Gevelsberg. Verwirrung um KAG-Beiträge in Gevelsberg: Mehrere Straßen werden zeitgleich saniert, die einen Anwohner könnten zahlen, die anderen nicht.

Es ist ein Thema, das in Sachen Komplexität seinesgleichen sucht: Anliegerbeiträge nach Kommunalabgabengesetz, kurz KAG-Beiträge. Sie fallen zur Finanzierung bestimmter Straßenbaumaßnahmen an und werden anteilig auch von den Anliegern getragen. Die Höhe des Anteils hängt von der Art der Straße, aber auch der Grundstücke ab. Dabei können für Anlieger mitunter einige tausend Euro an Kostenbeteiligung anfallen.

Um eine finanzielle Überlastung der Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden, hat die Landesregierung zusammen mit dem Landtag in Nordrhein-Westfalen das Kommunalabgabengesetz zum 1. Januar 2020 geändert. Dazu entstand ein landeseigenes Förderprogramm, das die Betroffenen um 50 Prozent der Kosten für die jeweilige Straßenbaumaßnahme entlasten sollte. Am 24. März 2022 beschloss der Landtag schließlich eine 100-prozentige Entlastung, die auch rückwirkend gilt.

Die Fördergelder dafür beantragen die Städte und Gemeinden. Die NRW-Bank zahlt diese nach einer Bewilligung schließlich aus. Für welche Maßnahmen es Geld gibt oder nicht, hängt von einer Richtlinie ab. Eine bestimmte Formulierung innerhalb dieser Förderrichtlinie wirft in Gevelsberg aber Fragen auf. Durch sie könnte es aus Sicht der Stadt nämlich zu einem kuriosen Fall kommen.

Kein Geld für Brüderstraße?

Dabei geht es um die Brüderstraße, die Berchemallee und die Breitenfelder Straße. Die Brüderstraße bekam auf einem Teilstück in 2019 neue Gehwege und eine neue Fahrbahn. Die Berchemallee hat auf einem Teilstück 2019 ebenfalls eine neue Fahrbahn bekommen. Und auch die Breitenfelder Straße bekam 2020 stellenweise eine neue Fahrbahn.

Für die Berchemallee beantragte die Stadt 2020 eine Förderung von mehr als 50.000 Euro, die auch bewilligt wurde. 2021 gab es mehr als 92.000 Euro für die Breitenfelder Straße. Im März 2022 ging es schließlich um die Förderung für die Brüderstraße in Höhe von mehr als 47.000 Euro. Hier sperrt sich die NRW-Bank auf einmal.

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Das Problem: Die Stadt Gevelsberg hatte mit Bezug auf die Maßnahme in der Brüderstraße schon vor dem Jahr 2018 Mittel in ihren Haushalt eingestellt. In der Förderrichtlinie steht sinngemäß aber unter anderem, dass die Kosten nur übernommen werden, wenn diese erstmalig im Haushalt 2018 stehen. Bedeutet: Hat die Stadt vor 2018 schon Geld für eine Straßensanierung eingeplant, zahlt die NRW-Bank nicht dafür.

Hohe Kosten für Anwohner

„Für den Fall, dass die Zuwendung nicht bewilligt wird, bedeutet das für die Anlieger in der Brüderstraße, dass sie zu dem vollen Beitrag herangezogen werden müssen“, erklärt die Stadt Gevelsberg. Die Rede ist von 95.163,25 Euro. Diese müsste sie im schlimmsten Fall auf 20 Anwohner verteilen, wie Björn Remer, Fachbereichsleiter Stadtentwicklung und Umwelt bei der Stadt, auf Nachfrage der Redaktion erklärt. Für einzelne könnten so mittlere bis hohe vierstellige Beträge anfallen.

Die Brüderstraße in Gevelsberg hat 2019 neue Gehwege und eine neue Fahrbahn bekommen. Jetzt könnten Anwohner dafür zahlen müssen.
Die Brüderstraße in Gevelsberg hat 2019 neue Gehwege und eine neue Fahrbahn bekommen. Jetzt könnten Anwohner dafür zahlen müssen. © WP | Carmen Thomaschewski

Aus Sicht der Stadt dürfte den Anliegern in der Brüderstraße schwer zu vermitteln sein, dass sie die Beiträge zu 100 Prozent zahlen müssen, während ihre „Nachbarn“ für die im gleichen Zeitraum durchgeführten Straßenbaumaßnahmen in der Berchemallee und der Breitenfelder Straße sogar rückwirkend zu 100 Prozent entlastet werden.

Die Frage: Geht es in der Förderrichtlinie darum, dass die tatsächliche Baumaßnahme nicht vor 2018 im Haushalt stehen darf? Oder sind auch Gelder für Vorarbeiten für eine Baumaßnahme davon betroffen? Die Stadt erklärt, dass sie die neuen Gehwege und die neue Fahrbahn für die Brüderstraße nämlich tatsächlich erst 2018 veranschlagt hat.

Klärung mit Ministerium

„Aufgrund des Alters der Brüderstraße (mit der Anlegung wurde um das Jahr 1900 begonnen) musste davon ausgegangen werden, dass der Unterbau PAK-haltiges Material enthalten würde“, steht es in Unterlagen der Stadt an die Gevelsberger Politik. „Die Entsorgung dieses Materials verursacht regelmäßig hohe Deponiekosten.“ Dafür habe die Stadt schon in 2017 Baugrunduntersuchungen und chemische Bodenanalysen beauftragen wollen. Für diese und für gegebenenfalls weitere Vorarbeiten bildete sie für den Haushalt 2017 einen Ansatz von zunächst 25.000 Euro.

Über den Städte- und Gemeindebund NRW hofft die Stadt Gevelsberg nun, eine Klärung der aus ihrer Sicht strittigen Formulierung herbeizuführen. Ansprechpartner dafür sei die zuständige Fachabteilung im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBD NRW).

„Unsere Meinung ist, dass die NRW-Bank keinen Prüfauftrag hat“, macht Fachbereichsleiter Björn Remer außerdem deutlich. Diese solle nur auszahlen. Dabei spricht Remer auch ohnehin stattfindende Kontrollen durch sogenannte Landesrechnungsprüfer an, die Jahre nach Fördermaßnahmen stichprobenartig kontrollierten, ob dabei alles richtig gelaufen sei.

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Die Stadt trete in der Regel bei allen Straßenbaumaßnahmen in Vorkasse. „Anwohnerfreundlicher wäre, wenn im Nachhinein ein Landesrechnungsprüfer kommt und sagt: ,das hättet ihr nicht auszahlen dürfen.’ Dann wäre es zu unseren Lasten, weil wir die Bescheide schon erstellt haben“, so Remer. Mit Blick auf die mögliche Ungleichbehandlung der Anwohner sagt er: „Besser ist es aus unserer Sicht, wenn die Stadt Jahre später zahlt, als es den Anwohnern so zu vermitteln.“