Gevelsberg. Susanne Schumacher verabschiedet sich aus der Gevelsberger Innenstadt. Die Buchhandlung Appelt hat sie verkauft.

Eigentlich habe sie diesem Tag entgegengefiebert, als sie die Entscheidung für sich traf, ihren Laden abzugeben. Jetzt ist er da. 33 Jahre stand Susanne Schumacher für die Buchhandlung Appelt, hat Generationen von Lesefreunden mit der richtigen Lektüre versorgt. Am Mittwoch, 31. Mai, ist sie das letzte Mal in dem Geschäft in Gevelsberg, das sie von Rudolf Appelt übernahm. Es ist nun nicht mehr ihr Laden. Doch die Geschichte der Buchhandlung wird weiter geschrieben. „Der Laden an der Mittelstraße bleibt erhalten, ebenso wie der Name, auch das Team bleibt“, das war ihr Ziel. Und doch: „Der Abschied fällt so unendlich schwer.“

Sie weiß noch ganz genau, wie sie nach Gevelsberg kam. Eine Kollegin schwärmte von dem Gevelsberger Buchhändler Rudolf Appelt und seinem Laden. Susanne Schumacher hatte ihre Lehre in Hagen beendet, und weil ihre Buchhandlung aufgab, landete sie im Großhandel. Das war nicht ihr Ding, „das war wie im Call-Center“, sagt sie. Sie wollte nicht nur Bestellungen aufnehmen, sie wollte mit Menschen über Bücher reden.

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1989 arbeitete sie zwei Wochen zur Probe in Gevelsberg. Es passte nicht. „Rudolf Appelt und ich haben uns nicht so gut verstanden“, sagt sie. Er, der nüchterne Belesene, sie die Frau, die von Büchern schwärmt. „Mein Mann sagt immer, dass ich zu viel über die Bücher verrate, aber das mache ich nicht. Man muss doch wissen, was man liest“, sagt sie und lacht. Einige Wochen später rief Appelt an und holte sie zurück nach Gevelsberg, dieses Mal auf Dauer, dieses Mal hat es gepasst. Das war 1990.

Seit 1990 im Team

Als Heike Dember das Geschäft von Rudolf Appelt pachtete, das sei so 1998 gewesen, da war Susanne Schumacher noch nicht so weit, den Laden zu übernehmen. „Die Kinder waren noch nicht aus dem Gröbsten raus“, sagt sie. Einige Jahre zog sie sich zurück, kümmerte sich um die Familie. 2009 änderte sie ihre Meinung und kaufte die Buchhandlung Appelt. Sie hat es nie bereut, selbstständige Buchhändlerin zu sein. „Es ist der schönste Beruf der Welt.“

Sie erzählt von dem Buch „Das Lavendelzimmer“, dort gibt es einen Buchhändler, der ein Bücherschiff betreibt, eine Art literarische Apotheke. „Das drückt gut aus, was man in diesem Beruf zu tun hat“, sagt Susanne Schumacher. Man findet für jeden das Buch, das er braucht. „Vor allem Frauen lassen sich gerne beraten, Männer lassen sich eher von Covern inspirieren.“ Gefragt wird nur, wenn es ein Geschenk sein soll.

„Wenn man über Bücher spricht, dann wird man auch schnell persönlich“, sagt Susanne Schumacher. Sie habe viele Menschen kennengelernt, es sind Freundschaften entstanden. So ist das mit Büchern. „Ich habe viele Gevelsbergerinnen und Gevelsberger aufwachsen sehen“, sagt sie. Erst beriet sie die kleinen Leseratten in der Kinderbuchabteilung. Und jetzt kommen sie mit ihren eigenen Kindern wieder. Oder mit einem Blumenstrauß, wie der junge Familienvater, der für all die Jahre und guten Bücher, die sie ihm empfahl, Danke sagen wollte. Sie sei dankbar für all die Wertschätzung, die vielen Gespräche und die lieben Worte, doch das mache es ihr auch schwer, sich zu verabschieden. Sie freut sich auf die Zeit mit ihren vier Enkeln und auf das, was nun vor ihr liegt.

Nachfolge gesichert

Ob sie ihre Entscheidung bereut hat, ihren Laden zu verkaufen? Nur ein bisschen, sagt sie und erzählt von den Tagen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. „Ich habe Panik bekommen“, sagt sie. Die Preise stiegen, sie musste mehr an die Großhändler zahlen, von einem auf den anderen Tag, die Umsätze brachen ein. „Wie soll das nur weitergehen?“, habe sie sich gedacht und hatte den Wunsch, die Reißleine zu ziehen. Nun hat sie an die B-Service GmbH verkauft, ein Unternehmen, das auf der eigenen Homepage schreibt: „Unser Ziel ist es, den Erhalt des lokalen Buchhandels nachhaltig zu sichern.“

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Susanne Schumacher hat ein gutes Gefühl. Die Übermacht von Thalia und Co. sei groß, doch mit den neuen Eigentümern sieht sie eine gute Perspektive für die Gevelsberger Buchhandlung, an der ihr Herz so hängt. Für die Kundinnen und Kundinnen ändere sich nichts. Der Name Appelt bleibt und ihre Mitarbeiterin Daniela Funke übernimmt den Laden. Ihre Stelle wird nachbesetzt. 2021 feierte die Buchhandlung Appelt 40-jähriges Bestehen. Sie ist sich sicher: Viele weitere besondere Momente in Gevelsberg werden folgen.

Neue Aufgabe in Hagen

Ganz will Susanne Schumacher Gevelsberg aber nicht verlassen. Sie bleibt Vorsitzende von Mentor – den Leselernhelfern und fühlt sich der Stadt verbunden. „Die Offenheit der Menschen und der Wille, sich einzubringen, sind hier besonders.“ Jahrelang war sie im Vorstand von Pro City, wirkte mit an dem Wandel, den die Innenstadt erlebte. „Als ich bei Appelt anfing, fuhren hier noch dicke Brummis vorbei, vor der Tür war eine Verkehrsinsel, ohne diese kam man kaum über die Mittelstraße.“ Das war in Zeiten, als es noch Kassetten gab.

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Im August wird sie 63. So ganz in den Ruhestand verabschieden will sich Susanne Schumacher aber noch nicht. „Ich schleiche aus“, sagt sie und lacht. Sie wird zukünftig einen Teilzeitjob im Hagener Freilichtmuseum übernehmen, im Shop. „Dort werde ich weiter etwas mit Büchern zu tun haben.“ Ohne geht es eben nicht. Ihr letzter Buchtipp an die Gevelsbergerinnen und Gevelsberger: „Man sollte das Lesen, was einem Spaß macht, und nicht, was irgendein Literaturpapst einem sagt. Auch der Blick auf die Bestsellerlisten sei nicht alles, da gehe es um reine Verkaufszahlen und nicht um den Inhalt. „Wenn einem nach triefenden Schmalz ist, dann sollte man sich dem auch hingeben.“ Es gebe eigentlich kein Buch, das nicht lesenswert ist, sagt sie. Jeder sollte nur die richtige Geschichte für sich finden.