Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Kein Aspirin, kein Ibuprofen, keine Medikamente. Am 14. Juni haben fast alle Apotheken dicht. Hier bekommen Sie im Notfall noch was.

Wer am kommenden Mittwoch dringend Medikamente braucht, der ist eher aufgeschmissen. Denn alle Apotheken in Schwelm und Ennepetal sind am 14. Juni geschlossen. Der Grund: Ein bundesweiter Protesttag. Katrin Hackbarth, Apothekerin und Inhaberin der Märkischen Apotheke in Schwelm, erzählt, warum es zu der Entscheidung kam und verrät auch, wo Menschen in der Not noch Medikamente bekommen.

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„Ich spreche hier für alle Apotheker aus Schwelm“, stellt Katrin Hackbarth zu Beginn klar. Nach Rücksprache mit den verschiedenen Apothekern der Kreisstadt weiß sie, dass hier am 14. Juni alle beim Protesttag mitziehen. Und auch in Ennepetal und Gevelsberg sei das der Fall, sagt die Schwelmerin auf Nachfrage. „Wir haben hier auch erst überlegt, ob wir nicht alle zwei Stunden auf machen, oder wenigstens durch die Notluke bedienen“, berichtet die Inhaberin der Märkischen Apotheke. Doch letzten Endes habe man sich dafür entschieden, wie vom Apothekerverband gefordert, einen kompletten Protesttag einzulegen.

Gerne und mit Freude legt die leidenschaftliche Apothekerin ihre Arbeit am kommenden Mittwoch jedoch nicht nieder. Ganz im Gegenteil. „Für meine Kunden tut mir das natürlich leid“, sagt sie. Doch es muss sein, betont Hackbarth.

Laut der Schwelmer Apothekerin sei es das erste Mal überhaupt, dass Apothekerinnen und Apotheker schließen und protestieren. Der Grund dafür basiert nicht nur auf jüngsten Ereignissen, es sind viele Aspekte, die der Apothekerverband Westfalen-Lippe nennt, als er Beschäftigte bundesweit dazu aufruft, am 14. Juni die Arbeit nieder zu legen.

Extreme Lieferengpässe

Die aktuelle Situation ist in Apotheken nach wie vor schwierig. Grund dafür sind unter anderem die Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Katrin Hackbarth hatte bereits vor geraumer Zeit in einem Gespräch mit der Redaktion über dieses Problem berichtet. Damals waren es vor allem Säfte für Kinder wie Paracetamol oder Ibuprofen. Aber auch Zäpfchen zählten zu Mangelware. Daher entschied Hackbarth gemeinsam mit ihrem Team, diese Medikamente selbst herzustellen. Das mache sie auch nach wie vor. Doch diese Säfte und Zäpfchen selbst herzustellen, bedeutet für die Mitarbeiter einen hohen Zeitaufwand. „Und damit können wir eben auch nicht alle versorgen“, betont die Schwelmerin weiter. Das Problem sei in der vergangenen Zeit nicht besser geworden. Ganz im Gegenteil. Mittlerweile fehlen den Apotheken neben Paracetamol und Ibuprofen auch immer wieder alle Arten Antibiotika, Antidepressiva, Schmerzmittel. Extreme Lieferengpässe gibt es derzeit zudem auch bei lebensnotwendigen Medikamenten wie Insulin, weiteren Diabetes- und sogar bei Krebs-Medikamenten. „Oftmals haben wir die Medikamente dann in anderen Dosierungen hier oder können sie anders dosiert bestellen“, sagt die Apothekerin. Doch genau hier ist das nächste Problem: Eine Änderung der Dosierung darf nur in Absprache mit dem Arzt und einem entsprechend abgeänderten oder aber neuen Rezept erfolgen. „Das ist ein riesiges Prozedere“, berichtet Katrin Hackbarth. Denn der Kunde habe meist keine Zeit so lange zu warten, bis die Apotheke die Praxis erreicht hat. So rufen Katrin Hackbarth und ihr Team also zunächst den Arzt an, müssen dann ein neues Rezept abholen und bringen das Medikament anschließend noch zum Kunden. „Wir wollen ja helfen, das ist schließlich unser Job“, betont sie weiter. Doch sie – und die vielen anderen Apotheker – wünschen sich schlichtweg mehr Spielraum. Jeder Apotheker habe ein Studium absolviert, sei absoluter Experte auf seinem Gebiet. „Eigentlich ist es ja so, dass der Arzt der Fachmann für die Diagnose ist und wir der Fachmann für die Arzneimittel“, erklärt die Inhaberin der Märkischen Apotheke.

Katrin Hackbarth, Inhaberin Märkische Apotheke Schwelm.
Katrin Hackbarth, Inhaberin Märkische Apotheke Schwelm. © WP | Sophie Beckmann

Für den Mehraufwand, der vor allem durch die Lieferengpässe entsteht, fordern die Apotheker daher nun eine Aufwandspauschale. Es dauere mitunter eine Stunde, einen Engpass zu managen, erklärt sie. Gesundheitsminister Lauterbach hatte daher eine Aufwandspauschale in Höhe von 50 Cent zugesagt. „Das ist wirklich eine Frechheit“, sagt Katrin Hackbarth klar und deutlich. Ihr sei durchaus bewusst, dass man die Aufwandspauschale nicht am Gehalt messen könne, doch man müsse sich irgendwo treffen. 50 Cent würden gerade einmal die Kosten von 24 Sekunden der Arbeitszeit eines approbierten Apothekers decken.

Anpassung der Vergütung

Hinzukomme die allgemeine Vergütung. Diese sei für öffentliche Apotheken reguliert. Die Leistung der Apotheken müsse auskömmlich honoriert werden, fordert auch die Schwelmerin. Zur Erklärung: Der Apothekenabgabepreis einer verschreibungspflichtigen Packung errechnet sich aus einem Festzuschlag von drei Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis zuzüglich 8,35 Euro pro Packung. Diese 8,35 stehen seit 2013 fest. Von 2003 bis 2013 lag dieser bei 8,10 Euro. „In den vergangenen zehn Jahren wurde also nichts erhöht. Und auch davor waren es nur ein paar Cent. Das muss sich ändern“, betont sie. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Vergütung durch einen sogenannten Zwangsrabatt, den die Apotheken an die Krankenkassen abführen müssen, reduziert wird. Im Februar 2022 wurde dieser von 1,77 Euro auf 2 Euro erhöht (befristet für zwei Jahre). „Damit ist die Vergütung noch einmal gekürzt worden, das belastet eine durchschnittliche Apotheke mit 5000 bis 7000 Euro.“ Gleichzeitig, so betont Hackbarth, steigen aber auch für Apotheker – wie für alle anderen Menschen – jegliche Kosten.

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„Bis Apotheker etwas sagen, dauert es wirklich, aber jetzt ist das Maß einfach voll“, sagt die Schwelmer Apothekerin klipp und klar. „Ich bin wirklich ein friedlicher Mensch und ich liebe meinen Job, aber auch mir reicht es.“ Neben den genannten Schwierigkeiten gibt es noch zahlreiche weitere. Die Pandemie habe Apotheken vor eine riesige Herausforderung gestellt, was oftmals unter den Tisch gekehrt werde, so Hackbarth. Hinzu kommen die Bürokratie, die Rabattverträge mit Krankenkassen und vieles mehr. „Es muss etwas passieren.“

Auch die Klutert Apotheke ist am Mittwoch dicht.
Auch die Klutert Apotheke ist am Mittwoch dicht. © WP | Hartmut Breyer

Und genau das wünschen sich die Apotheker, sie hoffen, dass ihr Protesttag etwas bewirkt. Doch wer am kommenden Mittwoch plötzlich Medikamente benötigt, steht nicht ganz im Regen. Allerdings müssen vor allem Ennepetaler und Schwelmer eine längere Fahrt auf sich nehmen. Denn die Notdienstapotheken, die die einzigen sind, die am 14. Juni geöffnet haben, befinden sich in Hagen-Haspe, in Wuppertal-Elberfeld, in Wuppertal-Barmen und in Gevelsberg. Eine andere Möglichkeit wird es an diesem Tag nicht geben. „Wir haben ja auch den Druck der Kunden, wir wollen ja helfen, aber uns sind die Hände einfach gebunden. Das muss sich ändern.“

>>>INFO: Diese Apotheken haben im Umkreis von Schwelm, Ennepetal und Gevelsberg am Protesttag (Mittwoch, 14. Juni) Notdienst:

Am bundesweiten Protesttag, 14. Juni, haben folgende Apotheken Notdienst:

Glocken-Apotheke, Wichlinghauser Straße 110/112, 42277 Wuppertal-Barmen, 0202/662743

Linden-Apotheke, Berchemallee 122, 58285 Gevelsberg, 02332/60690

Hubertus-Apotheke, Kölner Straße 10, 58135 Hagen-Haspe, 02331/43682

Markt-Apotheke, Gathe 92, 42107 Wuppertal-Elberfeld, 0202/451543