Ennepetal. Die aktuelle Bilanz von Dormakaba überraschte – vor allem nach dem angekündigten massiven Stellenabbau. Auch gibt es einen neuen Großaktionär.

An der Börse sorgten die Zahlen, die die Dormakaba Holding AG am Donnerstag vorlegte, für einen Kurssprung von mehr als zehn Prozent. Die deutsch-schweizerische Unternehmensgruppe, die ihre Deutschlandzentrale in Ennepetal hat, legte die Bilanz für das Geschäftsjahr 2022/2023 vor. Ein organisches Umsatzwachstum von 8,4 Prozent auf 2,85 Milliarden Schweizer Franken (2,98 Milliarden Euro), das zum größten Teil auf gestiegenen Preisen basiert, einen Konzerngewinn von 88,5 Millionen Schweizer Franken (92,4 Millionen Euro) und eine Umsatzrendite von 13,5 Prozent – das sind die Eckdaten der Bilanz, die Anleger offenbar positiv überraschte. In Teilen der Belegschaft wurde das gute Ergebnis, das unter schwierigen Bedingungen erzielt wurde, ebenfalls überrascht aufgenommen – schließlich hatte die Geschäftsleitung vor wenigen Wochen einen drastischen Stellenabbau angekündigt.

Das Ergebnis entspreche den Prognosen und sei „durch eine stärkere und robuste Performance im zweiten Geschäftshalbjahr (das Geschäftsjahr bei Dormakaba geht vom 1. Juli bis zum 30. Juni, Anm. d. Red.) sowie Verbesserungen in allen Vertriebsregionen unterstützt worden“, heißt es vonseiten des Unternehmens. „Preisrealisierung, striktes Kostenmanagement, Beschaffungsoptimierung und stabiles Volumenwachstum (insbesondere auf dem US-Markt) trugen zu der positiven Entwicklung und einem stärkeren zweiten Halbjahr bei.“ Externer Gegenwind – darunter die Kosteninflation in Europa, die hohe Personalfluktuation in den USA und der Abbau von Lagerbeständen in der Lieferkette der Bauindustrie – habe die Profitabilität beeinträchtigt und ein noch höheres organisches Wachstum verhindert. Dormakaba kündigte eine Dividende von 9,50 Schweizer Franken je Aktie an (Vorjahr: 11,50 Schweizer Franken).

800 Vollzeitstellen sollen eingespart werden

„Dieses gute Ergebnis zeigt, wie die effektive Umsetzung unserer Strategie und Transformation es uns ermöglicht, unsere Leistung sequenziell zu verbessern“, erklärte Dormakaba-Vorstandschef Jim-Heng Lee. „Wir haben unsere Wachstumsziele übertroffen und unsere gesteigerte Profitabilität in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2022/23 entsprach unseren Erwartungen. Wir werden unsere Bemühungen um profitables Wachstum weiter intensivieren, damit wir Kapazitäten für weitere Investitionen in die Marktentwicklung und die Verbesserung unserer Innovationsfähigkeit freisetzen können.“

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Noch keine Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis hatte das geplante neue „Transformationsprogramm“. Dieses hatte Dormakaba Anfang Juli, unmittelbar nach Ende des Geschäftsjahres 2022/2023, angekündigt. Die Geschäftsleitung will durch Umstrukturierungsmaßnahmen und einen massiven Stellenabbau ab 2025/2026 jährlich etwa 170 Millionen Euro einsparen. Angestrebt würden ein organisches Umsatzwachstum von 3 bis 5 Prozent, die Steigerung der Umsatzrendite auf 16 bis 18 Prozent und eine Kapitalrendite von mindestens 30 Prozent. Insbesondere plant Dormakaba eine Straffung der Produktionsstruktur, eine Reduzierung der Anzahl der Zulieferer, eine Optimierung des Einkaufs, eine stärker fokussierte Produktentwicklung und eine Standardisierung von Abläufen, nicht zuletzt durch Investitionen im IT-Bereich. Die Maßnahmen würden nach Unternehmensangaben etwa 1800 Stellen betreffen. Durch Einstellungen in anderen Bereichen sei unter dem Strich der Abbau von 800 Vollzeitstellen vorgesehen.

Teile der Türschließer-Produktion nach Singapur

Klar ist inzwischen, dass der bei weitem größte Teil des Stellenabbaus mit netto 530 Vollzeitstellen Deutschland betrifft. Hier sollen Werke in Bühl, Bad Berka und Velbert geschlossen werden und auch am ehemaligen Dorma-Hauptsitz in Ennepetal sollen netto etwa 100 Vollzeitstellen wegfallen. Jüngst erfuhren die Mitarbeiter in Ennepetal davon, dass Teile der Türschließer-Produktion nach Singapur verlegt werden sollen. Bei der Präsentation der Geschäftszahlen in Zürich gaben Jim-Heng Lee und Finanzchefin Christina Johansson, die seit Ende 2022 für Dormakaba tätig ist, keine weiteren Details preis. Johansson betonte allerdings erneut, dass Dormakaba zu fragmentiert sei. Man wolle die Unternehmensgruppe konsolidieren. „Wir haben versucht, zu viel gleichzeitig zu machen“, sagte sie. „Und wir müssen gemeinsam mehr in eine Richtung arbeiten.“ Die größte Herausforderung sei es, die Unternehmenskultur zu verändern.

Im Zusammenhang mit der Präsentation der Dormakaba-Geschäftszahlen berichtete die Neue Züricher Zeitung (NZZ) am Donnerstag darüber, dass mit dem Milliardär Thomas Schmidheiny, der zu den reichsten Schweizern zählt, ein neuer Großaktionär eingestiegen sei. Mit seiner Investmentgesellschaft „Spectrum Entrepreneurial Ownership“ (SEO) habe er inzwischen mehr als acht Prozent der Dormakaba-Aktien erworben, heißt es in dem Bericht. „Mit dem Hersteller von Türschlössern aus Rümlang scheint Schmidheiny bei einem Unternehmen fündig geworden zu sein, dessen Aktionäre den Einstieg eines Investors von seinem Schlag regelrecht herbeigesehnt haben. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Spectrum Entrepreneurial Ownership als aktivistischer Investor versteht“. Sprich: der Investor wolle sich in den Unternehmen, an denen er beteiligt ist, aktiv einbringen. Die Zeitung zitiert Dormakaba-Vorstandschef Jim-Heng Lee mit den Worten: „Wir haben mit ihm einen sehr seriösen Investor. Er will, dass Dormakaba Erfolg hat.“ Das sei höflich formuliert, kommentiert die NZZ. „Man könnte den Einstieg des aktivistischen Investors auch dahingehend interpretieren, dass ihn die Firma mit jahrelangem Missmanagement geradezu provoziert hat.“

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