Hagen. . Sie sind ein ganz entscheidender Faktor im Hagener Wirtschaftsleben: die Kaltwalzwerk-Unternehmen im Lennetal. Jetzt wenden sie sich intensiv gegen die ab 1. Januar drohende massive Erhöhung der Netzentgelte des Hagener Energieversorgers Enervie. Die rechtliche Grundlage wird von ihnen angezweifelt.
Die Erhöhung der Netzentgelte im Gebiet des Hagener Energieversorgers gelten als Folge der Bundesnetzagentur-Entscheidung, dass die hoch defizitären Enervie-Kraftwerke nicht abgeschaltet werden dürfen. Doch die Kritik der Kaltwalzwerker zielt nicht mehr allein auf die Gesetzgebung oder die Netzagentur. Jetzt steht Enervie selbst im Fokus.
Die Fachvereinigung Kaltwalzwerke, in der zahlreiche Unternehmen aus dem Lennetal organisiert sind, will mit ihrem Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) in dem anstehenden „Härtefall-Verfahren“ bei der Bundesnetzagentur gegen die Entgelterhöhung vorgehen. Wenn dies nicht erfolgreich ist, dann wird zudem ein so genanntes „Missbrauchsverfahren“ gegen Enervie geprüft.
"Für viele Betriebe bedeutet das eine Verdopplung der Kosten"
Der Fachverband, in dem große Firmen wie CD Wälzholz, Bandstahl Schulte, Bilstein, Theis, Hesse, oder H.D. Lenzen organisiert sind, bezweifelt, dass Enervie tatsächlich eine rechtlich gesicherte Grundlage für die Entgelterhöhung hat. Die von dem Hagener Unternehmen immer wieder vorgetragene Systemrelevanz der Kraftwerke gebe es nicht, so die Geschäftsführerin des Fachverbands, Dr. Bettina Schwegmann.
„Uns sind Millionen durch die Lappen gegangen“
Was der Fachverband nicht öffentlich ausspricht, was aber aus der Branche zu hören ist: Es müsse geprüft werden, ob Enervie die Probleme selbst mit verursacht habe, weil man sich gegen den Ausbau des Umspannwerks Garfeld gewehrt habe, um nicht zu viel Konkurrenz-Strom in das eigene Netzgebiet zu lassen.
Enervie-Netz-Chef Wolfgang Hinz kontert: „Auf unsere Seite haben wir längst die Voraussetzungen geschaffen, dass schon heute genug Strom in unser Netzgebiet kommen könnte.“ Amprion, Betreiberin des Hochspannungsnetzes, sei auf der anderen Seite nun in der Pflicht. Ivo Grünhagen hält den Vorwurf für konstruiert: „Uns sind Millionen durch die Lappen gegangen, als unsere Kraftwerke vor der Energiewende noch wirtschaftlich gelaufen sind und wir nicht genug Strom wegen des Garenfeld-Engpasses auf den Markt bringen konnten.“
Der Härtefallantrag bei der Netzagentur, der laut Gesetz überhaupt erst die Voraussetzung für die Netzentgelt-Erhöhung sei, sei zudem noch immer nicht gestellt worden. „Für uns ist das Verfahren so nur beschränkt überprüfbar.“ Das, so Schwegmann, sei nicht hinnehmbar: „Unsere Mitglieder sehen sich ab dem 1. Januar mit Mehrkosten konfrontiert. Für viele Betriebe bedeutet das eine Verdopplung der Netzentgelt-Kosten.“ Die sollen zum Teil im hohen sechsstelligen Bereich liegen – teils sogar im siebenstelligen. Der WSM hat die Rechtsanwaltskanzlei Ritter, Gent und Kollegen eingeschaltet.
Enervie-Vorstandssprecher Ivo Grünhagen hält „die Kritik für sachlich nicht berechtigt, für menschlich aber vielleicht nachvollziehbar“. Tatsächlich würden die Unternehmen ja sehr belastet durch die höheren Netzentgelte. „Aber gerade deshalb haben wir als Unternehmen, aber auch ich persönlich, seit einem Jahr gegen diese Entgelterhöhung gekämpft“, so Grünhagen. „Das tun wir auch weiter: Am 18. Dezember werde ich mit zwei Vertretern der Wirtschaft zu Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel fahren.“
Weiter Verluste mit Kraftwerken
Auf diesem Weg sei es wichtig, dass die Region mit einer Stimme spreche: „Es wäre dramatisch, wenn wir uns gegenseitig mit Vorwürfen überziehen.“ Enervie habe frühzeitig die heimische Wirtschaft informiert: „Und wir stehen auch jetzt für alle bereit.“ Das Unternehmen mache keine Gewinne mit den höheren Netzentgelten, sondern im Gegenteil immer noch hohe Verluste. Diese würden nur ein wenig abgefedert.
Wolfgang Hinz, Geschäftsführer der Enervie Netzgesellschaft, weist auch den Vorwurf des Fachverbands zurück, dass die Rechtsgrundlage für die Entgelterhöhung nicht sicher sei: „Wir sind in der Tat nicht als systemrelevant eingestuft worden – das würde bedeuten, dass unsere Kraftwerke für die überregionale Netzsicherheit nötig wären.“
Sie seien aber von der Bundesnetzagentur als notwendig für die Versorgungssicherheit im Enervie-Netzgebiet eingestuft worden, weil in Spitzenzeiten nicht genug Strom durch das Umspannwerk Garenfeld aus dem überörtlichen Netz eingespeist werden könne. „Wir haben auch schriftlich von der Netzagentur, dass wir diese Kosten innerhalb unseres Netzgebietes umzulegen haben.“ Man verzögere auch keineswegs den Härtefall-Antrag, mit dem die genaue Höhe der Netzentgelte festgelegt werde: „Der muss ganz genau mit der Bundesnetzagentur abgesprochen werden. Wir werden ihn in Kürze einreichen.“