Es geht nicht ums Köpferollen um des Köpferollens willen. Wer seine beruflichen Pflichten sauber und klug erfüllt, muss gestärkt werden und darf nicht irgendeinem symbolischen Akt zum Opfer fallen. Falls das Ergebnis einer Ursachenforschung zur fatalen Enervie-Krise lautete, alle haben vor dem Hintergrund des damaligen Wissensstandes korrekt und verantwortungsvoll gehandelt, darf niemand hinterfragt werden.

Doch im Rahmen eines Restrukturierungsprozesses ganz auf eine selbstkritische Ursachenforschung zu verzichten, klingt durchaus befremdlich. Kann am Ende aber auch nicht überraschen. Denn der weitgehend politisch besetzte Aufsichtsrat, der bekanntlich ebenfalls in der Haftung steht, müsste für solch einen Selbstreinigungsprozess – neben der Führungscrew der Enervie AG – sich auch höchstselbst hinterfragen.

Und genau dies, das hat der Hagener Bürger längst lernen müssen, hat in dieser Stadt noch nie funktioniert und so gar keine Tradition. Schon beim Stadtwerke-Skandal blieb es bei strafrechtlichen Konsequenzen nur für direkt Handelnde. Die Mitglieder der Aufsichtsgremien, deren ureigenste Aufgabe es ist, zu kontrollieren und Fehlentwicklungen zu erkennen, verdufteten unbehelligt. Ähnlich bei den folgenschweren Derivat-Zockereien in der Kämmerei, die alle den Segen der Politik hatten. Als es um personelle Konsequenzen aus den millionenteuren Fehlspekulationen ging, gab es plötzlich einen megabreiten politischen Schulterschluss quer durch den Rat, von solch peinlichen Fragen lieber abzusehen.

Und jetzt Enervie: Der Steuerbürger finanziert artig ein 30-Millionen-Euro-Bürgschaftsdarlehn vor und schwitzt über Jahre die Dividenden-Ausfälle in ähnlicher Höhe durch Gebühren- und Steuererhöhungen wieder heraus. Alles ohne ein Hinterfragen von Verantwortlichkeiten? Hat Enervie in den fetten Jahren die Signale ignoriert? Kontrollierte ein eingelullter Aufsichtsrat womöglich nach dem Drei-Affen-Prinzip? Politik kann manchmal so einfach sein – zumindest wenn man sich einig ist, dass wieder alle eine weiße Weste haben.