Balve. Die ZDF-Reihe „Terra X“ vermittelt Geschichte unterhaltsam. Balves Pfarrarchivar Rudolf Rath kann das auch. Dienstag stellt er‘s vor.
Rudolf Rath ist ein Tausendsassa. Dafür wird der Balver bewundert, und manchmal gibt es auch Neider. So viel steht fest. Im Berufsleben war Rudolf Rath Sozialarbeiter. Im Ehrenamt war er in der Jugendarbeit unterwegs, in Kommunalpolitik und Kirche. In Balve gilt Rudolf Rath als Balves dienstältester Nikolaus, inzwischen hat er Mitra und Bischofsstab an eine jüngere Generation weitergereicht. Für eine Einrichtung schlägt sein Herz immer noch: fürs Pfarrarchiv. Unermüdlich wirbt er für das Gedächtnis der Geschichte der katholischen Kirche im oberen Hönnetal – so unermüdlich, dass Rudolf Rath noch immer neue Ideen produziert. Welches Projekt hat er diesmal umgesetzt?
Der Pfarrarchivar von St. Blasius ist in der Regel unter der Woche vormittags am Schreibtisch seiner lichtdurchfluteten Wirkungsstätte im Erdgeschoss des Pfarrheims anzutreffen. Anmeldung ist hilfreich. Aber auch Besuche auf gut Glück können zum Ziel führen.
Bereits vor längerer Zeit hat der Archivar durchblicken, dass er an einer neun Broschüre arbeite: Broschüre Nummer drei. Beim Gespräch Ende April hat sie bereits weitgehend Gestalt angenommen. Worum geht’s?
Rudolf Rath will das nach zeitgemäßen Gesichtspunkten eingerichtete und geführte Archiv erklären, zumal dort immer mehr Dokumenten aus immer mehr Gemeinden des ehemaligen Amtes Balve zusammenkommen. Zugleich weiß der Archivar aus jahrzehntelanger Berufserfahrung, dass dröge Information erst durch flüssige Darstellung genießbar wird: das Prinzip „Terra X“. Was hat er sich einfallen lassen?
„Ich hatte viel Material zusammengetragen, und in einer schlaflosen Nacht hatte ich plötzlich eine Idee. Da dachte ich: Jetzt hast Du die richtige Spur“, erzählt Rudolf Rath von Vorarbeiten. Als richtige Spur soll sich ein – erfundenes – Gespräch zwischen Opa, Enkel und Archivar erweisen. Es geht um nichts weniger als Sinn, Zweck und Funktion der Dokumenten-Sammlung. „Das Gespräch baut auf der Neugierde von Opa Hermann und Enkel Sven auf“, erzählt Rudolf Rath. Die fiktive Geschichte beginnt mit einem Krankenhausbesuch und endet im Archiv. Sie füllt 100 Seiten. Mehr als 50 Fotos – unter anderem von WP-Fotograf Sven Paul – ergänzen die Texte.
Die Broschüre richtet sich an Geschichtsinteressierte, gern auch an Verantwortliche von Vereinen und Verbänden, Unternehmen und Einrichtungen, die das Pfarrarchiv besuchen, mehr noch, nutzen wollen. Rudolf Rath betont, dass er nicht nur Material aus Pfarrbüros, sondern auch Chroniken kirchlicher Laien-Organisationen wie der Kfd gesammelt habe – oder wie dem ehemaligen Förderverein des Balver Krankenhauses. Zuweilen kamen Vorstandsmitglieder, aber auch Privatleute auf Rudolf Rath zu – manchmal jedoch war es genau umgekehrt. „Dann habe ich gefragt: Was passiert eigentlich mit Eurem Material?“, berichtet der Pfarrarchivar. Sollten Verantwortliche die Absicht gehabt haben, Historisches als vermeintlich wertlosen Kram wegwerfen zu wollen, schritt Rudolf Rath ein: „Das könnt Ihr nicht machen – das ist alles ein Teil der Geschichte der Stadt Balve.“ Rudolf Rath: „Das Archiv lebt vom Nehmen, aber auch vom Geben.“
Dass ein Archiv nimmt, leuchtet ein. Aber inwiefern gibt es? Rudolf Rath erwidert prompt: „Manchmal habe ich konkrete Anfragen, und dann kann ich Material herausgeben.“
Förderprogramme wie „Heimatscheck“
Das Heftchen ist gratis zu haben. Dafür gibt es einen guten Grund oder, besser gesagt, gute Förderprogramme. So wurde die Produktion durch einen „Heimatscheck“ der NRW-Landesregierung gefördert. Auch das Erzbistum Paderborn und die Heimatwacht Balve gaben Geld. Sie gaben gern, weil sie mit dem Heftchen auch ein kleines Jubiläum würdigen. Das Archiv wird 20 Jahre alt.
Öffentliche Präsentation
Am Dienstag, 28. Mai, 11 Uhr, wird Rudolf Raths neues Werk öffentlich vorgestellt – wie selbstverständlich im Archiv. Neben Dechant Andreas Schulte hat sich, wie die Westfalenpost erfuhr, hoher Besuch aus Paderborn angekündigt.
Kein Wunder: Das Archiv glänzt nicht nur mit wachsender Material-Fülle von Dokumenten und Artefakten, sondern auch mit wegweisender Ordnung. Der Schlüssel dazu ist ein elektronisches Findbuch, das Rudolf Rath seit Jahren führt. Das führt dazu, dass das Erzbistum Paderborn nicht selten Geschichts- oder Familienforscher direkt ans Archiv in Balve verweist: „Es wird dort eindeutig als Referenz-Archiv gesehen. Da sind wir auch ein bisschen stolz drauf.“
Material für Doktorarbeiten
Gelegentlich melden sich gar Historikerinnen und Historiker, die eine Doktorarbeit schreiben. Eine von ihnen wollte die Folgen des Nazi-Regimes auf kirchliche Vereine ergründen. Nach längerer vergeblicher Suche kam die Dame nach Balve. Sie meinte zu Rudolf Rath: „Jetzt bin ich endlich an der Stelle, wo ich am meisten finde.“
Archiv-Novizen können sich in Rudolf Raths Büchlein orientieren. Interessierte müssen sich allerdings sputen. Es gibt nur 200 Stück.