Gevelsberg/Wetter/Hagen. In Kitas, Demenz-WGs und der Oberlinschule gilt für einen Teil der Angestellten der Ev. Stiftung Volmarstein ein niedriger Ost-Tarifvertrag.

„Lieber so als gar keinen Job“, sagt die Integrationshelferin, die bei der Evangelischen Stiftung Volmarstein angestellt ist. Sie möchte aus Angst um ihre Arbeitsstelle unerkannt bleiben, als sie ihren Arbeitsvertrag zeigt. Der offenbart: Sie wird nach dem Tarifvertrag des Diakonischen Werks Mecklenburg-Vorpommern bezahlt. Selbst in ihrer Eingruppierung, die sich sehr weit am unteren Ende der Gehaltstabelle befindet, verdient sie auf eine Vollzeit-Stelle gerechnet fast 300 Euro brutto pro Monat weniger als Angestellte, die nach diakonischem NRW-Tarif bezahlt werden.

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Nicht anders sieht es bei Helfern in den Demenz-WGs der Stiftung wie dem Hans-Grünewald-Haus aus. Und auch die Erzieherinnen in der Gevelsberger Kita „Blauer Planet“ haben den Ost-Tarif im Arbeitsvertrag vermerkt. Markus Bachmann, Alleinvorstand der Stiftung, sagt: „Wenn wir könnten, würden wir alle nach dem geltenden West-Tarif bezahlen. Das verhindern allerdings die Stadt Hagen und der Ennepe-Ruhr-Kreis.“

Zuschlag sorgt für Ausgleich

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Ausgangspunkt der Geschichte ist in Gevelsberg. Dort haben die Angestellten der Kita Blauer Planet in den Arbeitsverträgen eben den Verweis auf Mecklenburg-Vorpommern stehen. Ein Thema unter den Angestellten und – so fragen sich Eltern – ein Grund dafür, dass in der Kita überwiegend Notbetreuung wegen Personalmangels angesagt ist? Parallel dazu wird die Stiftung in der ehemaligen Liebfrauen-Kirche eine weitere Kita eröffnen, sucht dafür ebenfalls Personal auf einem schwierigen Stellenmarkt. Da scheinen Löhne, die unterhalb der Summen liegen, die die Mitbewerber zahlen, wenig konkurrenzfähig. Zudem: Tarif-Verträge mit niedrigen Gehältern für die Ost-Bundesländer basieren auf den dort niedrigeren Lebenshaltungskosten und sind eigentlich keine frei wählbare Alternative.

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Die Redaktion hakt beim Alleinvorstand der Stiftung, Markus Bachmann, nach. „Im Kita-Bereich zahlen wir überhaupt nicht weniger als der in NRW geltende Tarif der Diakonie. Wir stocken die Gehälter durch eine Zulage auf das Niveau des Bundesangestellten Tarifvertrags in kirchlicher Fassung (BAT-KF), der für Nordrhein-Westfalen bindend ist, auf. Dadurch bezahlen wir im Kita-Bereich sogar mehr als Mitbewerber wie die AWo“, sagt der Stiftungs-Chef, bevor er einen Blick in den Rückspiegel wirft, um zu erläutern, was die Volmarsteiner überhaupt das Meck-Pomm-Konstrukt in ihrer Entlohnung haben.

Markus Bachmann ist Vorstand der Evangelischen Stiftung Volmarstein und erläutert die Hintergründe, warum Integrationshelfer und Betreuungshelfer in Demenz-WGs nur nach Ost-Tarif bezahlt werden.
Markus Bachmann ist Vorstand der Evangelischen Stiftung Volmarstein und erläutert die Hintergründe, warum Integrationshelfer und Betreuungshelfer in Demenz-WGs nur nach Ost-Tarif bezahlt werden. © WP | Michael Kleinrensing

„Wir haben unseren ersten Kindergarten in Mecklenburg-Vorpommern gegründet“, beginnt Markus Bachmann. In diesem Zuge entstand die Kinder- und Jugendhilfe Volmarstein gGmbH (KJV) mit Sitz im Ostsee-Bundesland, bei der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt sind. Lange Zeit hat die Evangelische Stiftung Volmarstein in Hagen und im Ennepe-Ruhr-Kreis überhaupt keine Kitas betrieben, bis im Jahr 2017 die erste Anfrage von der Stadtverwaltung Gevelsberg um Bürgermeister Claus Jacobi an sie herangetragen worden sei, auch dort als Kita-Betreiber tätig zu werden. Daraus entstand schließlich die Kindertagesstätte „Blauer Planet“ an der Haßlinghauser Straße, deren Angestellte „aus organisatorischen Gründen“, wie Bachmann sagt, in der einmal vorhandenen Kindergarten-Gesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern angestellt seien – und damit nach dem dort geltenden Niedrig-Tarif entlohnt werden. Bachmann: „Es gibt aber durch unsere Aufstockung weder beim Gehalt noch bei der Rente ein Delta zu den NRW-Tarifen.“ Dies werde den Angestellten auch stets bei der Einstellung so mitgeteilt. „Vielleicht müssen wir das noch deutlicher machen, dass wir dadurch sogar mehr zahlen als andere“, sagt der ESV-Vorsitzende.

190 Beschäftigte betroffen

Das gilt jedoch von den Berufssparten, die bei der Evangelischen Stiftung nach Ost-Tarif entlohnt werden, nur für die Kitas. Sehr wohl nämlich ist bei anderen Berufen im Konzern der Ost-Vertrag ohne Aufstockung der bindende – und das betrifft von den insgesamt etwa 4000 ESV-Beschäftigten ungefähr 190, die ohnehin schon am untersten Ende der Einkommensklassen rangieren: die Integrationshelfer in der Wetteraner Oberlinschule sowie die Betreuungshelfer in den Demenz-Wohngemeinschaften, die sich über die Städte des Ennepe-Ruhr-Kreise sowie die Stadt Hagen verteilen und ihre Wiege im Gevelsberger Hans-Grünewald-Haus haben. Diese Beschäftigten, die in der Regel keine ausgebildeten Fachkräfte sind, sind bei der Ambulante Dienste Volmarstein gGmbH angestellt, die ihren Sitz in Stavenhagen in Mecklenburg-Vorpommern hat. Heißt brutto und in Zahlen: Sie beginnen für sechs Monate mit 12,52 Euro Stundenlohn, gehen dann für zwei Jahre auf 13,17 Euro und landen ab da bei 13,83 Euro. Nicht viel über dem Mindestlohn und bei Weitem nicht das, was diese Angestellten normalerweise in NRW verdienen.

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Warum werden ausgerechnet diejenigen, die ohnehin ganz unten in der Lohn-Hierarchie stehen, auch noch als einzige untertariflich bezahlt? „Diese Bereiche verhandeln wir mit den jeweiligen Kostenträgern. Das sind die Stadt Hagen und der Ennepe-Ruhr-Kreis“, sagt Markus Bachmann. Mit den Geldern, die die Kommunen für Integrationshelfer zur Verfügung stellen, sei es nicht möglich, diese nach BAT-KF zu bezahlen. „Wir haben aus diesem Grund schon mehrfach überlegt, ob wir aus diesen Tätigkeitsfeldern ganz aussteigen sollen, würden das aber nur sehr ungern tun“, baut Markus Bachmann einen gewissen Druck gegenüber den Behörden auf.

Verwaltungen und Politik wollen nichts ändern

Die Verwaltungen und die Politik im Ennepe-Ruhr-Kreis und bei der Stadt Hagen seien darüber informiert, dass die Stiftung die Tarifflucht nach Mecklenburg-Vorpommern begeht, doch bei den Verhandlungen, die alle zwei Jahre geführt würden, seien weder der Ennepe-Ruhr-Kreis noch die Stadt Hagen dazu bereit, mehr für die Integrations- und Betreuungshelfer zu zahlen. Bleibt abzuwarten, wie die auf diese Anschuldigungen reagieren.

Eine Perspektive, dies zu verbessern, sieht er nicht, würden sich die Kommunen an dieser Stelle nicht finanziell so bewegen, dass die Stiftung ihnen mehr zahlen könne. Doch das scheint bei den aktuellen kommunalen Kassenlagen ausgeschlossen. Ebenso gibt es keine Überlegungen in der Führungsetage der Evangelischen Stiftung Volmarstein, ihren Angestellten aus eigener Tasche die Lücke zum West-Lohn zu füllen. So werden wohl auch weiter fast 200 Menschen bei der Evangelischen Stiftung nach dem niedrigeren Ost-Tarif bezahlt werden.

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