Hagen. Die Enervie-Banken haben mit der Roland-Berger-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eigene Experten in das Unternehmen entsandt. Diese sollen jedoch nicht zu mächtig werden.

Die Enervie-Zentrale auf Haßley entwickelt sich zunehmend zum Tummelplatz der Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaften. Neben PricewaterhouseCoopers (PwC) als Begleiter des Vorstandes beim komplizierten Jahresabschluss 2014, agiert dort auch schon seit Monaten Baker Tilly Roelfs im Auftrag des Finanzausschusses des Aufsichtsrates.

Jetzt kommt seit wenigen Tagen auch noch ein Roland-Berger-Team im Auftrag der besorgt-alarmierten Banken hinzu. Nachdem der scheidende Vorstandssprecher Ivo Grünhagen in einem 38-seitigen Papier den Kreditgebern mit den Gremien unabgestimmt eine dramatische Liquiditätssituation des Unternehmens skizziert hatte, sahen sich die Banken im Rahmen ihrer strengen Rechtsvorgaben genötigt, sich mit Hilfe von Roland Berger einen eigenen Überblick zu verschaffen.

AfD fordert Reduzierung auf zwei Vorstände

Die AfD-Ratsfraktion nimmt den Abschied von Enervie-Vorstandssprecher Ivo Grünhagen zum Anlass, eine grundsätzliche Verschlankung der Unternehmensspitze auf zwei Köpfe einzufordern. Angesichts der auf dem Spiel stehenden Arbeitsplätze sei der Luxus einer Dreierspitze bei einem kommunalen Versorgungsunternehmern nicht mehr zu vertreten.

Die Priorität, so die AfD, müsse jetzt auf der Korrektur der strategischen Fehler der Vergangenheit liegen. Außerdem müsse es zu einem dauerhaften Abbau der Vorstandsprivilegien kommen.

Erneute Bestandsaufnahme

In der Rolle eines potenziellen Sanierungsberaters erarbeiten die entsandten Experten aktuell eine analytische Bestandsaufnahme, die in einen stringenten, dann jedoch von den Banken gesteuerten Restrukturierungsprozess münden könnte. Damit, so die Sorge in Politik und Belegschaft, drohe das Heft des Handelns den Anteilseignern entrissen und unter das Diktat der Kreditgeberinteressen gestellt zu werden. Sämtliche Entscheidungen über den Sozialplan, die Kraftwerksschließungen, anstehende Kündigungen sowie künftige Dividendenauszahlungen könnten somit hinter Ansprüche der Banken zurücktreten.

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Ein bedrohliches Negativ-Szenario, das Oberbürgermeister Erik O. Schulz in seiner Rolle als Enervie-Aufsichtsratsvorsitzender in der vergangenen Woche im Rahmen eines Bankengespräches zunächst abwenden konnte. Nach gleichlautenden Informationen verschiedener Quellen machte Schulz in der Runde überzeugend deutlich, dass die Unternehmens- und Finanzmanagementstrategie der Enervie-Anteilseigner keineswegs dem von Grünhagen beschriebenen Szenario entspreche. Damit bestehe bis zum Jahresende – neben der ohnehin bestehenden Kreditlinie von knapp 300 Millionen Euro – auch keineswegs zwingend ein zusätzlicher Kreditbedarf von 130 Millionen Euro.

Sanftere Bereinigung

Einen solchen Kurs der sanfteren wirtschaftlichen Bereinigung bei Enervie favorisiert der vom Aufsichtsrat eingesetzte Finanzausschuss. Jetzt gilt es mit Priorität, im Vorstand einen Kopf zu etablieren, der diese Neuausrichtung auch aktiv verkörpert und gegenüber den Banken glaubwürdig vertritt. Nur mit einem solchen personellen Statement, so die Idee im Aufsichtsrat, lasse sich ein Roland-Berger-Regiment noch abwenden.

In der Aufsichtsratssitzung am kommenden Freitag, wird ein politisch abgestimmter Personalvorschlag des OB erwartet. Im Juni, so der neue Zeitplan, soll das Gremium über die 2014er-Bilanz entscheiden. Die Enervie-Hauptversammlung verschiebt sich nach Informationen dieser Zeitung bis in den August.