Hagen. . Der Enervie-Aufsichtsrat hebt mit einer Million-Abfindung den Vertrag mit Vorstandssprecher Grünhagen auf. Mit neuer Strategie will man die Zukunftsfähigkeit sichern.

Mit breiter Mehrheit (zwei Gegenstimmen, zwei Enthaltungen) hat der Enervie-Aufsichtsrat am Freitagnachmittag dem Aufhebungsvertrag mit Vorstandssprecher Ivo Grünhagen zugestimmt. Der Unternehmensmanager, dessen Vertrag noch bis zum 31. Juli 2018 gelaufen wäre, erhält nach Informationen dieser Zeitung eine Abfindung in Höhe von einer Million: Zunächst überweist die AG dem bereits freigestellten 50-Jährigen bis zum Jahresende noch seine normalen Bezüge (Grundgehalt plus halbe Tantieme), im Januar 2016 wird dann noch eine Restzahlung für die verbleibenden 31 Monate von 835 000 Euro fällig. Parallel, so berichten übereinstimmende Quellen, muss der Manager seinen im Januar 2016 seinen Dienstwagen (Audi A8) und das gesamte IT-Equipment zurückgeben.

Oberbürgermeister Erik O. Schulz hatte sich in seiner Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender in dieser Woche mit Grünhagen auf diese Eckpunkte einer einvernehmlichen Lösung verständigt. Formalrechtlich betrachtet, hätten dem Kaufmännischen Vorstand angesichts seiner Vertragssituation mit der Amtsniederlegung sogar 1,5 Millionen Euro Restzahlung zugestanden. Doch vor allem durch Grünhagens Verzicht auf ihm zustehende Übergangsgelder und Teile seiner Tantieme konnten sich beide Seiten auf diese Zwei-Drittel-Lösung verständigen.

Im Schraubstock der Banken

Damit rückt für den Aufsichtsrat jetzt die Nachfolge-Lösung sowie die Strategie der Nach-Grünhagen-Ära in den Fokus. Bereits am kommenden Montag steht der nächste Banken-Gipfel an. Die von der international agierenden Unternehmensberatung Roland Berger begleiteten Kreditgeber – allen voran die Norddeutsche Landesbank – erwarten dringend Antworten auf die Frage, ob der Liquiditätsbedarf der Enervie nach der erschreckend ausfallenden Enervie-Bilanz 2014 in diesem Jahr tatsächlich erneut bei 130 Millionen Euro liegen könnte. Ein entsprechendes Signal hatte Grünhagen mit dem Banken-Memo gesandt. Doch inzwischen, so berichten Insider, präferieren Finanzausschuss und Aufsichtsrat strategische Kurskorrekturen, die den aktuellen Finanzbedarf auf etwa 60 Millionen Euro reduzieren könnten. So liegt beispielsweise im schwelenden Streit mit der Bundesnetzagentur rund um die Härtefallregelungen ein Kompromissvorschlag über 32,5 Millionen Euro auf dem Tisch der Enervie – das Unternehmen hätte eigentlich den doppelten Betrag erwartet. Doch das Geld wäre sofort rechtssicher verbuchbar und würde einen jahrelangen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang verhindern.

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Zudem zeichnet sich ab, dass das Kohlekraftwerk in Elverlingsen (E4) noch drei Jahre auf Verschleiß weiterbetrieben wird. Ein Schritt, der Druck vom angedachten Personalabbau und den Sozialplanrückstellungen in zweistelliger Millionenhöhe nimmt. Hinzu kommen Planungspuffer (Reserven) in verschiedenen Sparten des Unternehmens im Gesamtvolumen von 20 Millionen Euro, die zusätzlich die Liquidität verbessern könnten.

Restrukturierungsprozess

Der Hagener Rat, allen voran SPD und CDU, wollen sich in den nächsten Tagen in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe auf weitere Leitplanken für den künftigen Enervie-Kurs verständigen. Dabei soll auch die Frage diskutiert werden, ob das Unternehmen tatsächlich noch drei Vorstände braucht und wie es um das Vertrauen zu Wolfgang Struwe und Erik Höhne bestellt ist, die schließlich ebenfalls das umstrittene Banken-Memo unterschrieben haben. „Über eine Verschlankung des Vorstandes zu sprechen, kann nicht am Beginn eines Restrukturierungsprozesses stehen“, betont SPD-Ratsherr Werner König.

Mit Blick auf die Grünhagen-Nachfolge – eventuell auch in Form einer Interimslösung – unterstreicht daher sein CDU-Kollege Stephan Ramrath: „Eine rasche Nachbesetzung muss personell die strategische Neuausrichtung der Enervie dokumentieren.“