Ennepe-Ruhr. Die unbeliebten KAG-Beiträge sind abgeschafft. Trotz der neuen Regelungen könnten Anlieger aber noch für Straßenprojekte zahlen.

Sie waren eines der am heißesten diskutierten Themen in der Politik der vergangenen Jahre: Die sogenannten Straßenausbaubeiträge - auch bekannt als KAG-Beiträge. KAG steht für Kommunalabgabengesetz. Die Beiträge fielen in der Vergangenheit zur Finanzierung bestimmter Straßenbaumaßnahmen an und wurden anteilig auch von den Anliegern, also den Eigentümern, getragen. Die Höhe des Anteils hing dabei von der Art der Straße, aber auch der Grundstücke ab. Wer also eine Immobilie besitzt, konnte mit einigen tausend Euro an den Kosten beteiligt werden, wenn vor seinem Haus die Straße gemacht wurde.

Damit ist seit diesem Jahr Schluss. Nach 55 Jahren im Kommunalabgabengesetz hat der Landtag Nordrhein-Westfalen die Straßenausbaubeiträge für Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer rechtlich abgeschafft. „Bürgerinnen und Bürger bekommen volle Rechtssicherheit und der Aufwand der Kommunen wird reduziert“, heißt es dazu vonseiten des zuständigen Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen.

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Wer jetzt aber denkt, er oder sie müsse gar nichts mehr zahlen, egal welche Baumaßnahmen vor seiner oder ihrer Haustür anstehen, irrt. Denn: Es gibt einen Stichtag, den 1. Januar 2018. Für Straßensanierungen, die vor diesem Datum beschlossen wurden, könnten Anliegende noch zur Kasse gebeten werden. Außerdem sind die sogenannten Erschließungsbeiträge nicht von der Regelung betroffen. Die fallen an, wenn die Kommune eine Straße erstmalig baut.

Zeitliche Fristen entscheidend

Doch von vorn: Was hat der NRW-Landtag da eigentlich beschlossen? Straßenausbaumaßnahmen, die ab dem 1. Januar 2024 (Inkrafttreten dieses Gesetzes) vom zuständigen Organ beschlossen wurden oder die in Ermangelung eines gesonderten Beschlusses frühestens im Haushalt des Jahres 2024 stehen, sind von den Beiträgen befreit. Straßenausbaumaßnahmen, die nach dem 1. Januar 2018 und vor dem 1. Januar 2024 beschlossen wurden oder die frühestens in der Finanzplanung der jeweiligen Kommune für das Jahr 2018 und spätestens 2023 standen, unterfallen dem bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Recht. Für sie gibt es eine Förderung, also eine Kostenübernahme durch das Land.

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Welcher Aufwand den Kommunen dadurch erspart bleibt, scheint allerdings noch nicht absehbar zu sein, wie es beispielsweise noch vor ein paar Wochen aus dem Schwelmer Rathaus hieß. Eine entsprechende Rechtsverordnung habe zu diesem Zeitpunkt noch gefehlt. „Insoweit ist derzeit nicht bekannt, welcher Aufwand nach Abarbeitung der Verfahren nach ,altem Recht‘ mit der Antragstellung nach ,neuem Recht‘ verbunden ist“, erklärte Heike Rudolph, Sprecherin der Stadt Schwelm auf Nachfrage der Redaktion.

Auch bei der Stadt Schwelm stünden noch Straßenausbaumaßnahmen zur Abrechnung an, bei denen nach „altem Recht“ entweder eine Förderung gewährt werde oder die Eigentümer/Erbbauberechtigten noch Beiträge zahlen müssten. Auch Erschließungsbeiträge würden weiterhin erhoben.

Abrechnungen stehen noch aus

Auch die Stadt Gevelsberg wickelt derzeit noch KAG-Fälle von vor 2018 ab. „Für den Ausbau der Hagener Straße zwischen Breddestraße und Asker Straße wurden im Jahr 2016 Vorausleistungen auf den Straßenbaubeitrag erhoben“, heißt es hier aus dem Rathaus. „Diese betrugen 50 Prozent der voraussichtlichen Beiträge. Die Endabrechnung steht noch aus und ist abhängig vom Ausbau der Kreisverkehrsanlage Breddestraße.“ Die Beitragserhebung müsse dann nach altem Recht, also ohne jegliche Förderung durch das Land erfolgen. Für Härtefälle gewährt die Stadt Ratenzahlungen beziehungsweise Stundungen.

Auch die Stadt Gevelsberg wartete vor ein paar Wochen noch auf die entsprechende Rechtsverordnung, wie das Land die Beitragsausfälle künftig erstatten möchte. „Die jetzige Praxis nach den Förderrichtlinien – vollständige Ermittlung der auf die Grundstücke entfallenden Beiträge, Fördermittel beantragen, der Erlass von „Null-Euro“-Bescheiden – bedeutet für die Gemeinden eher einen bürokratischen Mehraufwand“, teilt die Stadt Gevelsberg mit.

Härtefallregelung abgelehnt

Als der NRW-Landtag den Gesetzentwurf der schwarz-grünen Koalition zur Abschaffung der Beiträge für den Ausbau kommunaler Straßen im Land Nordrhein-Westfalen im Februar beschlossen hat, stand auch ein Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und FDP zur Abstimmung. Beide Fraktionen wollten einen Härtefallfonds für die Anliegerinnen und Anlieger einführen, deren Straßensanierung vor dem 1. Januar 2018 beschlossen wurde. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt.

Dazu erklärte nach dem Beschluss die heimische SPD-Landtagsabgeordnete Ina Blumenthal: „Dass die Straßenausbaubeiträge jetzt endlich der Vergangenheit angehören, ist dem Druck vieler Menschen zu verdanken, die sich in Bürgerinitiativen und in der erfolgreichsten Volksinitiative des Landes engagiert haben.“ Das Tragische an dem schwarz-grünen Gesetzentwurf sei, dass viele dieser Menschen, die den Erfolg erst möglich gemacht haben, von der Abschaffung gar nicht profitieren werden. „Denn der von der schwarz-grünen Landesregierung gewählte Stichtag schließt eine Vielzahl von Menschen aus, sie werden zahlen müssen“, so Blumenthal.

In Sachen Erschließungsbeiträge erinnert die Verwaltung an eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2022, gemäß der Straßen, die vor einer gewissen Zeit hergestellt wurden, von den Städten nicht mehr abgerechnet werden können. „Stand 2022 waren in Gevelsberg circa 40 Straßen - überwiegend in den Randbereichen - noch nicht zu Erschließungsbeiträgen abgerechnet, weil sie als noch nicht endgültig hergestellt gelten“, erklärt die Stadt dazu. „Soweit die Sperrfrist [...] für diese Straße nicht greift, müssen bei Vorliegen der Voraussetzungen Erschließungsbeiträge auch für diese Straßen erhoben werden.“ Die Neuanlegung von Erschließungsanlagen werde heute in der Regel im Rahmen von städtebaulichen Verträgen durch private Erschließungsträger übernommen, sodass der Stadt keine Erschließungskosten entstünden, die über Beiträge refinanziert werden müssten.

Verfahren vor Verwaltungsgericht

„Das Land NRW muss an vielen wichtigen Stellen noch Klarheit schaffen, denn bisher ist für uns noch überhaupt nicht absehbar, ob wir zukünftig nun weniger Arbeit mit dem Thema haben werden, oder nicht“, erklärte ebenso Marco Heimhardt, der für das Thema zuständige Fachbereichsleiter bei der Stadt Ennepetal, vor ein paar Wochen.

Für alle noch nicht abgerechneten beitragspflichtigen Straßenausbaumaßnahmen der Stadt Ennepetal vor dem 1. Januar 2024 werde die Landesförderung für die Anliegeranteile bei der NRW Bank beantragt. „Eine Beitragserhebung erfolgt somit nur noch, falls ein Förderantrag nicht bewilligt werden sollte“, so Heimhardt. Die letzten vor dem 1. Januar 2018 beschlossenen Straßenausbaumaßnahmen, für die noch Anliegerbeiträge bezahlt werden mussten, seien die Erneuerungen der Ketteler Straße und des Sonnenwegs gewesen. „Hier ist derzeit ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht rechtshängig, ansonsten sind die Beitragserhebungen für diese Maßnahmen abgeschlossen“, sagt der Fachbereichsleiter.

Straßen in Ennepetal für die noch keine Erschließungsbeiträge erhoben wurden, würden sukzessive überprüft . Gegebenenfalls rechnet die Stadt sie noch ab.

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