Schwelm. Harry und Irmgard Kaiser machen Schluss mit der Selbstständigkeit. Nach 36 Jahren geht das Ehepaar in Rente. So geht es mit den Filialen weiter.

Noch hängt sowohl in der Kirchstraße als auch in der Barmer sowie in der Friedrich-Ebert-Straße das altbekannte Logo der Bäckerei Kaiser über den jeweiligen Eingängen der Filialen. Doch genau das wird schon bald Geschichte sein. Denn die Inhaber Harry und Irmgard Kaiser ziehen nach ganzen 36 Jahren Selbstständigkeit einen Schlussstrich.

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„Wir haben das immer gerne gemacht. Wir waren immer mit Herz dabei“, erzählt Irmgard Kaiser im Gespräch mit der Redaktion. Doch nun sei die Luft schlichtweg raus. Ihr Mann Harry Kaiser steht mit 63 Jahren kurz vor der Rente und auch sie selbst freut sich mit ihren 61 Jahren auf die kommende „freie Zeit“, selbst wenn das Loslassen dem Ehepaar nicht allzu leicht fällt. Dass die Kaisers ihre Bäckereien aufgeben, heißt jedoch keinesfalls, dass diese schließen. Ganz im Gegenteil: Offiziell hat die „Will & Meyer GbR Wodantaler Landbäckerei“ bereits seit dem 1. September alle Standorte der Kaiser-Filialen sowie die Backstube in der Friedrich-Ebert-Straße übernommen. Somit bleiben die Bäckereien weiterhin für die Kunden geöffnet – nur eben unter einer anderen Leitung und einem anderen Namen. Ebenso bleiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieselben. „Nur die Produkte haben sich etwas geändert“, erklärt Irmgard Kaiser. „Da sage ich aber immer, ,probiert das aus’.“

rmgard Kaiser steht auf der Terrasse der Filiale in der Friedrich-Ebert-Straße. Hier helfen ihr Mann und sie nach wie vor mit. 
rmgard Kaiser steht auf der Terrasse der Filiale in der Friedrich-Ebert-Straße. Hier helfen ihr Mann und sie nach wie vor mit.  © WP | Sophie Beckmann

Schwelm: Ehepaar Kaiser backt sonntags keine Brötchen mehr

Bereits vor einiger Zeit haben Irmgard und Harry Kaiser entschieden, kürzer zu treten, mit der Backstube sowie den Verkaufsstandorten Schluss zu machen. „Wir haben uns dann an die Kreishandwerkschaft gewendet“, erklärt die 61-Jährige. Im Zuge dessen wurde der Kontakt zu der Wodantaler Landbäckerei hergestellt und so kam eins zum anderen. Im Juli dieses Jahres habe man sich an einen Tisch gesetzt und das weitere Vorgehen besprochen. Bereits zwei Monate später war alles in trockenen Tüchern. Die Landbäckerei übernimmt die Verkaufsstandorte, die Backstube und selbstverständlich die Angestellten. „Das ist uns natürlich auch sehr wichtig, wir haben hier Mitarbeiter, die schon jahrelang dabei sind.“ Mit den neuen Inhabern hat das Ehepaar gute Nachfolger gefunden, betont Irmgard Kaiser.

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Insbesondere am Standort Friedrich-Ebert-Straße, wo sich ebenfalls die Backstube befindet, sind Harry und Irmgard Kaiser derweil noch häufig anzutreffen. „Wir wollen die Neuen nicht vor die Wand schmeißen“, erklärt die 61-Jährige. So hilft sie nach wie vor im Verkauf mit, ihr Mann steht beratend zur Seite. Allerdings für einen zeitlich begrenzten Zeitraum. Nach und nach wolle man sich weiter zurückziehen und spätestens in etwa einem halben Jahr endgültig mit der jahrelang aufgebauten Selbstständigkeit abschließen.

Bäckerei Kaiser Schwelm: Zahlreiche Erinnerungen

Irmgard Kaiser erinnert sich noch ganz genau an den Beginn: Geplant war das Ganze so eigentlich nicht. Verschiedene Umstände und gewisse Zufälle führten letzten Endes dazu, dass das Ehepaar vom Niederrhein nach Schwelm kam und die erste Filiale damals in der Kaiserstraße eröffnete. Dort befand sich auch die erste Backstube, berichtet die 61-Jährige. Nach relativ kurzer Zeit wurden die Räumlichkeiten an dem damaligen Standort jedoch zu klein. „Wir platzten aus allen Nähten“, erinnert sie sich und lacht. Denn zwischenzeitlich betrieben die Kaisers ganze fünf Filialen, heutzutage sind es noch drei. So habe man im Jahr 2004 die Backstube samt Filiale in die Friedrich-Ebert-Straße verlagert. „Wir waren also 18 Jahre in der Kaiserstraße und die anderen 18 Jahre hier“, sagt sie und grinst. Für beide waren es schöne 36 Jahre. 36 Jahre, an denen zahlreiche Erinnerungen hängen. „Wir haben so viele besondere Aktionen gemacht, das war echt immer toll. Es war eine sehr schöne Zeit“, blickt Irmgard Kaiser zurück.

Das „Reisemobil“ der Kaisers. Sie wollen in Zukunft oft wegfahren. Reisen ist ihre gemeinsame Leidenschaft. 
Das „Reisemobil“ der Kaisers. Sie wollen in Zukunft oft wegfahren. Reisen ist ihre gemeinsame Leidenschaft.  © WP | Sophie Beckmann

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Doch bereits vor zwei Jahren – unabhängig von der Corona-Pandemie – hat das Ehepaar entschieden: „Wir brauchen unsere Lebensqualität einfach zurück. Auch aus Krankheitsgründen.“ Allerdings sei der entscheidende Punkt, dass beide 23 Jahre lang eine Sieben-Tage-Woche hatten. Denn mit der Änderung des Ladenschlussgesetzes zum 1. November 1996 wurde auch die Arbeit in Bäckereien und Konditoreien neu geregelt – und so wurde das damalige Nachtbackverbot aufgehoben. Etwas, was die Kaisers umgehend umsetzten – mit Erfolg. Nun jedoch gibt es schon seit zwei Jahren sonntags keine Brötchen mehr von dem Ehepaar. „Wir waren erst skeptisch, aber es war eine gute Entscheidung“, reflektiert die 61-Jährige den Entschluss. „Einige Kunden waren so süß. Die einen kamen mit einer Flasche Schnaps und sagten, jetzt könnt ihr ja auch mal samstags einen trinken. Andere – vor allem Männer – kamen zu mir und sagten, jetzt muss ich endlich sonntags keine Brötchen mehr holen“, erinnert sie sich und beginnt zu lachen.

Irmgard und Harry Kaiser unterwegs im Reisemobil

Zeit – das ist etwas, was das Ehepaar in den vielen Jahren kaum hatte. Und genau das soll sich nun eben ändern. Für ihren neuen Lebensabschnitt haben Harry und Irmgard Kaiser schon so einiges geplant. „Wir haben ein sogenanntes Reisemobil. Wir brauchen ja nicht viel. Und wir beide lieben es, zu reisen.“ In der Vergangenheit konnten sie lediglich immer für zwei oder drei Tage in den Urlaub fahren. Jetzt ist die Freude umso größer, sich in das eigene Reisemobil, einen VW-Bulli, zu setzen, den Motor zu starten und einfach loszufahren. In Zukunft wollen beide viele verschiedene Orte sowie die Nord- und Ostsee ausgiebig erkunden, die gemeinsame Zeit, die in der Vergangenheit außerhalb der Arbeit nur begrenzt da war, zu genießen. „Und Harry ist Jäger“, fügt die 61-Jährige hinzu. „Das möchte er dann jetzt auch mal endlich ausleben.“