Gevelsberg: Christina Hansen-Böck berichtet über den Arbeitsalltag in der Rats-Apotheke und die Themen, die vor Corona nie denkbar waren.

Ich habe den Eindruck, dass immer weniger Menschen in die Apotheke kommen. Sie sind aber nicht weniger krank. Sie vermeiden es zum Arzt gehen, weil sie Angst haben, sich mit dem Corona-Virus anzustecken. Deshalb wird auch insgesamt weniger verschrieben, und trotzdem sind nicht alle Medikamente immer erhältlich. Es hat sich vieles verändert, nichts ist mehr planbar. Hätte mir jemand gesagt, dass ich in meinem Arbeitsleben einmal tagelang im Labor sitze und hunderte Liter Desinfektionsmittel herstellen würde, weil nichts mehr zu kriegen ist, den hätte ich für verrückt erklärt.

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Mittlerweile gibt es wieder alles. Und das mit der Verfügbarkeit von Medikamenten war auch vorher schon ein Problem. Corona hat es aber nicht besser gemacht und bei Antibiotika, die meist in China hergestellt werden, hat man im Frühjahr deutliche Engpässe gemerkt. Auch die Dosen für die Grippeschutzimpfung waren nicht ausreichend. In diesem Jahr haben sich viel mehr Menschen impfen lassen als sonst.

Wer bei uns ein Rezept einlösen will, kann das auch telefonisch oder per Internet. Unsere Fahrerin klingelt dann an der Haustür an, die Kunden legen das Geld in einem Umschlag auf die Fußmatte und schließen wieder die Wohnungstür. Das Wechselgeld kommt ebenfalls in den Umschlag und die Tüte wird auf die Fußmatte gelegt. So kriegen wir es hin, dass kein persönlicher Kontakt notwendig ist. Unser Team arbeitet zudem im Schichtbetrieb, um Abstand zu halten und falls doch mal was passiert, dass nicht alle ausfallen. Das ist anstrengend aber der richtige Weg, um die Apotheke offen halten zu können. Die Kunden verlassen sich auf uns.

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Ob ich mich in der Apotheke sicher fühle? Auf jeden Fall. Wir haben im Frühjahr eine neue Klimaanlage einbauen lassen, die 99 Prozent der Viren und Bakterien herausfiltert. Das war aber Zufall, das wir das gemacht haben. Die Anlage musste ausgetauscht werden, da haben wir an Corona noch gar nicht so gedacht. Ich habe einen Gevelsberger Handwerker beauftragt, um als Schutzmaßnahme eine Plexiglasscheibe an allen drei Kassenarbeitsplätzen passend anzufertigen. Darüber bin ich froh. Und seit etwa fünf Wochen tragen alle Mitarbeiter FFP2-Masken. Da gehe ich lieber auf Nummer sicher auch wenn es mehr kostet. Jetzt sind ja Masken wieder erhältlich. Auch Desinfektionsmittel.

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Im Frühjahr sah das ganz anders aus. Es gab für alle Apotheken eine Sondergenehmigung, um Desinfektionsmittel herstellen zu dürfen. Dann kamen wir aber nicht an den Ethanol dran, den haben wir dann kanisterweise bei Habbel gekauft. Dann gab es keine Flaschen zum Abfüllen. Wo ich überall angerufen habe, um die zu bekommen. Und was ich alles bezahlt habe.

Meine Ausgaben sind ganz klar gestiegen und die Zahl der Kunden gesunken. Aber wir kommen klar, da wir auch viele Heime und Pflegedienste mit Medikamenten versorgen. Bei anderen sieht das anders aus. Nicht unbedingt in Gevelsberg, aber in anderen Kreisen. Beratungen laufen unverändert, außer, dass man sich wegen der Masken und der Plexiglasscheibe eher anschreit als unterhält. Aber Aufklärung ist wichtig, wegen möglicher Wechselwirkungen.

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Ich rate jedem, auch beim Einkaufen eine FFP2-Maske zu tragen. Achten Sie dabei auf das CE-Kennzeichen und die geprüfte DIN-Norm. Getragen werden kann die Maske bis zu sechs Stunden. Wer also eine Stunde lang einkaufen geht, kann die Maske ruhig ein zweites Mal nutzen. Dann sollte sie aber in einer Plastiktüte aufbewahrt werden.

Schnelltests sind auch immer Thema bei unseren Kunden. Diese 25er-Packungen gibt es aber nur für Ärzte und Heime, für die Apothekenmitarbeiter gibt es keine. Das verstehe ich nicht, wir haben ja auch viel mit Kranken zu tun. Soviel zur Arbeit. Und privat? Nahe Angehörige habe ich nach dem Tod meines Vaters nicht mehr. Nur noch einen Onkel, aber den habe ich seit Monaten nicht mehr gesehen, wegen der Pandemie. Viele Freunde ebenfalls nicht. Auch das Essen gehen fehlt mir.

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Klar, das geht jedem so, was ich aber besonders vermisse, ist das Planbare. Man muss bei allem spontan sein, weil sich stündlich etwas ändern kann. Neue Verordnungen, Vorgaben, Absagen. Statt drei Wochen Transatlantikkreuzfahrt gab es zwölf Tage Rügen. Dann musste ich zurück in die Apotheke. Das ist schon sehr anstrengend. Beruflich und privat.

Was gut ist, wir erkunden die Umgebung und lernen vieles neu kennen. Und noch was Positives: Die Kunden sind geduldiger geworden. Und ich bin froh und dankbar arbeiten zu können.

Aufgeschrieben von
Carmen Thomaschewski

Vor einem Jahr feierte die Rats-Apotheke an der Mittelstraße ihren 60. Geburtstag. Seit 50 Jahren kümmert sich die Apotheker-Familie Hansen um das medizinische Wohlergehen der Gevelsberger. Erst Dietmar Hansen und seit 2009 seine Tochter Christina Hansen-Böck. Für unsere Leser schildert sie, wie sich ihre Arbeit verändert hat.