Gevelsberg. Vor einem Jahr erst eröffnete das Seniorenheim in Gevelsberg. Jetzt ist die Betreiberin in finanzielle Schieflage geraten. Was das bedeutet.

Diese Nachricht sorgt für Aufregung und massive Ängste im Seniorenheim an der Feverstraße: Die Doreafamilie hat als Betreiberin ein Insolvenzverfahren in Eigenregie eingeleitet. Wird das Heim in Gevelsberg bereits ein Jahr nach der Eröffnung schließen? Müssen sich die Seniorinnen und Senioren eine neue Bleibe suchen? Wie geht es mit der Einrichtung weiter? Ein Unternehmenssprecher erklärt auf Nachfrage dieser Zeitung, dass niemand ausziehen müsse. „Der Betrieb läuft weiter, und auch alle Leistungen werden weiterhin erbracht.“ Doch entscheidend ist, was nach dem Insolvenzverfahren passiert. Und was bedeutet das für die Bewohner in Gevelsberg? Viele Fragen sind noch ungeklärt – und das sorgt für Verunsicherung.

Was bedeutet eine Insolvenz in Eigenregie?

Offiziell hat die Doreafamilie vor etwa zwei Wochen beim Amtsgericht in Berlin-Charlottenburg einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung eingereicht. Dieser Weg ist freiwillig und nur dann möglich, wenn noch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Ziel ist die finanzielle Sanierung des Unternehmens.

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„Die Möglichkeiten des Schutzschirmverfahrens verschaffen uns eine Atempause, in der die Konsolidierung angegangen werden kann“, erklärt der Unternehmenssprecher. In der Praxis bedeutet das, dass die Löhne und Gehälter aller Beschäftigten drei Monate lang, bis einschließlich Juni, durch die Bundesagentur für Arbeit übernommen werden. Das sorgt für finanziellen Spielraum und auch mehr Möglichkeiten in den Verhandlungen mit den Gläubigern. Das Gericht überwacht das Verfahren und muss am Ende dem aufgestellten Konsolidierungsplan zustimmen.

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Zur Erklärung: Bei einem Insolvenzverfahren in Eigenregie leitet nicht ein Insolvenzverwalter das Verfahren, sondern die bisherige Geschäftsführung. Sie behält dabei auch die unternehmerische Verantwortung. Zusätzlich wird dem Unternehmen ein Sanierungsexperte zur Seite gestellt.

Es laufe auf zwei Szenarien hinaus, erklärt der Dorea-Sprecher: Denkbar sei ein Vergleich mit den Gläubigern oder eine Investorenlösung, das heißt der Verkauf einzelner Häuser an andere Betreiber.“ Aktuell sei noch alles ergebnisoffen. „Wir gehen aber davon aus, dass es eine Lösung gibt, dass es nach der Konsolidierung für die Doreafamilie weiter geht.“

Die Geschäftsführung wird in den nächsten Wochen einen Restrukturierungsplan ausarbeiten und den Gläubigern und dem Gericht vorlegen. Wenn diese dem Plan zustimmen, kann der Plan im eröffneten Verfahren umgesetzt werden. Mit der Verfahrenseröffnung ist voraussichtlich Anfang Juli zu rechnen.

Zum Hintergrund

Die Doreafamilie gehört zu den größten Anbietern von Pflege-Dienstleistungen in Deutschland und betreibt 76 stationäre Einrichtungen, neun ambulante Dienste und betreut etwa 7500 Menschen, überwiegend in der Altenpflege. Insgesamt sind nach eigenen Angaben etwa 5500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt.

Die Einrichtung in Gevelsberg wurde im April 2022 eröffnet. Es gibt dort 80 Einzelzimmer in der vollstationären Pflege (die Einrichtung ist voll belegt), 52 Wohnungen, die ambulant betreut werden, und 20 Plätze in der Tagespflege. Spatenstich war im August 2020. Investor Carestone errichtete als Projektentwickler auf dem 13.000 Quadratmeter großen Grundstück auf der ehemaligen Jeco-Fläche mehrere Gebäudekomplexe, die von Dorea betrieben werden. Es besteht ein langfristiger Pachtvertrag. In Gevelsberg sind 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Was bedeutet das für die Heimbewohner in Gevelsberg?

„Uns ist bewusst, dass die Bewohner verunsichert sind und wir stehen deshalb in engen Gesprächen mit dem Bewohnerbeirat, um Fragen zu klären und Sorgen auszuräumen“, erklärt der Unternehmenssprecher. „Uns war wichtig, die Restrukturierung von Anfang an aktiv und transparent zu kommunizieren. Das haben wir getan, und das ist auch gut aufgenommen worden. An der Stelle ein großes Kompliment an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das umgesetzt haben: Gerade unsere Einrichtungsleitungen und die Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben natürlich in der Anfangsphase eine Vielzahl von Gesprächen geführt und Fragen beantwortet. Dadurch ist sehr schnell wieder Ruhe eingekehrt und wir konnten uns auf das Tagesgeschäft konzentrieren.“

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Wie es nun weiter geht? Entweder werde das Haus von der Doreafamilie weiterbetrieben oder an andere Betreiber verkauft. Von einer Schließung sei derzeit nicht auszugehen.

Was sind die Gründe für die finanzielle Schieflage?

Gestiegene Kosten für Energie, Miete und Material hätten das Unternehmen in finanzielle Schieflage gebracht. „Diese teils massiven Kostensteigerungen sind in den jährlich mit den Pflegekassen ausgehandelten Budgets nicht vorgesehen und können aus den laufenden Einnahmen nicht refinanziert werden“, heißt es in einer schriftlichen Mitteilung des Unternehmens weiter. Zuvor hätten bereits die Folgen der Corona-Pandemie die gesamte Branche stark belastet und finanzielle Rücklagen aufgezehrt. Durch die Pandemie bedingt seien die Auslastung und damit die Einnahmen in vielen Häusern stark gesunken – bei gleichbleibenden beziehungsweise aufgrund der Vorhaltung der erforderlichen Schutzmaßnahmen gestiegenen Kosten.

Das sagt der Sanierungsberater

Für die Dauer der Restrukturierung wird die Doreafamilie von der Rechtsanwaltskanzlei Wellensiek begleitet. „Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hat die Gruppe einen gesunden Kern. Hinzu kommen regelmäßig Bestnoten der Medizinischen Dienste der Krankenkassen für die Pflegequalität und ein guter Ruf unter Pflegekräften als Arbeitgeber“, betonte Sanierungsexperte Prof. Dr. Markus Stadler von der Kanzlei Wellensiek. „Das sind gute Voraussetzungen dafür, dass die Doreafamilie aus dem Schutzschirmverfahren als neu aufgestelltes und wirtschaftlich gesundes Unternehmen hervorgehen wird.“