Ennepetal. Kämmerer Tim Strathmann sorgt für Entsetzen, als er mitteilt, Fußballplätze verkaufen zu wollen. Die Stadt sieht darin einen normalen Vorgang.
Und plötzlich herrschte Angst bei den Fußballern vom SV Büttenberg und von RW Rüggeberg. Mit seinen Ausführungen, die Grundstücke, auf denen sich die Sportplätze der Vereine befinden, verkaufen zu wollen, um den desolaten städtischen Haushalt ein wenig zu sanieren, hatte der Ennepetaler Kämmerer Tim Strathmann für lähmendes Entsetzen in den Vereinen gesorgt. Das Thema wuchs binnen weniger Tage weit über Ennepetal hinaus, bis die Politik klarmachte: „Wir werden einer solchen Idee nicht zustimmen.“
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Mit einem solchen Aufschrei hatten Politik und Stadtverwaltung um Bürgermeisterin Imke Heymann offenbar nicht gerechnet. Vor allem das Rathaus macht auf Nachfrage der Redaktion klar, dass dies keine außergewöhnliche Vorgehensweise sei. Trotzdem wird der Kämmerer in der öffentlichen Sitzung des Hauptausschusses am Donnerstag, 25. April, Stellung zu dem Themenkomplex beziehen.
Rückblick: Als Kämmer Tim Strathmann am vergangenen Donnerstag in der Ratssitzung sein Haushaltssicherungskonzept vorstellt, unterbreitet er auch den Vorschlag, zwei Sportanlagen zu veräußern. Die Plätze in Rüggeberg und am Büttenberg sollen jeweils 2,1 Millionen Euro in die Kassen spülen und in den Jahren 2026 beziehungsweise 2028 Bauland werden. Das gleicht einem Schlag ins Kontor der Fußballer. Diese schließen sich binnen kürzester Zeit zusammen, bringen eine Petition für den Erhalt ihrer Sportplätze auf den Weg. Sie fürchten um die Existenz ihrer Vereine und die Perspektiven für die zusammengenommen 300 Kinder und Jugendlichen, die in den beiden Vereinen kicken.
Empörung weit über Ennepetal hinaus
Die Ennepetaler Idee, zwei Sportplätze zu streichen, macht in Windeseile die Runde im Ennepe-Ruhr-Kreis, in Hagen und darüber hinaus. Der SV Büttenberg und RW Rüggeberg erfahren riesige Solidarität, die Unterstützung ist gewaltig, die Zahl der Petitionsunterzeichner schnellt in die Höhe. Es herrscht kollektives Kopfschütteln über die Idee aus dem Ennepetaler Rathaus. Diese Zeitung berichtet, Leserbriefe erreichen die Redaktion, der WDR wird auf die Sache aufmerksam.
Der Druck auf Politik und Verwaltung wächst, und am Dienstag ziehen die Fraktionen von SPD, CDU, FDP und Grünen gemeinsam mit Bürgermeisterin Imke Heymann die Reißleine, verkünden in einer schriftlichen Mitteilung, dass sie dieser Haushaltssicherungsmaßnahme nicht zustimmen werden. Und noch mehr: Diese Maßnahme habe auch schon in vorherigen Haushaltssicherungskonzepten gestanden. Da habe man schließlich bereits auch schon nicht zugestimmt.
Und warum dann der ganze Ärger? Wäre es nicht vermeidbar gewesen, die Fußballer in diese Angst zu versetzen? Pressesprecherin Nina Däumig erklärt auf Nachfrage der Redaktion: „Aufgabe der Verwaltung und bei der Haushaltsaufstellung insbesondere des Kämmerers ist, alle Möglichkeiten, die rechtlich denkbar sind, wertungsfrei aufzuzeigen. Es steht Verwaltung nicht zu, die politische Willensbildung zu beeinflussen, indem eine Vorauswahl getroffen wird, was der Politik vorgelegt wird.“ Der Kämmerer habe intensiv und mehrfach darauf hingewiesen, dass die in Rede stehenden Maßnahmen Möglichkeiten sind, über die diskutiert werden kann und es sich nicht um einen Plan oder eine Empfehlung des Kämmerers oder der Verwaltung handeln würde.
„Die Schließung von Sportstätten war bereits Gegenstand früherer Haushaltssicherungskozepte und ist bei jedem Prüfbericht der Gemeindeprüfanstalt (GPA) ein wesentlicher Punkt. Insofern war das Thema weder für Politik noch für Verwaltung neu“, heißt es aus dem Rathaus weiter. Offenbar war dies aber sehr wohl eine Neuigkeit für diejenigen, die dort Sport treiben, denn sie lehnten sich sofort dagegen auf. CDU-Fraktionsvorsitzender Daniel Heymann war es schließlich, der am Dienstag den Rundruf in der Politik startete, um die Sache, die schnell an Dynamik gewann, zu stoppen. „Die Gemeindeprüfanstalt hat uns schon mehrfach mitgeteilt, dass die Stadt Ennepetal zu viele Sportstätten hat. Nichtsdestotrotz werden wir keine schließen.“ Der Kämmerer hätte gar keine andere Chance gehabt, als auch diese Maßnahme, die keine Chance auf eine Umsetzung habe, mit aufzuführen. Das sei das normale Vorgehen.
FDP sieht Kommunikationsproblem bei der Stadt
Unterstützung bekommt er dabei von SPD-Fraktions-Chef Volker Rauleff, der im Gespräch mit der Redaktion sagt: „Ich sehe da kein Problem. Der Kämmerer stellt den Haushalt ganz allein auf, und ich habe ihm schon vorher gesagt: ,Das kriegst Du eh nicht durch.‘“ Es sei jeodch aus seiner Sicht richtig, dass der Kämmerer alles auf den Prüfstand stellt.
Ist es denn tatsächlich notwendig, für eine derartige Panik bei den Fußballvereinen zu sorgen für eine Sache, die ohnehin nicht umgesetzt wird? Zumal die Politik die Liste mit den Maßnahmen bereits eine Woche vor der Ratssitzung vorliegen hatte. FDP-Fraktionsvorsitzender Daniel Böhler sieht hier ein Versäumnis der Verwaltung: „Kommunikativ läuft aktuell viel falsch in der Stadt. Mit unserer Mitteilung wollten wir den Bürgerinnen und Bürgern die Angst nehmen, dass die Sportanlagen verkauft werden.“ Das sieht auch Grünen Fraktionsvorsitzender Kurt Bienert so. „Aus meiner Sicht war das ungeschickt und hat uns in eine unerfreuliche Lage gebracht, wobei vorher schon klar war, dass das nicht durchkommt.“
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Ohne das Einschreiten der Politik hätte die Stadt Ennepetal jedoch keine Veranlassung gesehen, klarzumachen, dass es sich bei den vorgeschlagenen Sportplatzschließung um etwas handelt, das keine Chance auf Umsetzung hat. „Der normale Ablauf wäre die Beratung der Vorschläge in den Fachausschüssen gewesen und anschließend eine Beschlussfassung im Hauptausschuss und Rat mit der Haushaltsverabschiedung“, heißt es aus dem Rathaus und weiter: „Aus Sicht der Verwaltung ist die Reduzierung von Sportflächen eine rechtlich mögliche Maßnahme, die von der GPA auch regelmäßig angemahnt wird. Insofern muss sie auch Gegenstand eines HSK-Entwurfs sein. Dass der Rat einen entsprechenden Beschluss wahrscheinlich nicht fassen wird, ändert daran nichts.“
Nun wird Tim Strathmann doch noch einmal Stellung beziehen, wenn die Politik zur Sitzung des Hauptausschusses zusammenkommt.