Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Die Freie Alten- und Nachbarschaftshilfe (FAN) stellt einen Insolvenzantrag. Was das für Kunden und Mitarbeitende bedeutet.
Die seit ihrer Gründung in Ennepetal und Umgebung bekannte Freie Alten- und Nachbarschaftshilfe gGmbH (FAN) hat beim zuständigen Amtsgericht in Hagen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Das berichtete Kommunikationsberater Thomas Feldmann am Montagabend als Pressesprecher des vorläufigen Insolvenzverwalters. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien bereits am Montag informiert worden, erklärt er.
Das Gericht hat laut Feldmann den sanierungserfahrenen Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk Andres von der Kanzlei „AndresPartner“ zum vorläufigen Insolvenzverwalter des im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis tätigen Pflegedienstes bestellt. Momentan sei Andres dabei, sich mit seinem Team vor Ort einen Eindruck über die wirtschaftliche Ausgangssituation zu verschaffen und Gespräche mit allen wesentlichen Verfahrensbeteiligten aufzunehmen.
Ziel sei es, alle ihm zur Verfügung stehenden Sanierungsoptionen zu überprüfen und einen strategischen Partner zu finden, der in die gemeinnützige Gesellschaft investiert und den Betrieb weiterentwickelt.
Fachkräftemangel und höhere Kosten
Der Insolvenzantrag ist laut Geschäftsführung weitestgehend der aktuellen Strukturkrise im Pflegesektor geschuldet, wie es heißt. Der eklatante Fachkräftemangel, die Kostensteigerung durch Inflation und die zum September 2022 gesetzlich eingeführten Lohnerhöhungen, die sich trotz vieler Anstrengungen nicht mehr ausreichend hätten gegenfinanzieren lassen, erschwerten demnach das tägliche Geschäft.
Gemeinsam mit Beratern habe man aus diesem Grund bereits in der Vergangenheit an Optimierungsansätzen gearbeitet, die allerdings schnell an ihre Grenzen kommen. „Unsere Beschäftigten arbeiten täglich mit viel Herz und großem Engagement. Eine minutenweise Rennpflege mit schwindelerregender Taktung ist jedoch nicht leistbar und ebenso wenig den Beschäftigten gegenüber zu verantworten“, äußert sich Geschäftsführerin Katharina Nebel in einer Mitteilung zum Insolvenzantrag der FAN.
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Sanierungsexperte Prof. Dr. Dirk Andres erklärt dazu, dass der Geschäftsbetrieb aufrechterhalten werde. „Die Pflege und Betreuung der uns anvertrauten Menschen mit Pflegebedarf wird auch während des Insolvenzverfahrens weiter laufen“, so Andres weiter. Dafür werde er alle erforderlichen Maßnahmen einleiten. Die rund 110 beim Pflegedienst tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhielten anstelle ihrer Löhne und Gehälter für drei Monate Insolvenzgeld der Agentur für Arbeit.
Als Verein im Jahr 1986 gegründet
Vor dem Hintergrund des Insolvenzantrags blickt Feldmann, der auch schon die Insolvenz des Gevelsberger Traditionsunternehmens Dieckerhoff Guss 2020 kommunikativ begleitet hatte, auf die langjährige Geschichte der Freien Alten- und Nachbarschaftshilfe gGmbH zurück.
So wurde diese als Verein im Jahr 1986 gegründet und behielt diesen Status auch über viele Jahre. Nach Auflösung des Vereins im Jahr 2019 konnte der Pflegedienst die Lebenshilfe als Trägergesellschaft im Ennepe-Ruhr-Kreis finden, die den Betrieb unter gleichem Namen als gemeinnützige GmbH fortführte.
Die Kanzlei „AndresPartner“
Die Kanzlei AndresPartner, Rechtsanwälte & Steuerberater, Insolvenzverwaltung & Restrukturierung, Partnerschaft mbB („AndresPartner“) hat sich auf die professionelle Bearbeitung von Insolvenzverfahren spezialisiert. Die Partner der Kanzlei, darunter Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk Andres, werden von Insolvenzgerichten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Bayern als Insolvenzverwalter und Treuhänder bestellt.
Zu den bekanntesten Eigenverwaltungsberatungen der Kanzlei gehören die Clemens-Kleine-Gruppe, die ATB Schorch GmbH, die Dachziegelwerke Nelskamp sowie die Peek & Cloppenburg KG (Düsseldorf). Als Sachverwalter waren die Partner tätig beim Maschinenbauer Saurer Spinning Solutions sowie den Katholischen Nordkreiskliniken. Zu den von der Kanzlei bearbeiteten fremdverwalteten Insolvenzverfahren gehören die der Warenhauskette Strauss Innovation und der Wollschläger-Gruppe
Die FAN ist neben der ambulanten Pflege im Bereich Hauswirtschaft, Essen auf Rädern, in der ambulanten Betreuung und in der Wohnberatung tätig. Pflegebüros befinden sich in Schwelm (Barmer Straße 42), Ennepetal (Heilenbecker Straße 18) und Gevelsberg (In den Weiden 24).
Fokus auf Fortführung des Betriebs
Wie viele Menschen derzeit die Dienstleistungen der FAN in Anspruch nehmen und welche Optimierungsansätze in der Vergangenheit bereits ausgearbeitet wurden, beantwortete Kommunikationsberater Thomas Feldmann auf schriftliche Anfrage der Redaktion nicht. Der Fokus des vorläufigen Insolvenzverwalters liege auf der Stabilisierung und Fortführung des Betriebs. In diesem Zusammenhang schaue er nicht zurück, sondern nach vorne. Zu bisherigen Maßnahmen und Unternehmenskennzahlen gibt es keine Auskunft.
Die FAN ist nicht der einzige lang etablierte Pflegedienst im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis, der in den vergangenen Monaten mit Problemen zu kämpfen hatte. Erst vor wenigen Tagen hat die Hauskrankenpflege Gregor aus Ennepetal ihren Betrieb nach 43 Jahren an die größere Häusliche Krankenpflege aus Gevelsberg übergeben. Auch hier spielte unter anderem der Fachkräftemangel eine Rolle.
Die FAN bietet außer einem ambulanten Pflegedienst auch einen Hauswirtschaftsdienst, einen Menü-Service, Wohnberatungen, einen ambulanten Betreuungsdienst und Beratungsbesuche für Pflegegeldempfänger an. Laut FAN reicht das Leistungsspektrum von der kompletten häuslichen Alten- und Krankenpflege über die Versorgung mit täglichen Mahlzeiten, das Reinigen der Wohnung, die Beratung in Fragen der Wohnraumanpassung bis hin zur Beratung und Betreuung von Menschen mit Demenz und deren Angehörigen. Die Angebote richten sich nach eigenen Angaben an Menschen mit Wohnorten in Schwelm, Ennepetal, Gevelsberg und Haßlinghausen.
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