Hagen. . Mit einem Restrukturierungskonzept soll die Enervie AG wieder profitabel werden. Eine Aufarbeitung der Krisen-Verantwortlichkeiten wird es nicht geben.

  • Vor allem Personalabbau soll Enervie aus der Krise führen.
  • Eine vertiefende Ursachenforschung für die Situation lehnt der OB ab.
  • Mitverantwortung des Aufsichtsrates bleibt offen.

Zu den Ursachen und Verantwortlichkeiten der Enervie-Krise, die das Unternehmen an den Rand der Insolvenz geführt und den Steuerbürger über Jahre mit erheblichen Mehrkosten belastet, wird es nach den Vorstellungen von Oberbürgermeister Erik O. Schulz keine weitere Aufarbeitung geben. Der Hagener Verwaltungschef, der gleichzeitig als Vertreter des größten Anteilseigners des heimischen Energieversorgers als Aufsichtsratsvorsitzender der AG agiert, macht im Gespräch mit dieser Zeitung deutlich, dass es nur noch darum gehe, nach vorne zu blicken und Strategien für neue Wachstumsfelder zu entwickeln: „Eine Rückschau bringt uns jetzt gar nichts. Wir müssen vielmehr unsere Priorität darauf richten, die Interessen der Banken zu befriedigen.“

Sollten sich Kommunalpolitik und Aufsichtsrat dieser Haltung anschließen, werden Fragen zur Mitverantwortung und zu Versäumnissen der verbliebenen Vorstandsmitglieder sowie des heutigen und des früheren Aufsichtsrates unter Führung von Ex-OB Jörg Dehm unbeantwortet bleiben. Als einzige personelle Konsequenz aus dem Enervie-Drama bliebe es somit bei der kostspieligen Ablösung von Ex-Vorstandssprecher Ivo Grünhagen, der im Frühjahr seinen Schreibtisch räumen musste. „Die Irrungen und Wendungen auf dem Energiemarkt sowie eine Kumulation von weiteren Faktoren haben uns in diese äußerst schwierige Situation gebracht und auch zu einem erheblichen Vertrauensverlust bei den Kunden und Handelspartnern geführt“, möchte der Enervie-Aufsichtsratsvorsitzende in eine tiefergehende Ursachenforschung und Vergangenheitsbewältigung gar nicht erst einsteigen: „Ich habe nicht den Eindruck, dass man diese Entwicklung 1:1 vorhersehen konnte.“

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Freiwillige Angebote nutzen

Mit dem Restrukturierungspapier der Unternehmensberatung Roland Berger, so Schulz weiter, läge jetzt ein Handlungsleitfaden mit einer hohen Verbindlichkeit auf dem Tisch, der das weitere Vorgehen bestimme und in dessen Mittelpunkt neben erheblichen Neustrukturierungen und Umorganisationen innerhalb des Konzerns vor allem der Abbau von etwa 450 Arbeitsplätzen stehe. „Ich hoffe, dass viele Enervie-Mitarbeiter die jetzt auf dem Tisch liegenden freiwilligen Angebote zum Personalabbau annehmen“, wirbt der OB in die Belegschaft hinein dafür, nicht erst die Welle der betriebsbedingten Kündigungen abzuwarten. „Dieser Personalabbau muss sich aber auch auf den Teppichetagen abbilden“, weiß Schulz sehr wohl, dass nicht nur die Konzernzentrale auf Haßley für die künftigen Personalbedarf der Enervie AG inzwischen hoffnungslos überdimensioniert ist, sondern auch der Verwaltungswasserkopf des Unternehmens deutlich abgeschmolzen werden muss. Mit genau diesen Fragen werde sich das Enervie-Präsidium – darin vertreten sind neben den größten Anteilseignern wie Hagen, Lüdenscheid und Remondis auch die Arbeitnehmerschaft – in den nächsten Wochen schwerpunktmäßig beschäftigen. Dabei gehe es auch um den Kernpunkt, so kündigt Schulz ausdrücklich an, wie das Spektrum der aktuell neun Unternehmensbereiche für die Zukunft deutlich verschlankt werden könne.

Einvernehmen besteht in den Augen des Aufsichtsratsvorsitzenden auch darüber, dass Enervie in Zukunft lediglich noch von zwei Vorständen geführt werde. Dabei ist schon heute klar, dass der aktuelle Interims-Vorstandssprecher Christoph Köther zur Jahreswende wieder auf den Geschäftsführer-Sessel der Hagener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (HVG) zurückkehrt.

Vertrauen zu Struwe und Höhne

„Ich sehe auch keinerlei Anlass, die Herren Höhne und Struwe zu hinterfragen“, tritt Schulz all jenen Kritiker entgegen, die die beiden Enervie-Frontmänner als Vertreter der alten Enervie ansehen, die als Technik- bzw. Vertriebsvorstand für die existenzielle Krise und den erheblichen Vertrauensverlust persönliche Mitverantwortung tragen. „Sie haben zusammen mit Herrn Köther einen richtig guten Job gemacht – das ist auch die Einschätzung der Banken“, betont Schulz ausdrücklich. „Beide genießen mein uneingeschränktes Vertrauen.“