Gevelsberg. Hans Salzmann und seine Ehefrau hätten Eiserne Hochzeit gefeiert. Sie stirbt kurz vorher. Was dann passiert, erschüttert den Gevelsberger.
65 Jahre wären Hans Salzmann und seine Waldtraut in diesem Jahr verheiratet gewesen. Eiserne Hochzeit nennt sich dieses besondere Jubiläum. Stichtag: der 27. Juli. Als die Beiden sich das Ja-Wort gaben, war es 1957, die Bundesrepublik Deutschland noch in den Kinderschuhen.
Zur Feier im Jahr 2022 kommt es aber nicht. Waldtraut Salzmann verstirbt leider ein paar Wochen vorher, im Alter von 91 Jahren. Todestag: 31. Mai. Ihre Beisetzung folgt am 9. Juni auf dem städtischen Friedhof in Berge. Die Daten sind in diesem Fall wichtig, um das einordnen zu können, was danach passiert.
Noch unter dem Eindruck des schrecklichen Verlustes fängt der 87-Jährige aus Gevelsberg an, sich in den neuen Alltag einzufinden, Sachen auszusortieren, Angelegenheiten mit Behörden oder auch Versicherungen zu regeln – als ihm ein Schreiben der Stadt Gevelsberg sprichwörtlich den Boden unter den Füßen wegzieht.
Schreiben von NRW-Ministerpräsident
Datiert auf den 20. Juni und adressiert an ihn und seine zu diesem Zeitpunkt schon verstorbene Frau erreicht ihn die Information, dass der Bürgermeister, eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter am 27. Juli bei ihnen vorbeikommen möchte, um persönlich zur Eisernen Hochzeit zu gratulieren. Quasi zeitgleich – datiert auf den 21. Juni – erhält Hans Salzmann die Urkunde der Stadt Gevelsberg über das Nutzungsrecht an einer Grabstätte. Ebenso den Gebührenbescheid der Friedhofsverwaltung.
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Der Witwer versteht die Welt nicht mehr. „Es ist bekannt, dass meine Frau tot ist“, ärgert er sich. „Im Zeitalter des Computers darf so etwas doch nicht passieren.“ Hans Salzmann ruft direkt am nächsten Tag bei der Stadt an, habe dort mit einer Mitarbeiterin gesprochen, die sich schockiert gezeigt und ihr Beileid ausgedrückt habe. Eine weitere Reaktion aus dem Rathaus im Nachhinein bleibt laut seinen Angaben aus.
Die Geschichte geht aber noch weiter. Zum 27. Juli geht ein Schreiben von Hendrik Wüst, dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, bei Hans Salzmann ein. Ebenfalls an ihn und seine Frau adressiert, mit Glückwünschen zur Eisernen Hochzeit. „Direkt danach habe ich in Düsseldorf angerufen“, sagt der Senior. Auch dort habe sich ein Mitarbeiter schockiert gezeigt. „Ich wollte wissen, woher die die Info zur Eisernen Hochzeit haben“, so Salzmann weiter. „Da hieß es, die Stadt Gevelsberg habe das mitgeteilt.“
Stadt Gevelsberg räumt Fehler ein
Doch auch hier ist die Sache noch nicht zu Ende. Zu guter Letzt steckt ein Umschlag aus Berlin in Salzmanns Briefkasten. Kein Geringerer als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der höchste Mann im Staate, gratuliert den Eheleuten zum besonderen Jubiläum. „Es ist schön zu wissen, dass Menschen so lange durch viele Jahrzehnte glücklich zusammenleben, alles teilen und Verantwortung füreinander und für andere übernehmen“, steht es in dem Brief. Und weiter: „Das besondere Glück, die Eiserne Hochzeit feiern zu können, wird nur wenigen zuteil.“
Für Hans Salzmann setzt das dem Ganzen die Krone auf. „Wissen Sie, wenn immer diesen Sachen kommen…“, beginnt der 87-Jährige zu erklären, bis ihm die Stimme stockt und die Tränen kommen. „Immer wieder Waldtraut“, sagt er. „Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn am 27. Juli jemand mit Blumenstrauß und Glückwünschen vor der Tür gestanden hätte.“
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Aber wie konnte es dazu kommen? Der Fehler lag im Gevelsberger Rathaus. Andreas Saßenscheidt, seines Zeichens Kämmerer und Fachbereichsleiter Zentraler Service, Bürger- und Ordnungsdienste bei der Stadt, bestätigt den Vorfall auf Nachfrage der Redaktion. „Wir können den Ärger verstehen und es tut uns leid“, macht Saßenscheidt deutlich und verspricht: „Herr Salzmann wird von uns auch noch mal ein entsprechendes Schreiben mit einer Entschuldigung bekommen.“
Abgleich mit Liste geht schief
Dann erklärt er die Systematik, innerhalb derer es zu dem Fehler kam: „Wir haben zwei getrennte Listen: für Geburtstage und für Jubiläen.“ So hätte Waldtraut Salzmann im Juni 2022 eigentlich ein Gratulationsschreiben zu ihrem Geburtstag bekommen. „Als aus dem Bürgerbüro die Info über Frau Salzmanns Tod kam, wurde ihr Name aus der Geburtstagsliste entfernt“, schildert Andreas Saßenscheidt. „Es hat aber keinen Abgleich mehr mit der zweiten Liste gegeben, weshalb das Schreiben mit der Ankündigung rausging.“
Der Kämmerer bestätigt auch, dass Hans Salzmann sich danach gemeldet habe. „Eine Kollegin hat ihm ihr Beileid ausgedrückt und sich auch entschuldigt“, sagt er. Das Problem, so die Erklärung aus dem Rathaus: In der letzten Maiwoche, also kurz vor Waldtraut Salzmanns Tod, sei die Eiserne Hochzeit an Land und Bund gemeldet worden.
Die Verwaltungsspitze spricht von einem Glückwunschwesen, das viele Kommunen bereits eingestellt hätten und das etwas mit Wertschätzung zu tun habe. Mindestens 120 Gratulationen im Monat würden im Rathaus bearbeitet.
Schriftliche Entschuldigung
Eine Vertretungskraft habe es versäumt, den Tod bei Land und Bund nachzumelden. Die Abgleiche der Listen mit den Todesfällen erfolgten händisch, wie der Kämmerer erklärt. Aus Datenschutzgründen könne das nicht automatisiert erfolgen. Die Gratulationen und beispielsweise das Verschicken von Friedhofsbescheiden seien zwei voneinander getrennte Vorgänge.
Von einem mit Herrn Salzmanns vergleichbaren Fall sei im Rathaus bislang nichts bekannt geworden. Die angekündigte schriftliche Entschuldigung der Stadt hat Hans Salzmann zeitnah nach Anfrage der Redaktion im Rathaus erhalten. „Für mich ist es mit der Entschuldigung getan“, sagt er der 87-Jährige. Er möchte mit dem Thema jetzt nur noch abschließen.