Schwelm. Die Bolzplätze sind geschlossen, doch in den Bussen drängen sich die Kinder im EN-Kreis dicht an dicht. Den Eltern fehlt das Verständnis.

„Das ganze Land spricht von Distanz und unsere Kinder müssen sich in proppevolle Schulbusse zwängen“. Während die Politik über Lösungen nachdenkt, wie Unterricht in Corona-Zeiten stattfinden kann, beklagen immer mehr Eltern im Ennepe-Ruhr-Kreis die Zustände auf dem Weg dorthin. VER und der Ennepe-Ruhr-Kreis hingegen sehen nicht die aktuelle Lage als ein Problem, sondern das, was in den nächsten Wochen noch kommen könnte.

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Zwischen „unhaltbaren Zuständen“ und „alles ganz normal“ pendeln die Meinungen zu dem Schulbus-Thema, je nachdem, mit wem man spricht. „Ich mache seit Monaten den Kutscher, weil ich das den Kids nicht antun möchte. Es ist eh schon stickig in den Bussen und dann so überfüllt. Aber nachmittags zusammen Bolzen an der frischen Luft ist verboten, genau mein Humor“, bringt eine Mutter, die sich in den sozialen Netzwerken Carina Bng nennt, ihr Unverständnis über die aktuellen Corona-Regeln im Zusammenhang mit dem Schulbusverkehr auf den Punkt. Heidi Jesinghaus pflichtet ihr bei und geht sogar noch weiter: „Das ist so lächerlich, die Kids in enge und überfüllte Busse zu quetschen und Bewegung, sprich Trainings, Bolzen etc. an der frischen Luft zu verbieten. Alles unausgereift und nicht vertretbar. Auch wir fahren seit Wochen unseren Jungen zur Schule“.

Unausgereift und nicht vertretbar? Für Tanja Böhr hat das nicht nur was mit Corona zu tun. „Seit Jahren sind die Schulbusse morgens so überfüllt, dass Kinder an den Haltestellen stehen gelassen werden, weil echt niemand mehr reinpasst. Höchstabstand zum Nachbarn circa 10 cm, das️ ist die Regel. Was soll man dazu noch sagen?“ Und Sascha Radischnigg schreibt: „Es ist leider nicht nur bei Schulbussen so.“ „Plan- und kopflos“, fällt Sascha Hölterhoff dazu nur ein.

Mindestabstand gilt in Bussen nicht

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Das ist die eine Seite der Wahrnehmung. Die andere kommt von der VER und vom Kreis. Das heimische Verkehrsunternehmen besorgt den Schülerverkehr im Auftrag des Ennepe-Ruhr-Kreises. „Das ist eine subjektive Wahrnehmung. Objektiv betrachtet, sind die Busse momentan nicht überfüllt“, erklärt die Sprecherin von Bogestra und VER, Sandra Bruns. Dies würden Zahlen belegen, die während der vergangenen Monate erhoben wurden. Messungen hätten ergeben, so die Bogestra/VER-Sprecherin, „dass wir noch lange nicht bei den Fahrgastzahlen von vor Corona sind“.

Sandra Bruns verweist darauf, dass in Bussen die Maskenpflicht gilt, aber nicht der Mindestabstand von 1,5 Metern. Studien würden auch zeigen, dass der Öffentliche Personennahverkehr kein Corona-Hotspot sei. Dennoch gebe es Fahrgastgrenzen, ab denen aus Gründen des besonderen Corona-Schutzes zusätzliche Busse angefordert werden können, deren Kosten dann das Land NRW übernimmt. Die Obergrenze liegt laut Ennepe-Ruhr-Kreis bei 50 Fahrgästen in Solobussen und bei 70 in Gelenkbussen.

Diese Grenzen hatten kurz nach den Sommerferien zu Anpassungen im Schülerverkehr geführt. Der EN-Kreis hat bis zum Start der Weihnachtsferien etwa 20 tägliche Zusatzfahrten beauftragt, für die es auch eine Förderung gibt. Elf davon entfallen auf die VER und je fünf auf die Bogestra und den Busverkehr Rheinland (BVR). „Seitdem hat es vereinzelte Beschwerden gegeben. Diesen wurde und wird stets nachgegangen. Bis heute haben sie zu keinen zusätzlichen Fahrten geführt“, teilte Kreissprecher Ingo Niemann mit.

Zusatzfahrten kaum noch möglich

Was aber stimmt denn nun? Gibt es genügend Fahrzeuge, gibt es überfüllte Busse oder liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen? Sandra Bruns weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es in den Bussen wieder mehr Sitzplatzkapazitäten gebe, seitdem die vorderen Sitze, die lange mit Flatterband abgesperrt waren, freigegeben sind. Und sie rät dazu, von den zusätzlichen Einsatzfahrzeugen auf den Schülerbuslinien unbedingt Gebrauch zu machen. „Das entzerrt.“

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Auch der Kreis richtet einen Appell in Richtung Schüler: „Wenn auf Eurem Schulweg mehrere Busse eingesetzt werden, solltet Ihr nicht den ersten nehmen, der kommt. Das Einsteigen in einen der Folgebusse vermeidet unnötigen Enge in Bus 1 und Leere in den Folgebussen.“ Mit einer kleinen Verhaltensänderung könnten die Schüler so zu einer Verbesserung beitragen, heißt es aus dem Kreishaus.

Zur Wahrheit gehört auch, dass es momentan nur schwer möglich wäre, überhaupt mehr Busse auf die Strecken zu bringen, selbst wenn der Kreis dies wollte. „Weitere Zusatzfahrten zu bekommen, würde angesichts der Marktlage sicher schwierig werden“, erklärte Kreissprecher Ingo Niemann. Nicht nur Busse seien wegen Corona aktuell schwer zu bekommen, sondern auch Fahrer. Infrage kämen ohnehin nur Unternehmen und Personal aus der Region. Es rechnet sich nicht, für eine Fahrt am Morgen und eine nach dem Schulende aus dem Sauerland oder sonst woher in den Ennepe-Ruhr-Kreis zu kommen.

Zahlen steigen mit schlechtem Wetter

Genau diese Situation, zusätzliche Busse ordern zu müssen, ohne welche zu bekommen, könnte dem Ennepe-Ruhr-Kreis als Auftraggeber schon bald drohen. Denn, wie die Bogestra/VER-Sprecherin Sandra Bruns erklärte: „Die Fahrgastzahlen werden jetzt steigen. Wegen des Wetters.“ Das wisse man aus den Vorjahren.

Der EN-Kreis hat den Verkehrsunternehmen, die im Kreisgebiet unterwegs sind, schon im Sommer den Auftrag erteilt, die „Situation auf allen Linien und auf dem Weg zu allen Schulen zu beobachten“. Genau dies wird in den kommenden Wochen eine zunehmend wichtige Rolle spielen. In Richtung Landespolitik war aus dem Kreishaus im Zusammenhang mit der Schulbus-Thematik bereits deutliche Kritik zu vernehmen. Über ihren Sprecher Ingo Niemann ließ die von Landrat Olaf Schade geführte Kreisverwaltung wissen: „Deutlich weniger eng würde es in den Bussen auch zugehen, wenn Schulen alternierend Präsenz- und Distanzunterricht anbieten könnten.“

Nach den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen zu Corona ist ein solcher Hybrid-Unterricht als zusätzliche Schutzmaßnahme bei einem Infektionsgeschehen mit einer Inzidenz oberhalb von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern pro Woche angedacht. Davon ist der Ennepe-Ruhr-Kreis momentan – zum Glück – ein Stück weit entfernt. Diese Varianten hält der Krisenstab des Kreises aber auch für die neun EN-Städte für sehr sinnvoll.

Diese Maßnahmen hat die VER ergriffen

Die VER bedient nach eigener Aussage täglich etwa 43.000 Fahrgäste auf 50 Linien.

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Mit großem Aufwand wurde bereits ein Teil der eigenen und 40 Fahrzeuge von Fremdunternehmen mit Trennscheiben aus Sicherheitsglas im Fahrerbereich ausgestattet, um dem Infektionsschutz in Corona-Zeiten für Beschäftigte und Fahrgäste nachzukommen und bei den umgerüsteten Bussen wieder den Ticketverkauf beim Fahrer anbieten zu können. Insgesamt investierte die VER in die Maßnahme rund 140.000 Euro.

Auch die VER-Kundencenter wurden mit Trennscheiben ausgestattet, so dass Beratung und der Verkauf funktionieren. Die Kundencenter in Gevelsberg an der Mittelstraße und am Busbahnhof in Schwelm sind so auch im Teil-Lockdown geöffnet .

In Zeiten, in denen kontaktloser Informationsaustausch sowie Online-Bezahlmöglichkeiten immer wichtiger werden, weist die VER auf ihre App als digitalen Begleiter inklusive Ticketshop hin. Mit ihr erhält man Zugriff auf Fahrplanauskünfte in Echtzeit, erfährt die Abfahrtszeiten, sieht die nächst gelegene Haltestelle und bekommt aktuelle Verkehrshinweise. Durch die Integration des Ticketshops erhält man bei der Routenwahl automatisch – so sagt die VER – auch das preisgünstigste Ticket.