Gevelsberg. Weiterhin kämpfen Anwohner in Gevelsberg bei Regen gegen Überschwemmung und erheben Vorwürfe gegen die Stadt. Die reagiert erst spät.
Es sind drastische Worte, die mehrere Familien in einer gemeinsamen Stellungnahme an die Stadt Gevelsberg zu Papier gebracht haben: „Wir, die Mieterinnen und Mieter auf Gut Rocholz, leben in ständiger Angst. Bei jedem Regenfall entstehen gedanklich neue Szenarien und Anrufe beim Partner und den Kindern und die Nachfrage, ob noch alles trocken ist und wie schnell das Wasser steigt. Dies gab es in dieser Form noch nie auf Gut Rocholz und bedeutet großen Stress für uns. Diesen Stress sollten wir von allen Kinder auf Gut Rocholz fernhalten [...].“
Das ist ein Auszug des Schreibens, das sich direkt an Bürgermeister Claus Jacobi richtet und das auf den 1. Juni 2022 datiert ist. Laut einer Anwohnerin des Guts Rocholz, die anonym bleiben möchte, soll es der Stadt Gevelsberg Mitte Juni zugegangen sein. Darin schildern die Verfasser, dass es seit dem verheerenden Hochwasser im vergangenen Jahr nach wie vor zu Problemen mit hohen Wasserständen rund um den früheren Adelssitz kommt.
Zu Erinnerung: Gut Rocholz gehörte während des Hochwassers im Juli 2021 zu den am stärksten betroffenen Gebieten in der Stadt. Die Stadt Gevelsberg und der Verein „Taubenväter – Menschen helfen Menschen“ stellten eine beispiellose Hilfsaktion auf die Beine, die hinterher mehr als 400.000 Euro an Spenden generierte, um den Geschädigten zu helfen. Zusätzlich half die Stadt mit Unterkünften und leistete auch darüber hinaus Unterstützung.
Erinnerung an Hochwasser 2021
Und eigentlich hätten sich die Familien des Guts Rocholz auch nicht noch mal an die Öffentlichkeit gewandt. Wenn die Reaktion der Stadt und des Bürgermeisters auf ihren Brief nicht solange auf sich hätte warten lassen. So zumindest empfinden sie es so. Zuletzt habe es vor ein paar Wochen stärker geregnet, so dass das Wasser beinahe vor ihrer Tür gestanden habe, berichtet eine Anwohnerin des Guts im Gespräch mit der Redaktion. Sie zeigt Fotos von dem Abend, die das bestätigen sollen. Darauf ist zu sehen, wie Wasser in einen Durchgang zum Innenhof des Guts fließt. Ein anderes Bild zeigt einen Feuerwehrmann, der versucht, einen offenbar verstopften Durchfluss freizubekommen.
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Andere Bilder zeigen ihre Wohnung nach dem Hochwasser 2021. Sie musste von Grund auf saniert werden. Ähnliche Erfahrungen sind auch ihren Nachbarn noch in schmerzlicher Erinnerung. Und bei jedem Regen scheinen sie wieder hochzukommen. So schreiben die Familien: „Das für uns als Betroffene nachhaltig, dramatische Hochwasserereignis vom 14.07.2021 auf Gut Rocholz ist zum wiederholten Male durch künstliche und unkontrollierte Wasserzufuhr über den Krabbenheider Bach und durch das Abpumpen bzw. Umleiten von Wassermassen innerhalb von wenigen Minuten entstanden.“
Und weiter: „Hierdurch wurde einerseits unser persönlicher Wohnraum auf Gut Rocholz vollständig zerstört, deren Wiederherstellung bis zur Bewohnbarkeit bis zu 7 Monaten Sanierungszeit in Anspruch genommen hat und andererseits denken unsere Kinder und wir bei jedem Regenfall, ob wir wieder unsere Wohnungen verlassen müssen, da auch weiterhin die Wasserzuführung, trotz Anregungen von Seiten des Eigentümers von Ihnen bzw. den technischen Betrieben der Stadt Gevelsberg fehlgeleitet werden.“
Bitte an die Stadt Gevelsberg
Es wird deutlich, dass sie auch die Stadt Gevelsberg in der Verantwortung sehen. „Im Zusammenhang mit diesem Schadenereignis wurden unter anderem Unmengen von Schlamm und Kleinstgeröll in den Zulauf und in die Gräfte des Herrenhauses auf Gut Rocholz gespült. Dies führt nun zu einer „Sumpf- und Schlammlandschaft in der Gräfte“, schreiben die Anwohnerinnen und Anwohner.
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„Diese Schlammmassen sollten aus Sicht des Verwalters der Liegenschaft entfernt werden, um das Rückhaltevolumen um das Herrenhaus herum wieder zu vergrößern. Darüber hinaus wurden von den Technischen Betrieben der Stadt Gevelsberg auf dem Grundstück des Eigentümers hinter der Bahntrasse Baggerarbeiten vorgenommen und veränderte topographische Höhen und Wasserläufe geschaffen, so dass der Zulauf des Krabbenheider Baches, das natürliche Regenwasser und zusätzlich das künstlich abgeleitete Wasser nun stets und nur noch ausschließlich zum Gut Rocholz führt. Eine Ableitung und ein eigenständiges Handeln, so z.B. über ein Wehr wurden mündlich untersagt und auch die von uns zur Verfügung gestellten Sandsäcke wurden entfernt.“
Die Familien bitten die Stadt um eine Stellungnahme, wie sie sich die zukünftige Wassersituation auf Gut Rocholz vorstellt. Dabei machen sie auch deutlich: „Wir lieben den Wohnraum auf Gut Rocholz und möchten hier mit unseren Familien auch wohnen bleiben.“
Externen Gutachter beauftragt
Die Redaktion hat bei der Stadt nachgefragt und sich nach der Stellungnahme zum Gut Rocholz erkundigt. Ein paar Tage nach dieser Anfrage bekamen dann auch die Anwohnerinnen und Anwohner eine Antwort. Demnach hat die Stadtverwaltung nach dem Hochwasser 2021 einen externen Gutachter beauftragt, um den Hergang des Unglücks auszuwerten und Verbesserungsvorschläge zur zukünftigen Prävention zu machen. „Als wir die Ergebnisse hatten, mussten wir uns mit der Untereren Wasserbehörde absprechen“, erklärt Björn Remer, Fachbereichsleiter Stadtentwicklung und Umwelt bei der Stadt. Das sei auch der Grund für die späte Antwort gewesen.
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Im ersten Halbjahr 2023 möchte die Stadt in einer Bürgerveranstaltung über den Sachstand am Gut Rocholz informieren. Daran soll auch Bürgermeister Claus Jacobi teilnehmen. Die Analyse habe gezeigt, dass die Überlastung der Gräfte nicht zu einer Überflutung des Guts führe. Problematisch sei aber die Situation vor der Eisenbahnbrücke der Talbahn, wo sich das Hochwasser angestaut habe. Der Gutachter schlage vor, die Durchlässe durch den Wall der Talbahn westlich der Eichholzstraße zu verschließen und einen neuen, höheren Wall auf der Wiese westlich der Eichholzstraße zu errichten.
Die Sandsäcke habe die Stadt entfernt, weil laut ihren Berechnungen „keine weiteren Verengungen“ vorgesehen seien. Die Gräfte von Schlamm und Geröll zu befreien sei in der Verantwortung des Eigentümers. Der Eigentümer des Guts äußerte sich auf schriftliche Anfrage der Redaktion bislang nicht zur Stellungnahme der Familien und dem Kontakt mit der Stadt Gevelsberg.