Ennepetal. Angst und Unsicherheit herrschen in Ennepetal bei der Dormakaba-Belegschaft. Betriebsrat und IG Metall haben klare Forderungen an die Chefetage.

Verunsicherung und Angst sind zwei Vokabeln, die die aktuelle Stimmungslage in der Belegschaft von Dormakaba recht treffend beschreiben, nachdem Finanzchefin Christina Johansson Anfang Juli der Belegschaft mitgeteilt hatte, dass allein an den deutschen Standorten mit Hauptsitz in Ennepetal netto 530 Vollzeitstellen im Rahmen des nächsten Restrukturierungsprozesses wegfallen sollen. Dies wurde im Rahmen einer Informationsveranstaltung am Dienstag, 26. September, sehr deutlich, die der Konzern-Betriebsrat gemeinsam mit der IG Metall von Ennepetal aus in sämtliche deutsche Standorte des schweizerischen Konzerns übertrug.

„Unser klares Ziel ist es, alle Arbeitsplätze zu erhalten“, verdeutlichen Dormakaba-Betriebsrats-Vorsitzender Jörg Kannapin und IG Metall-Generalbevollmächtigte Clarissa Bader im Nachgang der Veranstaltung auf Nachfrage dieser Zeitung. Ihr Vorwurf an die Konzern-Leitung: Die Fehler, die das Management im Laufe der vergangenen Jahre gemacht hat, werden nun auf dem Rücken der Belegschaft ausgetragen.

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In der Tat hatten die Personalien auf den Top-Entscheiderposten bei Dormakaba zuletzt keine lange Halbwertszeiten mehr. Oft nach nur wenigen Monaten werden Topmanager ausgetauscht oder gehen selbst. Aktuell wird Dormakaba seit knapp zwei Jahren vom Singapurer Jim-Heng Lee als CEO geführt, seit Ende 2022 ist die Schwedin Christina Johansson Finanzchefin bei der Nummer zwei in der Welt der Schließsysteme, die diese Position so gern verbessern würde.

Aktienkurs Jahre lang auf Talfahrt

Doch trotz verschiedener Zukäufe und immer neuer Transformationsprogramme rauschte der Aktienkurs während der vergangenen Jahre recht beständig in den Keller. Kratzte die Dormakaba-Aktie im September 2017 an den 1000 Schweizer Franken, war sie im November 2022 nur noch 312 Schweizer Franken wert, steht aktuell bei etwa 440 Schweizer Franken. Nicht zuletzt die Ankündigung, massiv Personal abzubauen, hatte dem Kurs einen Aufwärtstrend verpasst. Vermutungen werden in der Mitarbeiterschaft laut, der Abbau von Arbeitsplätzen inmitten von steigenden Renditen – die Bilanz für das Geschäftsjahr 2022/23 offenbart 8,4 Prozent organisches Wachstum – sei vor allem dem geschuldet, die Aktionäre glücklich zu machen.

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Die Maßnahmen umfassen unter anderem in Deutschland komplette Werkschließungen in Velbert, Bühl und Bad Berka. Am ehemaligen Dorma-Hauptsitz in Ennepetal sollen netto etwa 100 Vollzeitstellen wegfallen. Ein Plan, den die Arbeitnehmervertreter mit allen Mitteln verhindern wollen. „Wir kämpfen um jeden einzelnen Arbeitsplatz“, wiederholt der Vorsitzende des Betriebsrats seit Wochen immer wieder das klare Ziel der Belegschaft.

In dieser ist die Stimmung zwiegespalten. Auf der einen Seite, so sagt der Mitarbeitervertreter, gebe es diejenigen, die um ihre berufliche Zukunft bangen, weil sie möglicherweise keine großen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. „Auf der anderen Seite gibt es aber auch diejenigen gut ausgebildeten Fachkräfte, die sich bereits anderweitig umschauen, weil sie wissen, dass sie auf dem Markt gefragt sind und nicht weiter in dieser Unsicherheit arbeiten möchten“, sagt Jörg Kannapin.

Angst bei den Mitarbeitern

Diese Unsicherheit, das betont Clarissa Bader, entstehe vor allem dadurch, dass die Führungsriege um die neue Finanzchefin, die die Maßnahmen verkündet hatte, bislang zahlreichen Fragen unbeantwortet gelassen hat. Ebenso habe sie bislang keinen konkreten Plan verkündet, wann welche Bereiche wie betroffen sein werden. „Wir erstellen aktuell einen Fragenkatalog, mit dem wir auf die Arbeitgeberseite zutreten“, sagt Clarissa Bader.

Dorma-Betriebsratsvorsitzender Jörg Kannapin.
Dorma-Betriebsratsvorsitzender Jörg Kannapin. © WP | Klaus Bröking

Auch wenn aus der Erfahrung heraus die Chancen nicht herausragend gut stehen, die Entscheidung der Unternehmensspitze abzuwenden, wollen Betriebsräte und Gewerkschaft als erstes Alternativen erarbeiten, die ohne den Verlust hunderter Arbeitsplätze zu dem Gewinnmaximierungsziel führen. Die Hoffnung: Die Schweizer Entscheider sind von dem Alternativplan überzeugt und setzen diesen um, anstatt ihre Angestellten vor die Tür.

Sollte das auf kein Gehör treffen – die aktuellen Maßnahmen hatte das Top-Management mit der externen Hilfe von Unternehmensberatern ausgearbeitet – sei das oberste Gebot, den Arbeitsplatzabbau sozial verträglich zu gestalten. Heißt: Unter anderem würden Stellen, die durch Renteneintritt oder Kündigung frei werden, nicht mehr nachbesetzt.

Aktuell ist schwer zu greifen, wie es für die Menschen weitergeht, die noch an den Standorten arbeiten, die komplett geschlossen werden sollen und welche Auswirkungen die möglichen Personalrochaden am Ende auf den Standort in Ennepetal haben werden. „Es wird immer von einem Kompetenzzentrum gesprochen, das Ennepetal werden soll, aber was sich genau dahinter verbirgt, hat bislang niemand erläutert“, sagt Jörg Kannapin, der sich für die Mitarbeiter vor allem Klarheit wünscht. Mit dieser ist allerdings wohl frühestens in einigen Wochen zu rechnen, wenn die Konzernleitung möglicherweise den Fragenkatalog beantwortet hat.

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