Schwelm. Eine Ausbildung als Handwerker ist für viele nicht das große Ziel im Leben. Für Tim Achenbach (20) aus Schwelm gab es niemals etwas anderes.

Ein Bürojob kam für Tim Achenbach niemals in Frage. „Ich wollte immer schon Handwerker werden, etwas bauen, reparieren, etwas zum Greifen haben“, sagt der 20-Jährige, der seine Lehre frisch beendet hat und nun Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik bei der Schwelmer Firma Käsebier ist. Früher hieß das einmal Klempner, aber früher war in diesem Beruf auch noch alles völlig anders.

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Ein Gespräch über das Handwerk, Berufswünsche, Perspektiven darüber, dass die Energiewende auch diesen Job vollkommen verändert hat, und die große Frage, warum eigentlich kaum noch jemand den Weg von Tim Achenbach geht. Tiefe Einblicke geben Firmenchef Nils Käsebier (28) und sein Vater sowie Vorgänger als Inhaber Achim Käsebier (63), der sich vor mehr als einem Vierteljahrhundert in exakt diesem Metier selbstständig gemacht hat und die Firma unlängst komplett an seinen Sohn übergeben hat.

Schon als Kind getüftelt

Tim Achenbach ist der erste Auszubildende der Schwelmer Installationsfirma und hat seinen Traumjob gefunden: „Mein Vater erzählt immer, dass ich als Kind schon gern herumgetüftelt habe“, sagt der frisch gebackene Geselle. Als er mit 16 Jahren seinen Abschluss an der Schwelmer Realschule bestanden hatte, führte ihn sein Weg direkt zur Firma Käsebier: „Ich hatte hier schon vorher zwei Praktika gemacht und war sofort begeistert von der Arbeit.“ Bei seinen späteren Chefs hinterließ der Teenager damals ebenfalls einen exzellenten Eindruck. „Er war aufmerksam, hat mitgedacht und Dinge, die wir ihm gesagt haben, auch gleich behalten“, sagt Achim Käsebier.

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Tim Achenbach (20) ist Geselle bei Firma Käsebier in Schwelm. Er wirbt für das Handwerk.
Tim Achenbach (20) ist Geselle bei Firma Käsebier in Schwelm. Er wirbt für das Handwerk. © WP | Achim Käsebier

Für Chef Nils Käsebier war von Anfang an klar, wie er den Azubi weiter für den Job des Installateurs begeistern will: „Er durfte von Anfang an mitarbeiten. In vielen Ausbildungsbetrieben – das habe ich selbst erfahren – ist es so, dass die Lehrlinge nur Hilfstätigkeiten ausführen dürfen. Das bringt aber niemandem etwas, wenn die mal allein arbeiten sollen.“ Also musste Tim Achenbach sofort richtig ran: Wartungen, Reparaturen, viel Theorie und Praxis beim Altgesellen Dirk Wellershof und den beiden Chefs lernen, einmal pro Woche zur Berufsschule.

Beruf wird komplexer

Klar ist: Der Beruf ist deutlich komplexer als noch vor einigen Jahren, denn alternative Heizsysteme von Pellets bis zur Wärmepumpe sorgen für weitere Bereiche, auf denen die Experten firm sein müssen. Die Zusammenspiele werden komplexer, die Beratung intensiver, weil die Menschen mehr als jemals zuvor wissen wollen, wie sie Energie sparen können. Die Zeiten von „Gas, Wasser, Scheiße“, wie es früher etwas abfällig hieß, sind vorbei. „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“, sagt Senior-Chef Achim Käsebier mit Blick auf die Entwicklungen, mit denen sich nun vorzugsweise sein Sohn auseinandersetzen muss.

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Und der wird dafür die Firmenstruktur umbauen müssen. Volle Auftragsbücher, aufwendigere Lösungen für die Kunden, ein steigender Aufwand an Buchhaltung und Papierkram – Nils Käsebier wird schon allein durch die äußeren Umstände dazu gezwungen, die Firma zu vergrößern. Ein bis zwei Monate ist der Kalender im Voraus gefüllt, was auch daran liegt, dass immer mehr Betriebe aus der Heizungs- und Sanitärbranche keine Nachfolger finden, und entweder aufgekauft werden oder gänzlich vom Markt verschwinden. Heißt: Die Kunden verteilen sich auf weniger Firmen.

Schwere Suche nach einem Lehrling

„Ich kann zeitlich gar nicht mehr so viel selbst praktisch arbeiten, wie ich gern würde“, sagt der 29-jährige Meister, der nicht zuletzt deshalb eine Bürokraft sucht, die ihn bei den Verwaltungsaufgaben entlastet. Und: „Wir wollen einen neuen Azubi einstellen“, sagt Nils Käsebier, atmet einmal tief ein und fährt dann fort: „Das bereitet uns aber aktuell echte Schwierigkeiten.“ Grundsätzlich könnten ein junger Mann oder eine junge Frau am 1. August die Ausbildung beginnen. „Einige meiner Freunde sind mittlerweile auch ins Handwerk gewechselt“, wirbt Tim Achenbach. Einen Nachfolger für seine eigene Lehrstelle hat er aber auch noch nicht auftun können.

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Achim Käsebier sieht in der Entwicklung, die nicht nur den Familienbetrieb sondern nahezu alle Gewerke betrifft, große Gefahren: „Wenn das Handwerk nicht mehr funktioniert, kann auch niemand die Produkte der Industrie verbauen.“ Er fordert die Berufsverbände auf, mehr für den Nachwuchs zu tun. Wer Kontakt zur Firma Käsebier aufnehmen möchte, meldet sich telefonisch unter 02336/5889 oder via E-Mai an kundenportal@kaesebier-service-gmbh.de.

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