Ennepetal. Den Ennepetaler Bürgern droht für 2023 eine kräftige Steuererhöhung. Kämmerer Tim Strathmann hält dies angesichts der Finanzlage für notwendig.

Eine deutliche Erhöhung bei der Grundsteuer um 169 Punkte auf 909 Prozent, eine Anhebung der Gewerbesteuerhebesätze um 15 Punkte und die Streichung der freiwilligen Zuschüsse an die freien Kita-Träger: Diese drastischen Maßnahmen hat Kämmerer Tim Strathmann dem Rat der Stadt Ennepetal vorgeschlagen, um überhaupt einen genehmigungsfähigen Haushalt für das kommende Jahr verabschieden zu können. Am Donnerstag brachte er seinen Entwurf für den Etat ein, der ein Defizit von 6,4 Millionen Euro vorsieht – wenn keine Maßnahmen zur Verbesserung getroffen werden.

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„Mir ist sehr wohl bewusst, was ich da vorschlage“, betonte Strathmann. „Niemand mag Steuererhöhungen, auch ich nicht – zumal auch ich als Ennepetaler unmittelbar betroffen wäre.“ Doch nicht nur für die Bürger, auch für die Kommunen werde alles teurer. „Also muss doch zumindest diskutiert werden dürfen, ob nicht auch eine Stadt, wie alle anderen auch, ihre gestiegenen Kosten weiterreichen darf“, meinte er. „Es sei denn es gibt andere Möglichkeiten, den Haushalt auszugleichen. Aber hierüber müssen Sie entscheiden“, sagte der Kämmerer an die Ratsmitglieder gerichtet.

Ausgaben steigen erheblich

Die aktuelle Entwicklung hätte eigentlich Anlass zur Freude gegeben: Da der Abschluss für 2020 einen Überschuss ausgewiesen hatte und auch das Jahresergebnis 2021 positiv war, hätte die Stadt ihr 2016 aufgestelltes und seitdem fortgeschriebenes Haushaltssicherungskonzept (HSK) zu den Akten legen können. Dafür sind zwei positive Jahresabschlüsse in Folge die Voraussetzung. „Aber die finanziellen Rahmenbedingungen haben sich seit Beginn des Jahres 2022 erheblich verschlechtert“, erklärte Tim Strathmann. „Auch wenn wir also eigentlich das HSK beenden könnten, zwingt uns der vorliegende Haushaltsentwurf, unmittelbar ein neues aufzustellen.“ Die Stadt muss dann erneut Maßnahmen darstellen, wie in einem Zehnjahreszeitraum – also bis 2032 – der Haushaltsausgleich erreicht werden soll.

Verabschiedung für März geplant

Die einzelnen Fachausschüsse werden über die jeweiligen Teilpläne des Haushaltsplanentwurfs nach der Weihnachtspause beraten.

Für den 28. Februar 2023 ist die abschließende Beratung im Hauptausschuss vorgesehen, bevor am 9. März, der Rat final über den Etat abstimmt.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich die Haushaltslage noch viel dramatischer dar. 20,4 Millionen Euro fehlen der Stadt im kommenden Jahr. Allerdings dürfen die NRW-Kommunen wie schon in den vergangenen Jahren auch 2023 die Corona-Lasten (wie geringere Steuereinnahmen und coronabedingte Mehrausgaben) isolieren und den Betrag über einen Zeitraum von 50 Jahren abschreiben. Gleiches ist nun mit den Zusatzbelastungen durch den Ukraine-Krieg (insbesondere extrem gestiegene Energiekosten sowie Kosten für die Flüchtlingsversorgung) möglich. Auf 14 Millionen Euro beziffert der Kämmerer diese Lasten allein für 2023. Um diesen Betrag verringert sich zwar das Defizit, allerdings belastet die Abschreibung die künftigen Haushalte.

Schlägt drastische Maßnahmen vor, um einen genehmigungsfähigen Haushalt auf die Beine stellen zu können: Ennepetals Kämmerer Tim Strathmann.
Schlägt drastische Maßnahmen vor, um einen genehmigungsfähigen Haushalt auf die Beine stellen zu können: Ennepetals Kämmerer Tim Strathmann. © WP | Stadt Ennepetal

Tim Strathmann führte eine Reihe von Gründen für die Verschlechterung der Lage auf. Auf der Einnahmenseite müsse man aufgrund eines Gerichtsurteils Kommunen die Entwässerungsgebühren auf einer anderen Grundlage berechnen, so dass der Gewinn aus der kalkulatorischen Verzinsung vorerst erheblich geringer sein werde als zuletzt (wir berichteten). Dadurch würden im kommenden Jahr 1,1 Millionen Euro fehlen. „Schlimmer ist allerdings die Ausgabenseite“, so der Kämmerer. Die Personalkosten würden aufgrund von notwendigen Stellenausweitungen (um 31 auf 495 Vollzeitstellen) und Tariferhöhungen um 5 Millionen auf insgesamt 35 Millionen Euro steigen. Und neben steigenden Energiekosten würden nun auch die Zinsen stark ansteigen. „Bis zum Jahr 2026 gehen wir, wenn es gut läuft, von einer Vervierfachung unserer Zinsausgaben aus“, sagte Strathmann. Ohne die beschlossene Übertragung des städtischen Kanalnetzes an den Ruhrverband (für die wie berichtet etwa 103 Millionen Euro in die Stadtkasse fließen) sähe es noch schlechter aus.

Rekordneuverschuldung

Der Haushaltsentwurf sieht zudem eine Neuverschuldung für die geplanten Investitionen von 41,5 Millionen Euro vor – „so viel wie noch nie“, betonte Tim Strathmann. Bis 2026 ergäben sich in Summe sogar 160 Millionen Euro, vor allem für die Neubauten des Technischen Rathauses, der Sekundarschule und der Grundschule Voerde. „Und das bei stark ansteigenden Zinsen“, fügte er hinzu. Allein die beiden Schulbauprojekte würden den Haushalt ab 2028 inklusive Abschreibungen mit jährlich etwa 6,5 Millionen Euro belasten.

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Um zu erreichen, dass der Rat einen genehmigungsfähigen Haushalt beschließen kann, schlägt Tim Strathmann vor, die freiwilligen Zuschüsse an die freien Kita-Träger zu reduzieren oder zu streichen. Mögliche Ersparnis: etwa 700.000 Euro. „Allerdings könnte mancher Träger dann in Bedrängnis kommen“, sagte Strathmann. Der Gewerbesteuerhebesatz soll um 15 Punkte auf 510 Prozent steigen. Das hatte das alte HSK ohnehin für 2023 vorgesehen. Der kalkulierte Mehrertrag: 1,1 Millionen Euro. Bei der Grundsteuer B sieht Strathmann eine Erhöhung um insgesamt 169 Punkte auf dann 909 Punkte vor. 60 Punkte davon, um die inflationsbedingten Mehrkosten auszugleichen, 153 Punkte zur Kompensation der Mindereinnahmen aus den Entwässerungsgebühren sowie 16 Punkte für die erste Stufe bei der Umsetzung des Masterplans Schule. Zusatzeinnahme: etwa 2 Millionen Euro. Um einer solchen Steuererhöhung „ein wenig den Schrecken zu nehmen“, rechnete Tim Strathmann vor, dass ein Durchschnittshaushalt bei einem Aufschlag von 169 Punkten im Jahr 118,30 Euro (monatlich 9,86 Euro) mehr an Grundsteuer B zahlen müsste.