Gevelsberg. 2016 ging der Schrotthandel Schüssler in Gevelsberg pleite. Jetzt erhebt ein Teil der alten Geschäftsführung öffentlich schwere Betrugsvorwürfe.

Es ist ein langer Rattenschwanz, den das Ende der Firma Schüssler im Jahr 2016 in Gevelsberg für die Beteiligten nach sich gezogen hat. Insolvenzgutachten, aber auch Gerichtsverfahren gehören dazu. Letztere verschieben sich zum Teil immer wieder. Später kommt es zu einem Strafbefehl wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gegen ein Mitglied der früheren, dreiköpfigen Geschäftsführung – ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. Ein anderes muss eine vierstellige Geldstrafe zahlen und 500 Sozialstunden ableisten.

Wie nun öffentlich wird, gehört zumindest für den früheren Senior-Chef und seinen Sohn aber auch ein großes Unverständnis, wie es überhaupt dazu kommen konnte, zur Pleite ihres alteingesessenen Familienunternehmens. Sie sehen die Schuld bei einem dritten und erst später zur Geschäftsführung gehörenden Kollegen. Ihr Vorwurf: Dieser soll die Firma Schüssler durch Betrug in die Insolvenz getrieben haben, um sich selbst daran zu bereichern.

Für den Hintergrund: Die Firma Schüssler, zuletzt bestehend aus der K.G. Schüssler GmbH & Co. KG (Schrotthandel), der Schüssler Recycling GmbH (An-/Verkauf und Bearbeitung von Schrott) und der Schüssler Verwaltungs GmbH, gab es seit 1903 in Gevelsberg. Sie wurde bis zu ihrem Ende im Jahr 2016 in der vierten Familiengeneration betrieben. Der Firmenverbund hatte laut einem Insolvenzgutachten zuletzt 28 Mitarbeiter.

Vorwurf: Falsche Bestände in Büchern

Konkret stehen folgende Vorwürfe im Raum: Aus Sicht seiner beiden Ex-Kollegen hat der Beschuldigte die Firmen K.G. Schüssler GmbH & Co. KG und Schüssler Recycling GmbH im Zeitraum ab 2010 bis 2016, durch Bestandsbetrug in den Abgrund geführt. Bedeutet: Er soll Schrott zu überteuerten Preisen von mit ihm befreundeten Firmen eingekauft haben, von denen er Provision bezogen haben soll. Um das bei Schüssler zu verschleiern, soll er angegeben haben, die überhöhten Preise zahlen zu müssen, weil der „Markt sonst nicht liefern würde“.

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Durch die zu teuren Einkäufe seien schließlich Verluste entstanden, die durch Aufstockung der wertmäßigen Bestände in der Finanzbuchhaltung ausgeglichen worden sein sollen. Die Bestände sollen in den Büchern also höher gewesen sein, als sie tatsächlich waren. Um seinen „Partnern“ die überteuerten Preise zahlen zu können, soll der Beschuldigte kurzfristige Bankenkredite aufgenommen haben. Weil Umsatzgewinn und Jahresergebnisse regelmäßig nicht zu beanstanden gewesen seien, sei die schleichende Erhöhung der Bestände nicht aufgefallen – wohl auch wegen der guten Kapitalausstattung, so die Aussage der beiden, die die Vorwürfe erheben.

Als sie damit auf die Redaktion zukommen, stellen Vater und Sohn eine ganze Reihe von Unterlagen zur Verfügung, die ihren Standpunkt für sie klar untermauern. Darunter Schreiben von Anwälten, von Gerichten, E-Mail-Schriftverkehr, diverse fotokopierte Dokumente, ein Gutachten des Insolvenzverwalters, aber auch Geschäftsbilanzen aus den Jahren 2010 bis 2014. Vor allem das sollen die Jahre sein, die zum Niedergang geführt haben. Eine wie sonst übliche turnusmäßige Bilanzbesprechung soll es in dieser Zeit nicht gegeben haben, weil der Senior-Chef gesundheitliche Probleme gehabt habe. Die jährlichen Gewinne lagen in den vier Jahren insgesamt bei jeweils mehr als einer Million Euro.

Gutachten, Berater und Experten

Um sich die Bilanzen anzusehen und auf die Vorwürfe hin zu überprüfen, hat sich die Redaktion einen unabhängigen Finanzexperten dazu geholt, der sich beruflich mit Steuern und der Wirtschaft von Unternehmen beschäftigt, namentlich aber nicht genannt werden möchte. Sein Fazit: Anhand der Zahlen wirkt es, als habe die Firma mehr eingekauft, als sie es sich hätte leisten können. Aber: Ein Betrug lässt sich aus Sicht des Experten damit nicht beweisen.

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Ein Auszug aus einem Insolvenzgutachten besagt: „Hinzu kommt, dass sowohl bei dem buchhalterischen Lagerbestand als auch bei dem Forderungsvolumen deutliche Wertberichtigungen vorzunehmen waren bzw. sind.“ Beim Warenbestand führt der Insolvenzverwalter eine Berichtigung in Höhe von circa 1,8 Millionen Euro an. Gemeint ist hier die K.G. Schüssler GmbH & Co. KG.

In einer E-Mail einer Be­ra­tungs­ge­sell­schaf­t, die sich ebenfalls mit Wirtschaftsprüfung auseinandersetzt, heißt es: „Anfang 2012 war Vorratswert It. Buchhaltung demnach um rd. 1,2 Mio € überhöht. Bis Ende 2012 wuchs Unterschiedsbetrag auf rd. 2,0 Mio € an, bis Ende 2013 auf rd. 3,2 Mio € und bis November 2015 auf rd. 5,0 Mio €.“ Hierbei geht es um die Schüssler Recycling GmbH. Der Berater hat in diesem Fall laut eigener Aussage Vorratswerte aus der Buchhaltung geprüft und mit handschriftlichen Auszügen aus einem Kalender verglichen, in denen der Senior-Chef monatliche Bestandswerte festgehalten hat.

Gegenseite weist Vorwürfe zurück

Die Redaktion hat die Gegenseite mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Der Beschuldigte zeigte sich dabei von vornherein gesprächsbereit und weist die Anschuldigungen mit aller Entschiedenheit zurück, bezeichnet sie als „abstrus“. Es gebe für diese Insolvenz ganz unterschiedliche Gründe.

Dazu heißt es ebenfalls im angeführten Insolvenzgutachten unter dem Titel „Die Ursachen der Krise“ und unter Berufung auf „Angaben der Geschäftsführung“: „Die Schrottpreise sind sowohl auf den nationalen als auch internationalen Märkten dramatisch gesunken, was hauptsächlich durch die Überangebote auf dem internationalen Markt bedingt ist. Hierdurch ist der Umsatz der Schuldnerin von ca. 78 Mio. € im Jahre 2014 auf ca. 55 Mio. € im Jahre 2015 um ca. 30% eingebrochen. Diesen Umsatzeinbruch konnte die Schuldnerin nicht durch adäquate Kostensenkungen im Fixkostenbereich ausgleichen, so dass sich in 2015 ein deutlicher Jahresfehlbetrag von ca. 1,2 Mio. € ergab.“

Lesen Sie hier die gesammelte Berichterstattung zur Schüssler-Insolvenz:

Der Beschuldigte selbst habe zuletzt knapp 50 Prozent Anteile des Unternehmens besessen. Das geht auch aus einem anwaltlichen Schreiben hervor. Darüber hinaus sei er im Jahr 2014 Teil der Geschäftsführung geworden, also mitten in der Zeit, in der er die Firma laut Vorwurf in den Ruin hätte getrieben haben sollen. „Wenn ich das so gemacht hätte, wäre ich ja bescheuert gewesen“, so der Beschuldigte. Bei der Schüssler Recycling GmbH sei er nicht mal Geschäftsführer gewesen. Er habe persönliche Bürgschaften in Millionenhöhe unterschrieben und durch die Insolvenz selbst erhebliche finanzielle Verluste erlitten. Die Bilanzen seien außerdem von der Gegenseite unterschrieben worden. Diese habe auch den Großteil aller Kredite unterschrieben.

Vor Gericht gehört oder nicht?

Die beiden früheren Geschäftsführer, die die Anschuldigungen nun öffentlich erheben, sagen, dass diese vor Gericht nach der Insolvenz seinerzeit nicht gehört worden seien. Wie die Staatsanwaltschaft Hagen der Redaktion gegenüber bestätigte, war der Vorwurf des Bestandsbetrugs tatsächlich nicht Teil des Verfahrens wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung.

Die Gegenseite sagt, dass die Vorwürfe aber Teil eines anderes Verfahrens wegen „betrügerischer Krediterweiterung aufgrund fehlender Bestände“ gewesen seien. Der Vorwurf sei von der Staatsanwaltschaft allerdings fallengelassen worden.