Hagen. Für viele gilt: Erst Abitur, dann Studium. Doch gibt es viele junge Menschen, die sich diesem Trend wiedersetzen und eine Ausbildung beginnen.

Marcel Hinkel (21), Sebastian Richard (21) und Tom Muylkens (19) haben sich gegen einen Trend entschieden. Während sich ihre Freunde nach der Schulzeit in das Abenteuer Studium schmeißen, entscheiden sich die drei Jungs für eine duale Ausbildung. Im Vorfeld der großen Ausbildungsmesse an diesem Freitag auf dem Gelände der SIHK in der Eugen-Richter-Straße und dem Anwesen der Handwerkerschaft (Handwerkerstraße 11) haben uns Hinkel, Richard und Muylkens über ihr „Azubi-Dasein“ erzählt.

Wie ein Computer-Nerd sieht Hinkel nicht aus. Gepflegt, das blaue Hemd in der Hose, erzählt der Dortmunder über seine Ausbildung beim Hagener Unternehmen „Creditreform Berkey und Riegel“ in der Riemerschmidt­straße. Als Informatik-Kaufmann ist der 21-Jährige vor allem für die Prozessoptimierung zuständig. „Diese Arbeit ist sehr spannend“, versichert der Handball-Fan glaubhaft, „jeder Tag ist anders.“

Kollegiales Verhältnis in der Ausbildung

Auch das kollegiale Verhältnis bei Creditreform, die andere Unternehmen unter anderem auf ihre Zahlungsfähigkeit überprüfen, sei ein großer Pluspunkt. An Aufgaben mangelt es Marcel nicht. Wie die anderen drei Auszubildenden im Haus arbeitet er an einem eigenen Projekt. „Wir haben einen eigenen Blog, auf dem wir Bewerbungstipps geben, über Events bei uns berichten oder auch Videos hochladen. Ich bin dafür zuständig, dass dieser Blog auch funktioniert.“

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Im Zuge der dualen Ausbildung besucht der Dortmunder jeden Montag sowie jeden zweiten Mittwoch die Berufsschule. Doch das reicht ihm nicht. Als „Sahnehäubchen“ bezeichnet Hinkel das Privileg, neben der Ausbildung noch ein Teilzeit-Studium zu absolvieren. Jedes zweite Wochenende besucht er dafür die Fachhochschule Dortmund – Fachrichtung Wirtschaftsinformatik – um sich noch besser auf dem Gebiet der IT fortzubilden. Immerhin bekommt er dafür montags nach der Schule frei. „Dann kann ich die Zeit mit lernen verbringen.“

Breites Bewerbungsverfahren

Bevor er vor anderthalb Jahren seinen Ausbildungsplatz ergatterte, musste er ein anspruchsvolles Bewerbungsverfahren durchlaufen. Stefanie Mewing-Behrens, die sich um aktuelle und potenzielle Azubis kümmert, erklärt: „Bei uns muss jeder Anwärter vier Stationen durchlaufen. Nachdem er seine Bewerbung eingereicht hat, folgen ein Einstellungstest, ein Bewerbungsgespräch und abschließend ein Assessment Center.“ Marcel Hinkel war erfolgreich.

AWo als Ausbildungsträger 

Seit knapp zwei Jahren ist auch Sebastian Richard Azubi. Die Arbeiterwohlfahrt in Haspe hat den Hagener an den Maler- und Lackiererbetrieb Klaus Budde in Hohenlimburg vermittelt. Die AWo ist Träger der dualen Ausbildung, die Kosten übernimmt jedoch die Arbeitsagentur, bei der sich Richard damals auch beworben hat. Marion Reinecke-Henneke von der AWo erläutert die genaue Prozedur: „Das Arbeitsamt vermittelt an uns junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben. Wir haben zurzeit etwa 60 Kooperationsbetriebe, an die wir diese Jugendlichen vermitteln.“

Das Gute an dieser Sache: Die Betriebe haben keine Risiken, weil sie kein Ausbildungsgehalt zahlen müssen. Sebastian Richard ist mit seiner dualen Ausbildung fast fertig, ab dieser Woche stehen die Prüfungen an. Genügend Zeit zur Vorbereitung bekommt er sowohl von der AWo als auch von Budde. „In der Übungswerkstatt der AWo kann ich mich auf die Prüfung vorbereiten“, erzählt Richard.

Pädagogische Begleitung der Azubis

Zudem bietet die Arbeiterwohlfahrt Nachhilfe sowie eine pädagogische Begleitung für „ihre“ Azubis an. „Unser Ziel ist, dass sich die Azubis voll reinhängen und den Kooperationsbetrieb so sehr überzeugen, dass dieser an einer kompletten Übernahmen interessiert ist“, erläutert Reinecke-Henneke. Wie es ab dem Sommer für Sebastian weitergeht, ist noch unklar. Sollten seine Noten gut genug sein, dann könnte Sebastian über die AWo noch ein drittes Ausbildungsjahr machen. Oder Budde übernimmt ihn komplett, wenn sie von dem 21-Jährigen überzeugt sind. Und danach? „Das weiß ich noch nicht. Ich will erst mal meine Ausbildung fertig machen.“

Handwerklicher Schwerpunkt

Während sich die beiden 21-Jährigen bereits auf der Zielgeraden ihrer Ausbildung befinden, hat Tom Muylkens erst im Sommer letzten Jahres beim Sanitätshaus Riepe angefangen. Als Azubi in der Orthopädie-Technik fertigt Tom in erster Linie Beinprothesen. Dieser sehr handwerkliche Job macht dem Freizeit-Kicker viel Spaß. „Menschen zu helfen, die eine Prothese brauchen, damit sie wieder an ihren Alltag herankommen“, ist für den jungen Hagener der soziale Aspekt ein sehr wichtiger. Geschäftsführer Lars-Gunnar Stockmann sieht es genauso wie sein Azubi: „Wir behandeln hier nicht nur ältere Menschen. Wenn zum Beispiel ein Kind, das ein Bein verloren hat, hier freudestrahlend herausläuft, dann ist das ein Erfolg.“

Vier Mal die Woche arbeitet Tom im Sanitätshaus an der Hagener Straße, einmal die Woche fährt er nach Recklinghausen zur Berufsschule. Wie es nach der Ausbildung weitergeht, kann Tom noch nicht sagen. „Erst einmal die Ausbildung fertig machen, danach gucke ich weiter.“ Ein Mutmacher: Laut Stockmann bilde Riepe nur für den Eigenbedarf aus. Die Chancen stehen also nicht schlecht. Es geht also auch ohne ein Vollstudium. Eine duale Ausbildung ist manchmal eben auch der Königsweg.