenden Einwohnerzahlen empfiehlt, unzeitgemäßen Wohnraum gezielt abzureißen: „Diese Flächen lassen sich wiederum für Begrünungskonzepte und eine verbesserte Durchlüftung der Wohnviertel nutzen.“