Balve. Michael Gödde stand in Balve lange Jahre für Sportbegeisterung. Ausgerechnet ein Urlaub auf Mallorca endete als Tragödie.
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, heißt es. Wenn diese Volksweisheit auf einen Menschen zutrifft, dann auf Michael Gödde. Im WP-Archiv gibt es ein Foto von Michael Gödde, das ihn vor drei Jahren bei seiner Leidenschaft Leichtathletik zeigt. WP-Fotograf Dietmar Reker hat seine Dynamik beim Weitsprung eingefroren: voll konzentriert und voller Energie. Michael Gödde und das Sportabzeichen: Das war für lange Zeit in Balve ein und derselbe Begriff. Das Foto entstand am 7. September 2021. Und dann kam ein verhängnisvoller Unfall: „Es war im Urlaub auf Mallorca, ein Treppensturz“, sagt Michael Göddes Frau. Seither braucht er Intensivpflege. Er wohnt in einem Zimmer der Intensivpflegestation des Unternehmens IC Home 24 im Gesundheitscampus. Die Einrichtung ist seit zehn Jahren vor Ort.
Der Weg vom Krankenhaus zum Campus
Michael Göddes Frau besucht ihren Mann täglich. Auch wenn er zu schlafen scheint, spürt er ihre Nähe, und sie tut ihm gut. Michael Göddes Frau tut es gut, ihren Mann in direkter Nähe zu wissen. Sie kann zu Fuß zum Campus kommen. Der Weg der Pflegeeinrichtung zum Campus war länger. Die Campus-Geschäftsführer Ingo Jakschies und Bernd Krämer haben ihn möglich gemacht.
Rückblende. Der Campus ist die Antwort Balves auf die Schließung des einstigen Marienkrankenhauses im Jahr 2012. Ingo Jakschies und Bernd Krämer wollten die medizinische Versorgung im Stadtgebiet so gut wie möglich aufrechterhalten. Das Unternehmen IC Home 24 war aus ihrer Sicht eine passende Antwort auf die Frage: Was bedeutet Intensivpflege?
Kleiner Personalschlüssel hilft Erkrankten
„In der Öffentlichkeit werden wir oft als Koma-WG betitelt“, sagt Pflegedienstleiterin Andrea Maas mit leichtem Kopfschütteln, „das sind wir nicht.“ Denn: In den Zimmern der zweiten Etage des Campus leben neben Menschen in Koma oder Wachkoma Patienten, die schlicht eine 24-Stunden-Betreuung benötigen – und damit einen kleineren Personalschlüssel. Er liegt bei 1:3. Im klassischen Altenheim muss sich eine Pflegeperson zuweilen um deutlich mehr als zehn Bewohnerinnen und Bewohner kümmern. „Das Hauptmerkmal“, erklärt Viola Kuhnen, „ist die Interventionsbereitschaft. Sie leutet das operative Geschäft. Bei unseren Patienten können rund um die Uhr lebensbedrohliche Situation entstehen – und da muss rechtzeitig eingegriffen werden. Da geht es um lebenserhaltende Maßnahmen.“ An welchen Krankheiten leiden die Mitglieder der Intensivpflege-Station?
„Ganz grob alle Erkrankungen des Atmungssystems – wie COPD. Wir haben auch Krebspatienten, und wir haben viele Menschen nach einer Reanimation hier, nach Unfällen oder allergischen Reaktionen“, sagt Andrea Maas. Sie leitet den Pflegedienst. Andere Menschen auf der Station leiden an neuromuskulären Erkrankungen, die ihre Beweglichkeit zuweilen extrem einschränken. Verbindendes Element der Behandlung ist künstliche Beatmung, Luftröhrenschnitt inklusive. Oft funktioniert auch der Schluckreflex nicht mehr.
Das rund 40-köpfige hochqualifizierte Team von IC Home 24 betont, es gehe bei der Arbeit mit den Menschen auf der Station um mehr als Waschen. Viola Kuhnen nennt als Formel „Ganzheitlichkeit“. Andrea Maas hakt ein: „Wir haben hier einfach viel mehr Zeit. Selbst wenn sie könnten, wollen viele Patienten nicht mehr in eine normale Krankenhaus-Station zurück.“
Angehörige werden auf Wunsch in die Arbeit mit den Erkrankten einbezogen: „Wir setzen“, sagt Andrea Maas, „sehr stark auf Biografie-Arbeit.“ Zudem haben Angehörige die Möglichkeit, ihre Lieben bei Bedarf rund um die Uhr zu begleiten: „Am Anfang sind unsere Kolleginnen und Kollegen immer auch ein bisschen Seelentröster.“ Schließlich sollen sich Erkrankte und Angehörige so wohl wie möglich fühlen. Kein Wunder, dass die Station eher wie eine WG als eine therapeutische Einrichtung wirkt. Die insgesamt zwölf Zimmer können individuell eingerichtet werden. An einer Zimmertür ist gewissermaßen als Hausnummer 9 ¾ angegeben: Tribut anZauberlehrling Harry Potter und ein gar nicht so heimlicher Genesungswunsch.
Heilung ist möglich. Andrea Maas: „Wir haben aber nicht zwingend Menschen mit einer Langzeit-Diagnose hier, und es ist auch nicht zwingend die Endstation.“ Nicht selten verlassen Erkrankte die Pflegestation wieder, sobald ihr Gesundheitszustand es wieder erlaubt. Keineswegs alle Bewohner sind im Ruhestand oder gar hochbetagt.
Wie reagieren Pflege- oder Krankenkassen? „Viele Kostenträger unterstützen unsere Einrichtung“, betont Viola Kuhnen, „sie sind zu 95 Prozent bereit, die Kosten für die Therapie zu übernehmen. Aber manchmal bedarf es der Unterstützung durch die Angehörigen.“
Michael Gödde hat sie. Während des Besuchs des WP-Reporters in seinem Zimmer huscht über sein Gesicht ein feines Lächeln.