Gevelsberg. Die Kirche St. Engelbert in Gevelsberg ist leergeräumt. Die Gemeinde erlebt nun ihren ungewöhnlichsten Gottesdienst.
Nanu, was ist denn hier los? Das haben sich einige Kirchenbesucher beim Werktagsgottesdienst in dieser Woche in St. Engelbert in Gevelsberg gefragt. Denn der Kircheninnenraum präsentierte sich ganz anders als sonst – nämlich leer. „Wo sind denn die Bänke hin?“, fragten einige erschrocken. „Wir erleben eine Premiere, denn es ist der erste Gottesdienst in der leergeräumten St.-Engelbert-Kirche“, begrüßte Pastor Martin Stais die Gläubigen, die es an diesen Morgen nicht so recht glauben wollten.
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Lektorin Petra Exner (74) war die ersten, die an diesem Morgen die Kirche betritt und wagte, nach kurzer Verwunderung, ein paar Tanzschritte im großen Kirchenschiff. „So viel Platz“, sagte sie. Als sie eifrig schon einige Stühle für die Besucher hinstellen wollte, winkte Pastor Martin Stais schnell ab. „Jeder soll sich selbst einen Stuhl nehmen und den so hinstellen, wie er es möchte“, erklärte er. Doch was steckt dahinter?
Noch Anfang Juni wurde in Liebfrauen an der Hagener Straße der letzte Gottesdienst gefeiert. Die Kirche wird aus finanziellen Gründen im Zuge des Pfarreientwicklungsprozesses verkauft. Wie bereits berichtet, entstehen dort Wohnungen für Menschen mit Behinderung und ein neuer Kindergarten. Für die Gemeinde in Liebfrauen sowie die italienische Gemeinde bedeutet das, dass sie künftig in St. Engelbert Gottesdienste feiern werden.
Wie kann man also eine Kirche, die neue Heimat für weitere Gemeindemitglieder werden soll, so einladend gestalten, dass sich jeder neu einfinden kann? „Indem man die Kirchenbänke raus räumt“, sagt Pastoralreferentin Claudia Buskotte lachend, die das Konzept in der Arbeitsgruppe Liebfrauen/St. Engelbert mit erarbeitet hat.
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Dann erklärt sie weiter: „Ein leerer Raum lässt viele neue Ideen zur Gestaltung entstehen. Man wird nicht so sehr vom bisherigen geprägt. Das ist sehr hilfreich, denn der Raum soll zukunftsorientiert gestaltet werden, aber auch so, dass sich beide Gemeindeteile wiederfinden und wohlfühlen.“.
Leere Kirche
Zukunftsorientiert meint dabei, variabel für unterschiedliche Gottesdienstformen und unterschiedliche Zielgruppen. Eine Hochzeitsgesellschaft möchte womöglich anders sitzen als eine Kindergarten-Gruppe.
„Bleibt das jetzt für immer so“, war eine häufige Frage bei den älteren Gottesdienstbesuchern in der Werktagsmesse. Dabei handelt es sich zunächst um einen Versuch, um zu schauen, wie die Reaktionen sind, wie es das Feiern in der Kirche, das Wahrnehmen des Kirchenraums verändert. Bis zum Ende der Sommerferien wird die Kirche St. Engelbert zum Erprobungs- und Erfahrungsraum. Und eine neue Erfahrung war es für die ersten Gottesdienstbesucher im leeren Raum auf jeden Fall. Man spürte Widerstand gegen das Neue, aber auch Begeisterung. Am Montagabendfeierten bereits Ehrenamtliche der Propstei St. Marien in der leeren Kirche einen Danke-Abend. Dafür wurde dann kurzerhand eine lange Tafel inmitten des Kirchenschiffes aufgebaut. „Viele waren überrascht, wie hell und freundlich der Raum wirkt, obwohl die Wände längst nicht mehr strahlendweiß sind“, berichtete Claudia Buskotte von dem Abend.
Große Leere ist eine Chance
Interessant auch, dass sich die Besucher der Werktagsmesse automatisch im Halbkreis um den mittig platzierten Altar gesetzt haben, „sie hätten ja auch einen Stuhlkreis machen können“, sagte Pastor Martin Stais lachend. „Dafür saßen aber alle ganz nah beieinander, so intim und gemütlich ist es selten, da sich die Gottesdienstbesucher ja meist in den Kirchenbänken verteilen und die ersten Reihen sowieso leer bleiben“, fügte Stais hinzu.
In seiner Predigt lud er die Gemeinde ein, sich auf neue Wege zu begeben und den eigenen Glauben neu zu entdecken, weg von ritualisierten Gewohnheiten: „Eine große Leere bietet Gelegenheit, sie neu zu füllen.“
Die gesamten Sommerferien wird die Kirche St. Engelbert leergeräumt bleiben. Die Kirchenbänke stehen in der Zwischenzeit in der geschlossenen Liebfrauenkirche. Für die Gottesdienstbesucher stehen in St. Engelbert Stühle zur Verfügung, aber jeder Besucher ist auch dazu eingeladen, seinen eigenen Stuhl mitzubringen, zu stehen oder mit einem Kissen auf der Erde zu sitzen.
Es wird Chorproben in der leeren Kirche geben. Als nächstes lädt die Schola Liebfrauen zur offenen Probe am Freitag, 16. Juni, um 19 Uhr in die Engelbertkirche an der Rosendahler Straße ein, um die leergeräumte Kirche optisch und akustisch neu zu entdecken. Besucher sind nicht nur zum Zuhören, sondern auch zum Mitsingen eingeladen