Ennepetal/Gevelsberg/Hagen. Der Azubi einer Firma aus Ennepetal soll sich krank gemeldet und für den SV Ararat Fußball gespielt haben. Nach der Kündigung klagt er nun.

Fußballspielen ist die große Leidenschaft des 23-Jährigen. Er kickt beim "SV Ararat Gevelsberg 1990". Doch das soll dem Industriemechaniker im dritten Lehrjahr jetzt zum Verhängnis werden: Sein Ennepetaler Ausbildungsbetrieb hat ihn rausgekickt – also fristlos entlassen. Inzwischen spielt der Fall vor dem Hagener Arbeitsgericht.

Die inhabergeführte mittelständische Firma Blis wurde 1980 gegründet und produziert in Wuppertal mit rund 100 Mitarbeitern spezielle Metallteile für den Maschinenbau. Ein weiterer, kleinerer Fertigungsstandort befindet sich seit 1986 an der Katzbachstraße in Ennepetal-Oelkinghausen. Hauptprodukte sind sogenannte „Kugelgewindebetriebe“ – also Schraubgetriebe, bei denen eingefügte Kugeln die Kraft zwischen Schraube und Mutter übertragen.

Sie werden in Werkzeugmaschinen, zum Beispiel Drehmaschinen, eingebaut. In Lastwagen dienen sie als Lenkgetriebe. Stolz verweist die Firma Blis auf die hohe Präzision ihrer Produkte „made in Germany“.

Scharfer Tonfall vor Gericht

Über seine Auszubildenden – vor drei Jahren waren es noch an die zwanzig, inzwischen sollen es nur noch drei sein – verliert Blis-Geschäftsführer Heinrich Willms allerdings weniger schmeichelhafte Worte: „Die Jungs wollen bezahlt werden bis zum Schluss. Wollen bei uns nicht mehr arbeiten, sondern nur die Kohle abgreifen. Das werde ich nicht mitmachen.“ So drastisch äußerte sich der Firmenchef jetzt vor dem Arbeitsgericht Hagen.

Eigentlich hatte Richter Jürgen Schlösser einen Gütetermin anberaumt. Doch sowohl der scharfe Tonfall, als auch die Unnachgiebigkeit zwischen den Parteien ließ keine Hoffnung auf eine gütliche Einigung mehr zu. Deshalb wird Gerichtsdirektor Schlösser am 25. Januar, 12 Uhr, zu einer Kammersitzung antreten und in dieser Zahlungsklage wohl auch ein Urteil fällen müssen.

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Der Kläger hatte seine Ausbildung zum Industriemechaniker bei Blis in Ennepetal am 1. August 2019 begonnen und sollte sie eigentlich dort zum 31. Januar kommenden Jahres abschließen. Doch so weit wird es nun nicht mehr kommen: Am 6. September dieses Jahres sprach Geschäftsführer Willms eine fristlose Kündigung aus.

Verweis auf App „Fussball.de“

Der harte Vorwurf: Obwohl er eigentlich an seinem Ausbildungsplatz ärztlich krankgeschrieben war, hätte er als Fußballkicker an zwei Begegnungen seines Vereins „SV Ararat Gevelsberg 1990“ teilgenommen. Am 15. Juli und 22. Juli waren die Freundschaftsspiele gegen den FC Hellas Makedonikos Hagen und gegen den TSV Neviges angepfiffen worden – und bei beiden Spielen hätte der kranke Auszubildende als Fußballspieler der Gevelsberger Mannschaft topfit auf dem Rasen gestanden.

Als „Beweis dafür“ legte der Blis-Geschäftsführer dem Richter zwei Ausdrucke aus der App „Fussball.de“ vor, aus denen man die Spieleraufstellung ersehen kann. Und darin ist tatsächlich der Name des Auszubildenden aufgeführt.

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Doch hat ein bloßer Internet-Eintrag überhaupt für eine Beweiskraft? „Ich habe nicht gespielt“, beteuert der entlassene Auszubildende und legt ein Schreiben vom „SV Ararat Gevelsberg“ vor, in dem Fußballvereinsvorsitzende Vanessa Aufermann bestätigt, dass der Kläger „trotz Eintragung in den Spielberichten“ tatsächlich weder am 15. Juli, noch am 22. Juli gespielt hätte.

Doch anders als gedacht?

Dem steht allerdings eine zweideutige Nachricht gegenüber, die Blis-Geschäftsführer Heinrich Willms von Ararat-Cotrainer Celik bekommen hat – und die man durchaus auch anders auffassen kann: „Tut mir leid für die Umstände! Ich sage immer zu den Jungs: Steht dazu, wenn ihr Mist gebaut habt. Und nun müssen wir dazu stehen! Wir werden es nicht noch mal tun!“

Für den Wuppertaler Anwalt Ingo Delorette, der den Auszubildenden vertritt und für die Monate September und Oktober noch ausstehende Ausbildungsvergütungen in Höhe von 1058 Euro einklagt, hat das Vorgehen des Blis-Geschäftsführers, wie er es dem Richter vortrug, „Methode. Das ist eine simple Masche, die eigenen Auszubildenden loszuwerden. Ich kann das beurteilen, denn ich vertrete noch zwei weitere Mitarbeiter, die bei Blis rausgeschmissen wurden und nun gegen diese Firma vorgehen.“ Darunter sei auch der ehemals verantwortliche Blis-Ausbildungsleiter, dem ebenfalls gekündigt wurde.

Am 1. Dezember steht ein weiterer gekündigter Auszubildender vor einer anderen Kammer des Arbeitsgerichts Hagen mit der Ennepetaler Kugelgewindebetriebe-Firma vor Gericht: Auch diesem wird vorgeworfen, krankgeschrieben gewesen zu sein und zeitgleich auf dem Fußballplatz gespielt zu haben: „Ein sehr merkwürdiger Zufall“, findet Anwalt Delorette. Blis-Geschäftsführer Willms will sich das jedoch nicht nachsagen lassen und hat dem Anwalt direkt im Gerichtssaal angedroht: „Ich werden Sie wegen Verleumdung verklagen.“