Ennepetal. Anfang Juli kündigte der Dormakaba-Vorstand ein „Transformationsprogramm“ an. Seitdem warten die Mitarbeiter nicht nur in Ennepetal auf Details.
Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Dormakaba in Ennepetal und weltweit herrscht seit Wochen große Verunsicherung. Anfang Juli hatte die Leitung der Unternehmensgruppe ein tiefgreifendes Transformationsprogramm, sprich: Sparprogramm, angekündigt. Bis zum Geschäftsjahr 2025/2026 sollen demnach Kosten in Höhe von 170 Millionen Schweizer Franken (ca. 177 Millionen Euro) pro Jahr eingespart und netto etwa 800 Vollzeitstellen abgebaut werden (wir berichteten). Konkrete Pläne wurden allerdings nicht vorgestellt. Zunächst müssten die Verhandlungen mit den jeweiligen Arbeitnehmervertretern geführt und abgeschlossen werden, hieß es. Auch sechs Wochen nach der Ankündigung der Unternehmensleitung hängt die Belegschaft in der Luft. Am Dienstag nun will der Dormakaba-Vorstand in Düsseldorf den Betriebsräten sein Konzept genauer vorstellen.
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Als Christina Johansson, seit Ende vergangenen Jahres Finanzchefin (CFO) der Dormakaba Holding AG, Anfang Juli die Belegschaft in Ennepetal über die Restrukturierungspläne der Unternehmensgruppe informiert hatte, hinterließ sie nach Schilderungen aus der Belegschaft viele ratlose, zum Teil auch geschockte Menschen. Zwar hatte die Topmanagerin ausführlich über die Notwendigkeit gesprochen, Dormakaba zu stärken und Probleme endlich zu lösen, die man schon lange habe – wie sich das konkret auf den Standort Ennepetal und die anderen Dormakaba-Standorte in Deutschland auswirken werde, dazu sagte sie aber nichts. Nach der Fragerunde zum Abschluss des etwa eineinhalbstündigen „Townhall Meetings“ (sprich: der Präsentation der Geschäftsleitung) warteten dem Vernehmen nach noch mehr als 150 Fragen auf Beantwortung.
Klar ist: Nach der Fusion des Ennepetaler Familienunternehmens Dorma mit dem Schweizer Konzern Kaba zur Dormakaba-Gruppe sind die Unternehmensteile noch längst nicht zu einer Einheit verschmolzen. Das machte auch die Finanzchefin deutlich. Die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen müsse verbessert und das Gefühl, ein Team zu sein, entwickelt werden.
Auswirkung auf bis zu 1800 Stellen
Weitere Handlungsfelder gebe es bei der Produktion, wo die Zahl der Standorte reduziert werden soll, und bei der Beschaffung, die effizienter gestaltet werden müsse. Außerdem solle die Produktentwicklung stärker auf die Bereiche fokussiert werden, in denen man das größte Potenzial sehe. Ebenso gelte es, sich auf die Märkte zu konzentrieren, die die größten Wachstumschancen bieten. Nicht zuletzt müsse auch in den Bereichen Finanzen und Personal die Effizienz gesteigert werden. Insgesamt, so hatte Dormakaba mitgeteilt, würde sich die Nachschärfung des bereits 2022 gestarteten Programms „Shape for Growth“ (Kurz: „S4G“, auf Deutsch etwa „Zuschnitt für Wachstum“) auf bis zu 1800 Stellen auswirken. Die Unternehmensgruppe mit Sitz im schweizerischen Rümlang rechnet für die Umsetzung des Vorhabens mit einmaligen Kosten von 225 Millionen Schweizer Franken (224 Millionen Euro) und zusätzlichen Investitionen in Höhe von 100 Millionen Schweizer Franken (107 Millionen Euro) unter anderem im Bereich IT.
16.000 Mitarbeiter
Die Dormakaba Holding AG entstand 2015 aus der Fusion des Ennepetaler Familienunternehmens Dorma mit der Schweizer Kaba AG.
Dormakaba ist ist ein global führender Anbieter für Zutrittslösungen und hat weltweit etwa 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Etwa 1900 sind dem Standort Ennepetal zugeordnet.
Der Umsatz 2021/22 betrug 2,8 Milliarden Schweizer Franken, das entspricht etwa 2,9 Milliarden Euro.
Grundsätzlich, so hatte Christina Johansson erklärt, müsse Dormakaba sich stärker an den Kunden orientieren, das Wachstum beschleunigen, die Effizienz steigern und somit am Ende rentabler werden, um zukünftig im notwendigen Maße investieren zu können. Dormakaba habe sehr viel Potenzial, was seit Jahren nicht ausgeschöpft worden sei. Das Wachstum sei zuletzt allein durch höhere Preise erzielt worden, zugleich seien aber die Personalkosten gestiegen.
Zukünftig, so hatte die an der Schweizer Börse SIX notierte Unternehmensgruppe Anfang Juli mitgeteilt, strebe man ein organisches Umsatzwachstum von 3 bis 5 Prozent für jedes künftige Geschäftsjahr, eine Steigerung des Betriebsergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen um 16 bis 18 Prozent, die im Geschäftsjahr 2025/26 erreicht werden soll, sowie eine Kapitalrendite von mehr als 30 Prozent ab dem Geschäftsjahr 2025/26 an. Letztlich, so wurde der Dormakaba-Vorstandsvorsitzende Jim-Heng Lee in der Börsenmitteilung Anfang Juli zitiert, gehe es darum, „ein führender Anbieter in der Branche zu werden, der ein Wachstum über dem Marktdurchschnitt erzielt. Diese Anstrengungen werden Kapazitäten für weitere Wachstumsinvestitionen freisetzen und unsere Innovationsfähigkeit stärken. Letztendlich müssen wir besser werden, bevor wir größer werden.“
Details schuldig geblieben
Christina Johansson, der bei Ihrem Vortrag in Ennepetal die Führungskräfte von Dormakaba Deutschland, Thomas Ultsch, Markus Seeland und Mirja Becker, assistierten, ging hinsichtlich der Bereiche, auf die sich das Transformationsprogramm bezieht, weiter ins Detail. Aussagen darüber, wie sich das auf einzelne Standorte, Abteilungen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirken werde, traf sie aber nicht. Dass es überhaupt ein solches Programm geben werde, darüber hatte der Vorstand den Verwaltungsrat auch erst am Freitag, 30. Juni, nach Börsenschluss informiert. Am Montag, 3. Juli, hatte die Dormakaba Holding AG frühmorgens gemäß der Börsenvorgaben eine Ad Hoc-Mitteilung über das Vorhaben herausgegeben, erst danach den Betriebsrat und etwa zwei Stunden später die Belegschaft informiert.
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Im Anschluss an die Information durften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Fragen an die Finanzchefin stellen. Eine dieser Fragen habe gelautet, ob Dormakaba vielleicht nur für einen Verkauf hübsch gemacht werden solle. Sie habe darauf hin gesagt, so war aus der Belegschaft zu hören, dass es zwei Ankeranteilseigner (die Ennepetaler Dorma-Gründerfamilie Mankel und die Schweizer Kaba-Gründerfamilie Bauer, d. Red.) gebe, deren Bereitschaft, ihre Anteile zu verkaufen, „sehr klein“ sei. Eine weitere Frage wurde vor dem Hintergrund gestellt, dass Dormakaba in den vergangenen Jahren schon mehrfach Umstrukturierungsprozesse angestoßen, aber nie bis zum Ende durchgezogen hatte: „Warum soll denn dieses Programm erfolgreich sein?“ Die Frage sei berechtigt, habe Christina Johansson geantwortet. Aber was sei die Alternative?