Hagen. . Wildschweine wüten weiter in Kleingärten am Goldberg. Die Mitglieder schwanken zwischen Verzweiflung und Zorn. Sie fordern Unterstützung.
Als Günter und Rosemarie Pohlmann im Dezember in ihrem Schrebergarten nach dem Rechten sehen wollten, standen ihnen die Tränen in den Augen. Die Parzelle bot ein Bild der Verwüstung. Der Rasen sah aus wie ein frisch gepflügter Acker, die Blumenbeete waren zerstört, die Baumscheiben fortgeschleudert worden und der gepflegte Weg mit Erdklumpen und Lehm überhäuft. „Ich konnte zuerst gar nicht glauben, was ich da sah“, erinnert sich Günter Pohlmann an seine erste Reaktion.
Jede Scheu verloren
Der Rentner und seine Frau waren, wie zahlreiche andere Mitglieder der Kleingartenanlage auf dem Goldberg, Opfer der dort umher vagabundierenden Wildschweinrotten geworden. Die Tiere haben inzwischen fast jede Scheu vor dem Menschen verloren, selbst am hellichten Tage statten sie den Schrebergärten oder den Vorgärten an der Böhmerstraße einen Besuch ab und verwandeln die gepflegten Anlagen in Stätten der Verheerung. „Bei uns haben sie schätzungsweise 400 Blumenzwiebeln gefressen“, berichtet Rosemarie Pohlmann. Nur die Osterblumen hätten die Schweine nicht angerührt, möglicherweise schmecken sie selbst den Allesfressern nicht.
Unter den rund 280 Mitgliedern der in sechs Abschnitte eingeteilten Kleingartenanlage schwankt die Stimmung angesichts des andauernden Vandalismus, den die Rotten anrichten, zwischen Verzweiflung, Lethargie und Zorn. Drei Gartenbesitzer haben ihre Parzellen infolge der andauernden Beschädigungen inzwischen aufgegeben, nach Auskunft von Stevo Jurisic, dem Vorsitzenden des Kleingartenvereins, liegen weitere Austrittsdrohungen in der Luft: „Die Wildschweine verwüsten den gesamten Goldberg. Es ist unfassbar, was hier Tag und Nacht vor sich geht.“
Im Rathaus weiß man um das Problem. Die Stadt hat den Kleingärtnern bei der Finanzierung eines 200 Meter langen Metallzaunes geholfen, den die Tiere nicht überwinden können. Tatsächlich haben Günter und Rosemarie Pohlmann noch keinen Besuch von den Schweinen erhalten, seitdem der Zaun ihr Grundstück schützt. Doch die KGV-Anlage besteht aus 230 Parzellen, Jurisic fordert weitere Unterstützung: „Wir müssen rundum alles dicht machen.“ Der Verein sei leider nicht in der Lage, einen solchen Zaun, der mindestens 80 Zentimeter hoch und 20 Zentimeter tief im Boden verankert sein sollte, zu bezahlen.
Ob ein Zaun allein die Wildschweinrotten fernhält, bleibt abzuwarten. „Ich glaube, dass der Jagddruck erhöht werden muss“, sagt Bezirksbürgermeister Ralf Quardt: „So kann es jedenfalls nicht weitergehen.“ In diesen Tagen will er sich vor Ort ein Bild von der Lage machen und mit dem Forstamt weitere Abwehrmaßnahmen diskutieren.
Jäger macht wenig Hoffnung
Abschusszahlen der vergangenen Jahre
Bei einer Drückjagd im Hagener Stadtwald und einem Privatrevier wurden im Dezember acht Wildschweine und zwölf Rehe erlegt. 43 Jäger nahmen an der Jagd teil.
Im März 2016 war ein in Panik geratener Keiler durch den Stadtgarten in die City gerannt und hatte einen Lotto-Laden verwüstet. Das Tier musste von der Polizei erschossen werden.
Der Wirtschaftsbetrieb Hagen empfiehlt, den Garten mit Baustahlmatten, die man in der Erde eingraben und mit dem eigentlichen Gartenzaun verbinden kann, zu sichern. Man muss mit acht bis zehn Euro pro laufendem Meter rechnen.
In den vergangenen Jahren wurde die folgende Anzahl von Wildschweinen zur Strecke gebracht: Jagdjahr 2016/17: 325, Jagdjahr 2015/16: 245, Jagdjahr 2014/15: 219, Jagdjahr 2013/14: 106, Jagdjahr 2012/13: 312, Jagdjahr 2011/12: 137, Jagdjahr 2010/11: 230.
Für das am 31. März abgelaufene Jagdjahr 2017/18 kann die Untere Jagdbehörde noch keine Zahl benennen, da die Meldungen noch nicht vollzählig eingegangen sind. Erwartet wird aber eine gestiegene Abschusszahl.
Wegen der Plage hat die Landesregierung bereits die Schonzeit für Wildschweine in Nordrhein-Westfalen aufgehoben. Eine Einschränkung gilt nur für führende Bachen mit gestreiften Frischlingen unter 25 Kilogramm. Den Behörden geht es dabei weniger um das Wohlergehen von Gartenbesitzern als vielmehr darum, den Vormarsch der Afrikanischen Schweinepest, die bereits in einigen deutschen Nachbarländer tobt und ganze Hausschweinbestände dahinrafft, zu verhindern.
Lars-Peter Hegenberg, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Hagen, geht davon aus, dass weitere Jagdbeschränkungen fallen, sollte sich der Erreger tatsächlich in Deutschland ausbreiten. Unter den gegebenen Umständen macht er den Menschen vom Goldberg wenig Hoffnung: „Dort ist befriedetes Gebiet und die Jagd verboten. Das wissen die Wildschweine, es sind clevere Tiere. Eine nachhaltige Dezimierung der Bestände allein durch die Jagd ist ausgesprochen schwierig.“