Hagen. Redaktions-Mitarbeiter Flemming Krause hat im Rahmen des Hagener Urlaubskorbes an einer Kanalführung teilgenommen. Er ist hinabgestiegen in die Unterwelt. Da, wo es mieft und ein sehr komplexen System besteht. Seine Reportage lesen Sie hier.

Ich gehe die kleine Treppe auf dem Gelände der Gärtnerei Knop an der Lenaustraße mit einem unsicheren Gefühl nach unten. Ein paar Stufen noch, dann bekomme ich zum ersten Mal einen Stauraumkanal zu Gesicht.

Was erwartet mich, wenn ich die letzte Stufe genommen habe und rechts durch die Stahltür abgebogen bin? Übler Gestank und Fäkalien an den Kanalwänden? Der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) bot ihm Rahmen des Hagener Urlaubskorbes eine Führung in die Kanalwelt der Stadt an. Ich bin mit mitgegangen.

Wasser und Schmutz aller Art im Kanal

Ein paar Sekunden später, immer noch in Gedanken über das, was mir hier blüht, stehe ich auf einer kleinen Bühne, ein paar Meter unterhalb vom Parkplatz der Gärtnerei, und lasse meinen Blick durch einen dunklen Raum schweifen. Weiter unten sehe ich zwei Kanäle. Im vorderen fließen Wasser und Schmutz aller Art, der hintere ist scheinbar leer.

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Bislang habe ich nur durch den Mund geatmet. Komm’ schon, denke ich mir, saug’ den Geruch auf. Meine Erwartungen – oder besser Befürchtungen – treffen voll ein, hier unten duftet es – vorsichtig gesagt – gewöhnungsbedürftig. Aber gut, ganz unerwartet kommt das nicht. Immerhin schwimmt rund fünf Meter unterhalb der Bühne das Abwasser von Tausenden Hagener Haushalten.

Fäkalien, Toilettenpapier, Rasierschaum

Fäkalien, Toilettenpapier, Rasierschaum, aber auch Industrieabwasser und Dinge, die ich kaum identifizieren kann, sind in den Stauraumkanälen zu finden. In der Volmestadt, das erklärt Roland Kapust vom Wirtschaftsbetrieb Hagen, gibt es 15 dieser miefigen Räume. Der Kanal, der hier durchgeht, ist rund drei Kilometer lang, führt vom Hagener Hauptbahnhof bis zur Lenaustraße und fasst über 8000 Kubikmeter Wasser.

680 Kilometer Kanäle in Hagen für rund 35 000 Haushalte 

Insgesamt gibt es in Hagen eine Kanallänge von rund 680 Kilometern. Für die Ausscheidungen von rund 35.000 Haushalten. Wahnsinn. Doch was genau passiert in diesem Stauraum?

Entlastungskanal bei starkem Regen

Kapust, Fachleiter für die Kanalunterhaltung in unserer Stadt, versucht es mir in einfachen Worten zu erklären: „Das Wasser im vorderen Kanal des Bauwerkes fließt weiter zur Kläranlage in Vorhalle. Bei starkem Regen füllt sich der vordere Kanal, irgendwann fließt Wasser über eine Schwelle in den hinteren Kanal, den sogenannten Entlastungskanal. Alles, was oberflächlich schwimmt, wird von einer Tauchwand aufgehalten.“

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Kapust weiter: „Dieses Wasser ist sauberer, weil die Fäkalien und der Schmutz am Boden des vorderen Kanals bleiben und das Schmutzwasser durch das Regenwasser sehr stark verdünnt ist. Das Wasser im hinteren Kanal fließt dann raus in die Volme.“

Im Regenfall werden 1330 Liter pro Sekunde zur Kläranlage weitergeleitet, bei trockenem Wetter immerhin 500 Liter. Beeindruckende Zahlen. Nach ein paar Minuten geht es wieder an die frische Luft. Na ja, eher an die schwüle Dienstagvormittag-Luft.

Mit Satellitenkamera wird Zustand alle Kanäle in Hagen durchleuchtet 

Es folgt eine kurze Besichtigung eines modernen Kanalfernauges mit Satellitenkamerasystem. Was ein High-Tech-Teil. Mit so einem Gerät kann der WBH, der 28 Mitarbeiter für die Kanalunterhaltung beschäftigt, den Zustand aller Hagener Kanäle untersuchen.

Blick durch ein modernes Kanalfernauge mit Satellitenkamerasystem. So werden alle Hagener Kanäle untersucht.
Blick durch ein modernes Kanalfernauge mit Satellitenkamerasystem. So werden alle Hagener Kanäle untersucht. © WP/Sandra Krosa

Die Besichtigung der Hagener "Unterwelt" ist fast vorbei, zum Abschluss gibt mir Roland Kapust noch ein paar interessante Fakten mit an die Hand. Zum Beispiel, dass die Abwasserkanäle alle 15 Jahre komplett durchfahren werden müssen. Oder, dass der WBH vier „Kolonne-Fahrzeuge“ besitzt, mit denen er die notwendigen Schachtkontrollen vornehmen kann.

12 Millionen Euro jährlich für Kanalbaumaßnahmen

Wie viel Geld muss der Wirtschaftsbetrieb Hagen eigentlich jährlich für die Kanalbaumaßnahmen investieren? Die Antwort: rund 12 Millionen Euro. Mal wieder eine beeindruckende Zahl. Zurück an der Oberfläche. An frischerer Luft. Die Welt da oben hat uns wieder.