Ennepetal. Öko-Landwirtin Beate Brinkmann wendet sich gegen das geplante Neubaugebiet an der Vilvoorder Straße in Ennepetal. Das sind ihre Argumente.
„Wie lässt sich besserer Klimaschutz betreiben als durch den Erhalt der letzten landwirtschaftlichen Flächen in Ennepetal?“ Mit dieser Frage wendet sich Beate Brinkmann, Betreiberin des Gutes Braband in Voerde, gegen die geplante Bebauung an der Vilvoorder Straße. Gemeinsam mit ihrem Sohn Jakob, der den Bio-Landwirtschaftsbetrieb voraussichtlich in einigen Jahren übernehmen wird, fordert sie eine Umstrukturierung in der Bebauungs- und Flächennutzungsplanung der Stadt – „ohne den perspektivlosen Gedanken, landwirtschaftliche Nutzfläche unwiderruflich zu versiegeln. Daher solle das Bauprojekt eingestellt werden, meinen beide.
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Brinkmanns bewirtschaften bereits seit etwa 20 Jahren die Fläche, die für eine Bebauung vorgesehen ist. Eigentümerin ist inzwischen die Stadt, die das Areal von privat erworben hatte. Die Brinkmanns sind Pächter. Gerade haben sie dort Gras geerntet, das als Winterfutter dienen wird. Zuvor haben sie auf der etwa fünf Hektar umfassenden Fläche auch Weizen, Gerste und Hafer angebaut. Würden diese Flächen wegfallen, so Beate Brinkmann, wäre das für ihren Betrieb zwar nicht unmittelbar existenzbedrohend – „es würde uns das Leben aber enorm schwer machen.“ Es gebe auf Voerde-Nord keine alternativ nutzbaren Flächen. „Wir sind, neben dem Schultenhof, der einzige Ökobauer in Ennepetal, das Augenmerk unserer Produktion liegt auf Nachhaltigkeit“, betont Beate Brinkmann. „Und jetzt sollen wir noch Land abgeben, wo wir doch ohnehin schon mit der Trockenheit klar kommen müssen.“ Insgesamt 100 Hektar bewirtschaftet sie mit Gut Braband, das eine Angusrind-Herde, Schweine und Gänse hat, Getreide anbaut und Grünland bewirtschaftet, Waldwirtschaft betreibt und nicht zuletzt Weihnachtsbäume vermarktet.
Bebauungsplan 2017 auf den Weg gebracht
Soll an der Vilvoorder Straße ein Neubaugebiet entstehen? Mit dieser Frage beschäftigen sich Politik und Verwaltung bereits seit Jahren. Auf Basis des Gebietsentwicklungsplans (Regionalplan) hatte die Stadt die Fläche 2014 bei der damaligen Neuaufstellung des Flächennutzungsplans für Wohnbebauung vorgesehen. Nachdem bereits 2017 der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gefasst worden war, ruhte das Verfahren zunächst. Im vergangenen Januar gab die Politik dann grünes Licht, das Verfahren fortzuführen.
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„Die Zeiten haben sich geändert“, meint Beate Brinkmann, an deren Seite sich übrigens auch der Vorsitzende des landwirtschaftlichen Kreisverbands, der Ennepetaler Dirk Kalthaus, gestellt hat. Nicht zuletzt hätten Klimafolgen, Covid19-Pandemie und der Krieg mitten in Europa gezeigt, wie wichtig eine zukunftssichere Landwirtschaft in Deutschland sei, so Brinkmann. „Wenn man nicht jetzt umdenkt, wann dann?“ In einer ausführlichen Stellungnahme zum Bebauungsplan Nr. 96 „Nördlich Vilvoorder Straße“ zieht sie die Abschlusserklärung der Agrarministerkonferenz im Rahmen des „Global Forum für Food and Agriculture“ (vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veranstaltete internationale Konferenz zu ernährungs- und agrarpolitischen Fragen): „Gesunde Böden sind der Schlüssel zu ausreichend sicheren und gesunden Lebensmitteln, zur Anpassung an den Klimawandel und zum Erhalt der biologischen Vielfalt.“ Es gelte daher Versiegelungen, wie sie durch Neubaugebiete erfolgen, zu reduzieren. Statt Neubausiedlungen mit Einfamilienhäusern am Ortsrand gebe es Ideen wie innerstädtische Wohnparks für junge Familien.
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Nicht zuletzt weist Beate Brinkmann auf den enormen Anstieg der Bodenpreise hin. Die Fläche an der Vilvoorder Straße selbst zu erwerben, sei ihr unmöglich gewesen. „Wenn die Stadt bietet, können wir nicht mithalten“, sagt sie. Auf der anderen Seite habe sie sechs Hektar Waldfläche an der Aske aus eigenen Mitteln neu angepflanzt, nicht zuletzt, um das Naherholungsgebiet aufrecht zu erhalten. Die Bäume dort seien vom Borkenkäfer befallen gewesen, das Holz habe sie nur zu Spottpreisen verkaufen können. „Wir tragen immer die Rechnung“, so Brinkmann.
22 bis 24 Häuser sind vorgesehen
Er könne die Argumente von Beate Brinkmann ein Stück weit nachvollziehen“, meint Ulrich Höhl, Leiter der Abteilung Planung und Bauordnung im Rathaus. Aber diesen Themen müsse sich ein Bebauungsplanverfahren widmen. „Es gilt, alle Belange gegeneinander und miteinander abzuwägen. Und es gibt eben auch andere Belange“, so Höhl. Es gebe bei der Stadt immer noch Listen mit Anfragen nach Baugrundstücken. Das Gebiet an der Vilvoorder Straße sei mit maximal 22 bis 24 Häusern außerdem nicht sehr groß, daher gehe er davon aus, dass es trotz zunehmend schwierigerer Rahmenbedingungen für Hausbauer eine Nachfrage bestehe. Am Ende, so Höhl, liege es beim Rat der Stadt, eine Entscheidung zu treffen, ob und unter welchen Bedingungen ein Baugebiet entstehen solle. Er ergänzte, dass es – eine Entscheidung für die Bebauung vorausgesetzt – sicher noch zwei bis drei Jahre dauern werde, bis mit der konkreten Planung begonnen werden könnte.