Südwestfalen. Private und kommunale Entsorgungsunternehmen wollen ein striktes Rückwärtsfahrverbot in der neuen Branchenvorschrift verhindern. Außerdem stehen Trittbretter für Müllwerker in der EU auf dem Prüfstand.

  • Entsorger wollen Rückwärtsverbot für Müllwagen verhindern
  • Branchenregel in der Vorbereitung
  • Trittbretter in der EU auf dem Prüfstand
  • Entsorger wollen Rückwärtsverbot für Müllwagen verhindern
  • Branchenregel in der Vorbereitung
  • Trittbretter in der EU auf dem Prüfstand

Salopp ausgedrückt, ist der Entwurf zur „Regel 114-601“ (Abfallentsorgung) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) vom vergangenen Oktober aus Sicht der Entsorgungsbranche noch rechtzeitig in die Tonne gekloppt worden. Eine solche neue Branchenregel hätte ein weitgehendes Rückwärtsfahrverbot für Müllfahrzeuge bedeutet. Doch das Thema ist damit nicht vom Tisch. Gleichzeitig droht der Branche Ungemach wegen der Trittflächen am Heck der Fahrzeuge.

Im ersten Halbjahr 2016, erklärt Ronald Philipp vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE), will man sich mit dem „DGUV-Grundsatzausschuss Prävention“ an einen Tisch setzen und „praxisnahe“ Lösungen für die Neuordnung der Unfallverhütungsvorschrift (DGUV-Vorschrift 44) von 1979 finden, in der ein grundsätzliches Rückwärtsfahrverbot formuliert ist. Die langjährige Praxis zeigte, dass es sehr wohl Ausnahmen von der Regel gibt.

Passant beim Zurücksetzen getötet

Das haben offenbar die Unfallkassen spätestens im vergangenen Februar bemerkt, als in Wuppertal ein Passant beim Zurücksetzen eines Müllwagens getötet wurde. „Bei systematischen Überprüfungen von Wegen und Zufahrten“, so Thomas Picht von der Unfallkasse NRW, „haben wir festgestellt, dass sich nicht jeder an die Regel hält.“ Die Konsequenz: Die Unfallkassen schrieben die privaten und kommunalen Entsorger an, die Vorschriften, die bei Vorfällen mit Personen- und Sachschäden quasi Gesetzeskraft haben, gewissenhaft umzusetzen.

Unterschiedliche Reaktionen in Südwestfalen 

Das Schreiben hat unterschiedliche Reaktionen bei südwestfälischen Entsorgern ausgelöst:

  • Beispiel Schwelm: Seit dem 1. Januar fährt die Müllabfuhr nicht mehr in eine bestimmte Stichstraße. Ein 80 Jahre alter Anwohner muss jetzt seine Abfalltonnen zu einem 60 Meter von seiner Wohnung entfernten Abholpunkt schleppen. Alternative: Gegen ein Entgelt kann er den „Bring-Service“ der Technischen Betriebe Schwelm in Anspruch nehmen.
  • Beispiel Hagen: Der Hagener Entsorgungsbetrieb (HEB) überprüft derzeit jede einzelne Straße auf die Tauglichkeit für Müllwagenfahrten - und ob es gegebenenfalls Alternativen gibt.

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  • Beispiel Siegen: „Wir warten erst einmal ab, wie die neue Branchenregel aussehen wird“, sagt Stadtsprecherin Sabine Schutz. Schon jetzt gebe es jährliche Sicherheitsunterweisungen, und ein Müllfahrzeug fahre ohnehin nur dort rückwärts, wo es „absolut notwendig und nicht gefährlich“ ist. Bei fehlender Sicht gebe es Einweiser. „Wir sind immer gut damit gefahren“, so Sabine Schutz, die an das „hügelige“ Siegen denkt: „Die Bürger dürften sich beschweren, wenn von ihnen verlangt würde, ihre Mülltonnen bergauf, bergab an andere Abholpunkte zu rollen.“
  • Polizei als Einweiser bei Rückwärtsfahrten vorgeschlagen

    Noch hofft man bei den Entsorgern auf eine praxisnahe neue Branchenregel. „Entscheidungen am Grünen Tisch bringen selten optimale Lösungen“, sagt BDE-Präsident Peter Kurth mit Blick auf den ersten Entwurf vom Oktober - „wie der Vorschlag, die Polizei als Einweiser bei Rückwärtsfahrten von Müllwagen zu rufen“.

    Größeres Gefährdungspotenzial für die Müllwerker 

    Sollte die Rückwärtsfahrt dennoch komplett verboten werden, erwartet Kurth ein „gesteigertes Unfallrisiko an den neuen Sammelplätzen, etwa an den Hauptverkehrswegen“. Die Müllwerker seien hier aufgrund des höheren Verkehrsaufkommens einem größeren Gefährdungspotenzial ausgesetzt.

    Lobbe sucht gemeinsame Lösungen

    Apropos Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer: „Unsere Fahrer sind sich ihrer Verantwortung bewusst und gehen keine Risiken ein“, sagt Bärbel Weist, Sprecherin des Iserlohner Entsorgers Lobbe. Sollte beispielsweise die sichere Fahrt in einer Stichstraße nicht möglich sein, spreche man mit Vertretern der Kommunen und suche gemeinsame Lösungen.

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    Die kann, erläutert Michael J. Schneider von der in Südwestfalen tätigen Remondis GmbH, auch dergestalt sein, dass bei unzu­mutbar langen Wegen für An­wohner zu einer Abholstelle ein kleineres Abholfahrzeug eingesetzt wird. „Dies hängt jedoch immer auch vom Fuhrpark und der jeweiligen Routen- und Einsatz­planung ab.“

    Sicherheitskäfige im Gespräch

    Es gibt viel zu bedenken. Auch die Sache mit dem Trittbrett, auf dem die Müllwerker während der Fahrt zwischen Abfalltonnen und Abfalltonnen stehen. Auf EU-Ebene werde derzeit diese deutsche Besonderheit in Frage gestellt, erzählt Ronald Philipp vom Verband der Entsorgungswirtschaft. Offenbar ernsthaft wird auch die Installierung von Sicherheitskäfigen diskutiert. Das muss ein Trittbrettbrettfahrer vorgeschlagen haben.